CIO Weekly | Aktive Eigentümerverantwortung ist wichtig

Aktionäre müssen immer Einfluss nehmen, nicht nur in der Hauptversammlungssaison. Neuberger Berman | 13.06.2024 08:08 Uhr
Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Abstimmungen zu Governancefragen sind ein wichtiges Thema für Aktionäre. In Japan ist die Hauptversammlungssaison gerade in vollem Gange, und in Europa und Nordamerika geht sie dem Ende zu.

Wie in früheren Jahren haben wir auf unserer Webseite „NB Votes“ unser geplantes Abstimmungsverhalten auf ausgewählten Hauptversammlungen im Vorfeld veröffentlicht. Der Schwerpunkt liegt auf Unternehmen, an denen unsere Kunden stark beteiligt sind und auf deren Hauptversammlungen über finanziell wesentliche Themen abgestimmt werden dürfte. Soweit wir wissen, haben wir als erster großer Assetmanager unser geplantes Abstimmungsverhalten regelmäßig vorab bekannt gegeben und es oft ausführlich begründet. Diese Form der Transparenz nehmen wir sehr ernst.

In der Hauptversammlungssaison ist das Aktionärsengagement naturgemäß besonders wichtig. Wir möchten aber noch einmal deutlich sagen, dass aktive Assetmanager auch darüber hinaus Einfluss auf Unternehmen nehmen müssen – und dass Engagement sehr viel mehr ist als die reine Stimmabgabe.

Wir sind davon überzeugt, dass umfassendes Engagement zu einer immer wichtigeren Voraussetzung für hohe Langfristerträge wird. Dafür gibt es drei Gründe.

Schnelllebigkeit

Der erste Grund ist, dass das Wirtschaftsumfeld immer schnelllebiger und risikoreicher wird.

Die aus unserer Sicht für Unternehmen finanziell relevanten Themen ändern sich ständig. Noch vor zwei Jahren hätte wohl kaum jemand damit gerechnet, dass die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in die Geschäftsprozesse heute eine der wichtigsten strategischen Fragen für fast jedes Unternehmen ist.

Seit Jahrzehnten ist es den Technologieriesen nicht gelungen, in den sozialen Medien für einen angemessenen Kinder- und Jugendschutz zu sorgen. In den letzten Wochen, vor den Hauptversammlungen unter anderem von Meta und Alphabet, haben wir über den richtigen Umgang mit diesem Scheitern diskutiert und überlegt, wie wir angesichts der Risiken von KI eine Wiederholung vermeiden können. Obwohl uns die jüngsten Fortschritte dieser Unternehmen durchaus bewusst sind, haben wir auch dieses Jahr zahlreiche Aktionärsanträge unterstützt. Sie betreffen die Kontrolle der KI-Nutzung, die Berichterstattung über KI-bedingte Fehl- und Desinformation, den KI-Einsatz in Werbekampagnen und den Kinderschutz.

Auf den meisten Hauptversammlungen wurden aber keine Aktionärsanträge zu KI-Themen gestellt, sodass Aktionäre über solche Fragen nicht abstimmen konnten. Insgesamt wurden in der laufenden Berichtssaison nur elf einschlägige Anträge bei acht Unternehmen eingebracht. Das heißt aber nicht, dass KI bei anderen Unternehmen weniger finanzrelevant ist. Für umso wichtiger halten wir es daher, dass Investoren Unternehmen auf solche Themen direkt ansprechen, auch außerhalb der Hauptversammlungssaison. Nur dann können sie deren KI-Richtlinien und den Umgang mit Künstlicher Intelligenz insgesamt wirklich verstehen. Genau das tun wir bei zahlreichen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen.

Eine Branche, in der KI schnell sehr viel verändert, ist der Medien- und Unterhaltungssektor. Weil die derzeitigen Veränderungen für Unsicherheit sorgen, sind eine gute Governance und eine starke Führung hier wichtiger denn je. Die Boards haben dabei eine wichtige Aufgabe, auch weil sie die CEO-Nachfolge planen müssen. Das Beispiel Disney zeigt das aus unserer Sicht besonders deutlich.

Wir meinen, dass das Disney-Board die Planung der Nachfolge für CEO Bob Iger bislang nicht besonders professionell angegangen ist. Wegen der Größe und Komplexität des Unternehmens und des schwierigen Branchenumfelds verursachte das hohe Kosten und lenkte vom eigentlichen Geschäft ab. Im April unterstützten wir den Versuch, Nelson Peltz und James Rasulo ins Board zu wählen. Da die Nachfolgeplanung für den CEO neu aufgerollt wurde, hielten wir Boardmitglieder mit neuen Perspektiven für wichtig. Auch wenn die Wahl der beiden Kandidaten letztlich scheiterte, haben wir mit unserer Stimmabgabe dem Board sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass der zweite Versuch, einen neuen CEO zu finden, erfolgreicher sein muss.

Politisch motivierte Anträge

Aktionärsengagement wird aber auch aus einem zweiten Grund immer wichtiger – wegen der wachsenden Zahl politisch motivierter Aktionärsanträge, bei denen es oft nur um ein einziges Thema geht. Investmentfirmen wie Neuberger Berman haben eine Treuhandpflicht und müssen im besten Interesse ihrer Kunden abstimmen. Wir glauben fest an das Recht der Aktionäre, Anträge einzubringen, die – falls angenommen – den langfristigen Unternehmenswert steigern.

