US-Wahl: Was wäre, wenn?

Die Nominierung von Kamala Harris hat dem Wahlkampf der Demokraten neuen Auftrieb gegeben; das Rennen um das Weiße Haus wird also in den kommenden Wochen spannend bleiben. In der politischen Wahlkampfrhetorik bleibt die Frage, wer das Haushaltsdefizit ernsthaft angeht, ungeklärt. Investoren könnten besser beraten sein, sich nicht auf den Lärm des Wahlkampfes zu konzentrieren, sondern auf die politischen Entscheidungen, die nach der Wahl getroffen werden. Neuberger Berman | 09.09.2024 12:00 Uhr
Joseph V. Amato, CIO bei Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Joseph V. Amato, CIO bei Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Was wäre, wenn die Republikaner gewinnen?

Die Republikaner unter Donald Trump dürften bei einem Wahlsieg ihre Bemühungen fortsetzen, die 2017 eingeführten Steuersenkungen zu verlängern. Auch in Bezug auf die föderale Bürokratie und Regulierung des Staates dürfte Trump seine bisherigen Bemühungen zur Reduzierung der staatlichen Einmischung in die Wirtschaft fortsetzen. Dies könnte sich auch auf stark regulierte Sektoren wie Finanzen, Energie und Gesundheitswesen auswirken, wobei diese nicht immer vorhersehbar sind.

In der Energiepolitik würde Trump die heimische Energieproduktion beschleunigen, indem er die Bürokratie abbaut und den Zugang zu staatlichen Flächen für Öl- und Gasbohrungen erweitert, „Drill, baby, drill“. Die jüngsten Ausgaben für erneuerbare Energien dürften jedoch schwer zu kürzen sein, da viele Projekte auch in republikanisch dominierten Bundesstaaten bereits angelaufen sind. Gleiches gilt für die Subventionen, die angesichts der steigenden Energienachfrage durch Elektroautos und dem wachsenden Bedarf an Rechenzentren weiter gefragt sind.

Die Einwanderungspolitik ist das zentrale Thema für die Republikaner. Sollte Trump Präsident werden, dürfte er versuchen, die in seiner ersten Amtszeit eingeführten Grenzbeschränkungen wieder einzuführen und möglicherweise die Abschiebung vieler seit 2020 eingereister Personen voranzutreiben. Global wirtschaftlich gesehen könnten breitere Zölle auf ausländische Güter verhängt und NATO-Mitglieder stärker unter Druck gesetzt werden, ihre eigene Verteidigung zu finanzieren. Die Steuer- und Handelspolitik, einschließlich der möglichen Erhöhung von Zöllen, könnte zu einer weiteren Eskalation globaler wirtschaftlicher Konflikte führen.

Joseph V. Amato, CIO bei Neuberger Berman kommentiert: „Unserer Ansicht nach könnte sich Trumps Steuerpolitik positiv auf die Aktienmärkte und das Wirtschaftswachstum auswirken. Für die Anleihemärkte kann sie allerdings zum Problem werden, da sie die Inflation anheizt und die Frage nach der Tragfähigkeit der Schulden aufwirft. Es ist schwer vorstellbar, dass diese Maßnahmen nicht zu einem erheblichen Anstieg des Haushaltsdefizits führen werden. Insbesondere in Kombination mit der vorgeschlagenen Erhöhung der Verteidigungsausgaben und trotz seiner erklärten Pläne zur Kürzung anderer staatlicher Programme.

Im Bereich der Regulierung würde eine Trump-Administration zu der Laissez-faire-Agenda seiner ersten Amtszeit zurückkehren. Dabei könnte ein berechenbareres regulatorisches Umfeld das Vertrauen der Unternehmen stärken, das durch einige der jüngsten Entscheidungen der Behörden unter der Biden-Regierung untergraben wurde. Dadurch könnte auch die M&A-Aktivitäten wieder ansteigen.

Beim Thema Handel und Zölle sehen wir das deutlichste Signal von allen, dass Trump seine Politik aus der ersten Amtszeit fortsetzen würde. Trumps aktuelle Vorschläge würden die US-Importzölle auf 1 Prozent bis 2 Prozent des BIP erhöhen. Zum Vergleich: Die Zölle lagen im letzten Jahrhundert zwischen 0,3 Prozent und 0,5 Prozent des BIP, mit einem Höchststand in den 1930er Jahren und einem bescheidenen Anstieg während Trumps erster Amtszeit. Dies dürfte den globalen Wirtschaftskonflikt weiter verschärfen. Trumps Zollvorschläge wirken störend, aber vielleicht sind sie auch nur ein erster Verhandlungsversuch, der Spielraum für Bewegung bieten soll. Wie dem auch sei, es ist unwahrscheinlich, dass sie vor Ende des nächsten Jahres durchgesetzt werden.“

Was wäre, wenn die Demokraten gewinnen?

