Die heutigen CIO Weekly Perspectives stammen von den Neuberger Berman Gastautoren Keita Kubota und Kei Okamura.
Jahrelang war Japan das einzige große Industrieland, auf das Anleger glaubten, verzichten zu können. Wenn die Kursgewinne der letzten Jahre daran schon nichts geändert haben, dann fast sicher die Aufregung der beiden letzten Monate.
Nachdem der Yen auf ein Allzeittief gefallen war, hat er im Juli und August gegenüber dem US-Dollar wieder um 12% aufgewertet. Zugleich sind japanische Aktien um fast 25% eingebrochen. Die Gewinne eines ganzen Jahres gingen verloren, bevor sich der Index dann wieder um über 20% erholte. Und das ist nicht alles: Japan ist zwar eines der wenigen Länder weltweit, in denen für 2024 keine Wahlen angesetzt waren. Doch jetzt, wo sich Premierminister Fumio Kishida nicht wieder um den Parteivorsitz bewirbt, könnte sich das ändern.
Weckt irgendetwas davon Zweifel am positiven Ausblick für japanische Aktien, der zu Jahresbeginn noch so sicher schien?
Mehr als Large Caps
Beginnen wir mit dem Yen.
Ausgerechnet jetzt, wo die Fed die Zinsen senken will, beginnt die Bank of Japan mit Erhöhungen. Der zuletzt schwache Yen hat daher stark aufgewertet. Viele Beobachter sahen darin den Grund für die massive Abwicklung von Carry Trades, die die Märkte weltweit im August irritiert hat. Vor allem japanische Aktien und amerikanische Technologie-Mega-Caps haben darunter gelitten.
Wenn noch mehr in Yen fremdfinanzierte Positionen abgebaut werden, könnte uns noch mehr Volatilität bevorstehen. Viele Hedgefonds hatten aber mit dem Abbau von Carry Trades gerechnet und waren in Japan daher Short-Positionen eingegangen. Das Ausmaß der anschließenden Erholung spricht dafür, dass viele dieser Positionen gedeckt waren und das Schlimmste vorbei ist.
Dennoch hätte eine weitere Yen-Aufwertung fundamentale und technische Folgen für Aktien. Für uns hatte die gute Performance japanischer Large Caps auch mit der schwachen Währung zu tun, die den Unternehmen geholfen hat. Nach unseren Schätzungen erzielen sie gut 60% ihrer Umsätze und 70% ihrer Gewinne im Ausland, in US-Dollar.
Large Caps sind aber nicht alles. Wir schätzen, dass Japans kleine und mittlere Unternehmen im Schnitt nur 30% ihrer Umsätze im Ausland erwirtschaften. Viele von ihnen könnten von einem stärkeren Yen sogar profitieren, da er den Binnenkonsum stützt. Die Preise für Energie und andere Importgüter würden bei einer Yen-Aufwertung nämlich fallen.
Das käme zu einer Zeit, in der die Regierung die Arbeitgeber zu Lohnerhöhungen drängt. Im Juli sind die Reallöhne erstmals seit zwei Jahren wieder gestiegen. Wir rechnen daher mit einer nachhaltigen Erholung der Haushaltsausgaben, die in den letzten 18 Monaten meist gefallen sind. Auffällig ist, dass der japanische Konsumklimaindex zuletzt stärker stieg als von den Volkswirten erwartet, und dass der private Verbrauch, der zuvor ein Jahr lang zurückgegangen war, maßgeblichen Anteil am starken BIP-Wachstum im 2. Quartal hatte. Der Binnenkonsum dürfte den Umsätzen kleiner und mittlerer japanischer Unternehmen unmittelbar zugutekommen.
An anderer Stelle schrieben wir bereits, dass steigende Zinsen und ein stärkerer Yen zu den unvermeidbaren Nebenwirkungen zählen, wenn sich eine Wirtschaft nach jahrzehntelanger Stagnation und Deflation wieder normalisiert. Volatilität wird nicht ausbleiben, aber die Richtung stimmt.
Shareholder Value
Und was ist mit der starken Markterholung? Hat sie vielleicht nur technische Gründe, weil Short-Positionen eingedeckt werden, bis die Kurse wieder fallen? Oder haben langfristige Investoren doch aus fundamentalen Gründen gekauft?