Wir selbst brachten im November 2023 bei Lions Gate Entertainment Corp. einen Aktionärsantrag ein. Bei dem Unternehmen gab es zwei Arten von Aktien mit unterschiedlichen Stimmrechten, was unserer Ansicht nach dem Unternehmenswert schadete. Mit dem Antrag wollten wir das ändern. Die B-Aktien von Lions Gate notierten seinerzeit unter dem durchschnittlichen KGV (Unternehmenswert im Verhältnis zum erwarteten EBITDA) der Wettbewerber. Einen Grund dafür sahen wir in den zwei Aktienarten. Sie schadeten der Liquidität, machten die Kapitalstruktur komplexer und gaben manchen Aktionären überdurchschnittlichen Einfluss. Wir freuten uns, als unser Antrag 62% Zustimmung erhielt und sich das Unternehmen bereit erklärte, die verschiedenen Aktienarten zum Jahresende zusammenzulegen.

Aber nicht alle Aktionärserträge haben so klare Auswirkungen auf den langfristigen Unternehmenswert. Manche beziehen sich auf ausgewählte Umwelt- und Sozialthemen, deren finanzielle Relevanz zweifelhaft scheint. Manche Anträge sind zu dirigistisch, mit extrem vielen Details, die man besser der Geschäftsleitung überlassen sollte. Andere fordern das Unternehmen zu etwas auf, woran es schon längst arbeitet.

Noch problematischer sind Aktionäre, die die Hauptversammlungssaison für politischen Aktionismus nutzen wollen. Auf den ersten Blick haben solche „Anti Woke“- oder „Anti ESG“-Anträge oft kein politisches Ziel, etwa, wenn die Trennung der Rollen von Chairman und CEO gefordert wird. Häufig werden ihnen aber politisch bedenkliche Begründungen beigefügt, die nichts mit dem langfristigen Unternehmenswert zu tun haben. Engagierte aktive Eigentümer, die die Hauptversammlungsunterlagen genau analysieren, verstehen die wahren Ziele solcher Anträge und ihre möglichen Folgen vermutlich am besten. 13% der Anträge in der Hauptversammlungssaison 2024 fallen in diese Kategorie, schreibt die Royal Bank of Canada. Vor drei Jahren seien es nur einige wenige gewesen.

Auch das könnte erklären, warum Anträge zu Umwelt- und Sozialthemen in den letzten zwei Jahren weniger Zustimmung bekamen, während die Zustimmung bei Anträgen zu Governancethemen wuchs. Damit nicht bestimmte Aktionäre übermäßigen und möglicherweise schädlichen Einfluss ausüben, halten wir eine kluge Stimmabgabe aktiver, langfristig denkender Investoren für wichtig.

Passiv über alles

Engagement halten wir aber auch aus einem dritten Grund für wichtig: um angesichts des immer beliebteren passiven Investierens eine gute Performance zu erreichen.

Große passive Investmentmanager – die oft einen wesentlichen Teil des Aktienkapitals eines Unternehmens besitzen – argumentieren, dass sie in alle Aktien investieren müssten und daher einen echten Anreiz zum Engagement hätten. Außerdem verweisen sie auf ihre Abstimmungsteams. Wir meinen hingegen, dass eine von aktivem Management und sonstigem Engagement losgelöste Stimmabgabe oft etwas Mechanisches ist und daher nur wenig erreichen kann.

Ein Beispiel für unser Engagement in Japan mag das verdeutlichen. Nach Jahren des Widerstands wird Aktionärsengagement in Japan zunehmend positiver gesehen.

Jahrelang war die Kassequote der Okinawa Cellular Telephone Company unserer Ansicht nach zu hoch. Schon 2020 begannen wir, uns mit unserem Stimmverhalten für eine effizientere Gewinnverwendung einzusetzen. Zunächst freuten wir uns über die ersten Aktienrückkäufe, doch dann blieben weitere Fortschritte aus, was ein erneutes Engagement erforderlich machte.

Im Februar 2022 schrieben wir daher an das Board und baten die Muttergesellschaft von Okinawa, KDDI, das Problem der ineffizienten Kapitalnutzung anzugehen. Im Juni 2022 erklärten wir, dass wir gegen das Management und die externen Boardmitglieder von Okinawa stimmen wollten. Im Oktober 2022 legte das Unternehmen dann seinen ersten mittelfristigen Entwicklungsplan überhaupt vor. Ziel war eine Steigerung des Gewinns je Aktie um 15% in drei Jahren, und das zur Hälfte durch Aktienrückkäufe. Sechs Monate später gab Okinawa bekannt, dass ein Drittel der Kredite an KDDI abgelöst und die Rückflüsse für Aktienrückkäufe genutzt werden sollten.

Unserer Ansicht nach haben die vorzeitige Bekanntgabe des geplanten Abstimmungsverhaltens und das regelmäßige Engagement entscheidend zu diesen Veränderungen beigetragen. Wir setzen unser Engagement weiter fort, um die Kapitaleffizienz noch weiter zu verbessern. Gerade erst haben wir öffentlich erklärt, wie wir uns bei einer Abstimmung über die Unabhängigkeit des Boards in dieser Woche positionieren werden.

Aus den diesjährigen Abstimmungen sollten Langfristanleger unserer Ansicht nach einen wichtigen Schluss ziehen: Aktionärsengagement ist immer wichtig, nicht nur während der Hauptversammlungssaison.

Von Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman

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