Sollen die Demokraten die Wahl im November gewinnen, dürften sich Menschen mit niedrigen Einkommen über Steuererleichterungen und eine Reihe an sozialen Maßnahmen freuen und Studenten könnte ein Teil ihrer Bildungsausgaben abgenommen werden. Gleichzeitig dürfte die Steuerlast für wohlhabende Amerikaner steigen. Auch die Unternehmensgewinne stehen im Fokus. So planen die Demokraten nicht nur eine globale Mindeststeuer für Unternehmen, sondern auch eine Erhöhung der Körperschaftssteuer in den USA.

Im Bereich Bürokratie und Regulierung stehen die Demokraten für eine stärkere Einmischung des Staates in die Wirtschaft. Ein Trend, der sich auch nach der Wahl fortsetzen dürfte. In der Energie- und Klimapolitik setzen die Demokraten auf die Reduzierung von Kohlenstoffemissionen durch den Ausbau von Wind- und Solarenergie sowie Elektroautos.

Beim Thema Einwanderung zeigt sich die aktuelle Regierung zurückhaltend, teils aufgrund von Einwänden progressiver Flügel, hat jedoch kürzlich eine restriktivere Haltung eingenommen, indem sie per Exekutivverordnung die Bearbeitung von Amnestieanträgen bei einer bestimmten Anzahl von Grenzübertritten gestoppt hat. Die Demokraten und die Republikaner sind sich einig, wenn es um China geht. Der derzeitige Präsident hat vor kurzem neue Zölle auf bestimmte Waren eingeführt und Trump befürwortet nachweislich hohe Abgaben auf Elektrofahrzeuge.

"Die Nominierung von Kamala Harris hat den US-Wahlkampf wieder offener gestaltet und gibt den Demokraten deutlich Auftrieb. Wenn Kamala Harris gewinnt, dürfte die Politik in dem berechenbaren Stil weitergeführt werden, den Joe Biden in den vergangenen Jahren geprägt hat. Viele Maßnahmen aus seiner ersten Amtszeit würden fortgesetzt und abgerundet. Die Steuersenkungen von 2017 für die wohlhabendsten Steuerzahler dürften wahrscheinlich auslaufen und für diejenigen mit moderaten Einkommen (400.000 Dollar und darunter) verlängert werden. Das Rennen um das Weiße Haus wird auf jeden Fall spannend, und was heute gilt, kann morgen schon wieder obsolet sein. Für den November gilt das erst recht. Es ist ein Paradoxon und macht deshalb vielleicht etwas Angst: Die Marktvolatilität ist aktuell nicht trotz der großen Unsicherheit über den Wahlausgang so niedrig, sondern wegen ihr.", so Amato.

Was uns die Historie lehrt:

Hohe Volatilität bei knappen Wahlen

Historische Daten zeigen: Je knapper der Wahlausgang, desto größer ist die Volatilität an den Aktienmärkten. In einem solchen Szenario zeigt sich, dass die Aktienmärkte in den frühen Monaten des Wahljahres ähnlich wie in Nichtwahljahren verlaufen. Ab September, wenn die Unsicherheiten zunehmen, neigt der Markt dazu, für etwa einen Monat zu fallen.  Sobald Investoren mehr Vertrauen in das Wahlergebnis gewinnen, steigt er wieder an (Grafik 1).

Schnelle Gewinne bei Wiederwahl

Interessanterweise hat der Sieg einer amtierenden Partei im Durchschnitt zu zwei Jahren starker Performance des S&P 500 Index geführt, was auf die wirtschaftliche Stärke und die positiven Effekte stimulierender Wahljahr-Politik zurückzuführen sein könnte. In der zweiten Hälfte der Amtszeit, wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen der Wahlpolitik nachlassen, tendiert der S&P 500 jedoch dazu, schwächer abzuscheiden (Grafik 2).

Schnelle Erfolge bei einheitlicher Regierung

Dabei könnte es erhebliche Auswirkungen haben, ob die Regierung nach der Wahl einheitlich (wenn das Repräsentantenhaus, der Senat und die Präsidentschaft von einer Partei kontrolliert werden) oder geteilt ist. Historisch gesehen hat eine einheitliche Regierung zu breiteren politischen Erfolgen geführt, insbesondere in Steuer- und Haushaltsfragen. Bei einer geteilten Regierung, bei der eine Partei den Präsidenten stellt und die andere Partei das Repräsentantenhaus oder den Senat kontrolliert, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Exekutivverordnungen eingesetzt werden. Damit können Themen wie Handel, Einwanderung und Regulierung trotzdem auch dann vorangetrieben werden, wenn die Vorhaben eigentlich durch Kompromisse drohen abgeschwächt zu werden. Die Frage nach einer einheitlichen oder einer geteilten Regierung könnte für Investoren von größerer Bedeutung sein als die Wahl selbst, da sie die Rahmenbedingungen für zukünftige politische Entscheidungen setzen.

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