Wir meinen, dass Anleger die stabilen Fundamentaldaten schätzen. Größere Unternehmen mögen den extrem schwachen Yen vermissen, legten aber trotzdem ordentliche Zweitquartalszahlen und meist auch gute Ausblicke vor. Neben den Kursen sind auch die Bewertungen jetzt niedriger als im Juli. Und da der Yen seinen Tiefpunkt wohl erreicht hat, sind sie für dollar-, pfund- oder eurobasierte Investoren noch attraktiver.
Wir sind zuversichtlich, dass die Unternehmen auch in Zukunft mehr auf den Shareholder Value achten. Das führt schon jetzt zu höheren Dividenden, mehr Aktienrückkäufen und stabileren Unternehmensfinanzen. Die Entwicklung dürfte anhalten, da immer mehr Überkreuzbeteiligungen aufgelöst werden und sich auch die Boards ändern. Auf den Jahreshauptversammlungen im Juni erhielten die Boardmitglieder von Unternehmen mit Governanceproblemen noch weniger Stimmen.
Die Corporate Governance ändert sich, weil die Aktionäre aktiver werden – und das nimmt aktivistischen Aktionären wiederum etwas von ihrer Macht. 2022, 2023 und 2024 wurden etwa doppelt so viele Aktionärsanträge eingebracht wie in den Jahren zuvor, schreibt Glass Lewis. Bekannte Private-Equity-Firmen wie Bain, Carlyle und KKR entdecken Japan oder expandieren dort. Sie legen neue Japanfonds auf und lösen damit eine Welle von Management Buy-outs und Übernahmeangeboten aus, oft mit erheblichen Aufschlägen gegenüber den Marktpreisen.
Wir glauben, dass das wachsende Aktionärsengagement und die häufigeren Fusionen und Übernahmen Small und Mid Caps zusätzlich helfen. Ihre Corporate Governance war schwächer als die der größeren und internationaleren Konzerne. Aber jetzt beginnt der Druck zu wirken, sodass auch kleinere und mittlere Unternehmen auf die Eigenkapitalrentabilität achten.
Vom Markttief im Oktober 2022 bis zum Vorabend des Ausverkaufs im August blieb der MSCI Japan SMID Cap Index um fast 25 Prozentpunkte hinter dem MSCI Japan Large Cap Index zurück. Eine nachhaltige Trendwende des Yen und Governancereformen, die diesen Namen verdienen, könnten stark dazu beitragen, dass sich diese Lücke schließt. Davon sind wir überzeugt.
Aktive Manager und engagierte Eigentümer
Stellt sich noch die Frage, wie wichtig Kishidas Rücktritt ist.
Kishida war ein marktfreundlicher Premierminister, der die Reformen des verstorbenen Shinzō Abe und seines Vorgängers Jun’ichirō Koizumi fortsetzte. Seine Beliebtheitswerte betrugen zuletzt aber nur noch etwa 20% – viel zu wenig, sodass sein Rücktritt keine große Überraschung mehr war.
Wenn der neue Chef der Liberaldemokraten Zustimmungswerte von über 50% erreicht, wird eine vorzeitige Neuwahl des Unterhauses noch in diesem Jahr wahrscheinlicher. Vielleicht erfordert das ein populistischeres Wahlprogramm. Dennoch zählen alle aussichtsreichen Kandidaten zum wirtschaftlichen Mainstream der Partei – und die eine oder andere verbraucherfreundliche Subvention würde Japans Wirtschaft zurzeit wohl eher helfen als schaden.
Alles in allem glauben wir, dass die Ereignisse der letzten Wochen nichts an der fundamentalen Qualität japanischer Aktien geändert haben. Sie sind jetzt nur etwas billiger. Gerade für aktive Manager und engagierte Eigentümer der von Analysten oft vernachlässigten Small und Mid Caps rechnen wir nach dem Auf und Ab im August mit einem noch besseren Langfristausblick.
Von Keita Kubota, Senior Portfolio Manager und Head of Japanese Equites und Kei Okamura, Portfolio Manager, Japanese Equities, Neuberger Berman