CIO Weekly | Die fünfte Phase der Trauer (ums Geld)

Trotz solider Konjunkturdaten scheinen alle unzufrieden. Kehrt die Konsumlaune rechtzeitig zurück, um eine Rezession zu verhindern? Neuberger Berman | 18.09.2024 12:51 Uhr
Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Im ersten Halbjahr 2024 ist die US-Wirtschaft um gut 2% gewachsen, und nach dem GDPNow Model der Atlanta Fed wird sie dieses Quartal um 2,5% zulegen, beides annualisiert. Trotz der jüngsten Revision sind in den USA dieses Jahr fast 1,5 Millionen neue Stellen geschaffen worden. Der Lohnanstieg liegt um 1,3 Prozentpunkte über der Inflation von nur noch 2,5%, und die Leitzinsen werden gesenkt. Am Markt rechnet man mit einem ganzen Prozentpunkt bis Weihnachten.

Bei solchen Zahlen waren die Amerikaner früher fast immer optimistisch.

Aber warum scheinen jetzt alle so unzufrieden? Könnte der Pessimismus der Verbraucher trotz optimistischer Wall-Street-Volkswirte vielleicht zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung werden – einer Self-fulfilling Prophecy – und eine überraschende Rezession auslösen?

Malaise

Im Februar hatten wir geschrieben, dass vor allem das Konsumklima der ärmeren Verbraucher schlecht sei. Aber jetzt scheint die Stimmung auf breiter Front eingebrochen zu sein.

Die National Federation of Independent Business sollte ihren Small Business Optimism Index vielleicht umbenennen: Nach einem vielversprechenden Jahresbeginn ist er im August wieder gefallen und liegt jetzt seit fast drei Jahren deutlich unter seinem Langfristdurchschnitt. Der Uncertainty Index – Unsicherheitsindex – notiert auf dem höchsten Wert seit Oktober 2020, als Corona noch alles im Griff hatte. Der Konsumklimaindex des Conference Board fällt schon seit zwölf Monaten.

Diese Diskrepanz zwischen harten Daten und Umfrageergebnissen hat psychologische Gründe.

Nehmen wir einmal den US-Inflationsbericht von letzter Woche. Die Finanzpresse jubelte, weil die Inflation von 2,9% z.Vj. auf 2,5% gefallen ist, den niedrigsten Wert seit Februar 2021. Die „große Teuerung“ scheint vorbei. Aber erzählen Sie das mal den Verbrauchern.

In den letzten vier Jahren ist Essen im Restaurant um 25% teurer geworden. Das Benzin, das man für die Autofahrt dorthin braucht, kostet 54% mehr. Vielleicht ein Grund, sich einen neuen, sparsameren Wagen zu kaufen? Dann müssen Sie 20% mehr Geld auf den Tisch legen als 2020. Autoversicherungen kosten über 50% mehr. Oder ist das sowieso alles egal? Weil die Mieten um 23% gestiegen sind, können sich viele ohnehin keinen Restaurantbesuch mehr leisten. Wer zu Hause isst, muss für seine Lebensmittel schließlich nur 21% mehr bezahlen. Oder man tröstet sich mit einem Bier, das nur um 16% teurer geworden ist.

Sie verstehen. Annualisiert liegen all diese Preissteigerungen deutlich über dem 2%-Ziel der Fed. Bei Schulgebühren, Zahnarztbesuchen, Pflegeleistungen und Altenheimen ist es kaum anders. Eine fallende Inflation löst das Problem nicht. Ohne erkennbare Deflation, die aber keiner will, bestimmen diese höheren Preise unser tägliches Leben auch weiterhin.

Stimmung

Und zum Stimmungskiller Inflation kommt dann wohl auch noch der Corona-Kater.

Das Konsumklima war im Sommer 2021 wieder ähnlich gut wie vor Corona. Damals wurde allmählich klar, dass wir die Pandemie in den Griff bekommen würden. Die Lockdowns wurden gelockert. Die Inflation war damals schon mehr als doppelt so hoch wie das 2%-Ziel, aber der stärkste Preisanstieg stand noch bevor. Vor allem aber hatten die Verbraucher viel gespart und warteten nur darauf, wieder Spaß zu haben. Sie waren nicht nur gegen Corona geimpft, sondern auch gegen die Angst vor einer hartnäckigen Inflation.

In den nächsten drei Jahren ließ die Kauflaune dann ebenso nach wie das Ersparte. Aber die Preise stiegen weiter: Nicht nur Lustkäufe wurden teurer, sondern auch Basisgüter. Abgesehen von Rezessionen kann man sich kaum schlechtere Rahmenbedingungen vorstellen.

Rezession

Das bringt uns zu unserer zweiten Frage: Sind die Verbraucher unglücklich genug, um eine Rezession auszulösen? Wir glauben das nicht – und auch das hat psychologische Gründe.

Die guten Rahmenbedingungen, über die wir eingangs geschrieben haben, sind keine Illusion. Sie sind real. Dass sich das Konsumklima trotzdem nicht verbessert, lässt sich unserer Ansicht nach nur mit dem Lebenshaltungskostenschock erklären. Er hat die Verbraucher so stark verunsichert, dass fallende Inflation, niedrigere Zinsen und recht sichere Arbeitsplätze allein nicht ausreichen, um die Kauflaune wieder zu heben.

Die Arbeitslosigkeit ist zuletzt zwar etwas gestiegen, aber das hat wohl eher mit weniger offenen Stellen als mit Entlassungen zu tun. Der jüngste Rückgang der Erstanträge auf Arbeitslosengeld bestätigt das ebenso wie der Job Openings and Labor Turnover Survey (JOLTS) vom Juli: Die Zahl der offenen Stellen ist zwar auf ein 3-Jahres-Tief gefallen, aber die Neueinstellungen sind um 3,5% gestiegen und die Kündigungen durch Arbeitnehmer um 2,1%. Der Optimismus reicht also, um einen Arbeitsplatzwechsel zu riskieren. All das erklärt, warum die Löhne noch immer stärker steigen als die Preise.

Und bei den Lebenshaltungskosten irritiert vor allem die Erkenntnis, dass der Preisanstieg der letzten vier Jahre Bestand hat. Die Stimmung wird sich unserer Ansicht nach erst dann wieder verbessern, wenn die Verbraucher sich damit abfinden und sich wieder mehr mit der Gegenwart als mit der Vergangenheit beschäftigen.

Das wäre sozusagen die fünfte Phase der Trauer. Ein Hinweis darauf, dass es so weit ist, könnten fallende 1-Jahres-Inflationserwartungen der Verbraucher sein. Nach den Umfragen der New York Fed sind sie mit gut 3% noch immer recht hoch.

Kostenbewusstsein

Wir rechnen weder mit einem noch schlechteren Konsumklima noch mit einer Rezession, wohl aber mit kritischeren, kostenbewussteren Verbrauchern und nachlassendem Wachstum.

Wir meinen daher, dass Investoren ebenso kritisch und kostenbewusst sein müssen. Unternehmen könnte es in den nächsten Monaten schwerer fallen, ihre Margen allein durch Preiserhöhungen zu steigern. Höhere Erträge wären dann vor allem durch Rationalisierung und Produktivitätssteigerungen möglich. Mehrertrag erzielte man dann vor allem mit Aktien von Unternehmen, denen das nachweislich gut gelingt und die noch dazu günstig bewertet sind.

Von Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman

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