Kürzlich traf sich unser Asset Allocation Committee (AAC), um über den Ausblick für das 4. Quartal zu sprechen. Ein wichtiges Thema waren die vielen, oft großen Marktbewegungen, ausgelöst durch Notenbanken, Politik, internationale Krisen und das Anlegerverhalten.
Solche Marktbewegungen können unberechenbar sein. Man kann nur schlecht auf sie setzen oder sich gegen sie absichern, und Market Timing ist nahezu unmöglich. Sie können auch dem eigenen mittelfristigen Fundamentalausblick widersprechen. Auch wenn wir grundsätzlich optimistisch sind, hüten wir uns daher zurzeit vor zu großen aktiven Positionen – selbst dort, wo wir uns unserer Einschätzungen sehr sicher sind.
Internationale Krisen, ungünstige Markttechnik
So glauben wir weiterhin an eine weiche Landung der US-Wirtschaft und halten die amerikanischen Langfristrenditen daher im Grunde für zu niedrig. Zugleich sind wir bei Rohstoffen vorsichtiger geworden, weil wir mit einer schwächeren Weltkonjunktur rechnen.
Wir wissen aber auch, dass der eskalierende Konflikt zwischen Israel und dem Iran – der sich nach Redaktionsschluss vielleicht weiter verschärft hat – Investoren wie schon letzte Woche in Öl, Gold und andere sichere Häfen treibt. Und unser Hauptszenario für die USA könnte durch den Hafenarbeiterstreik leicht ins Wanken geraten. Er kann durchaus einen marktrelevanten Wachstums- und/oder Inflationsschock auslösen.
Und die Weltwirtschaft? In den letzten zehn Tagen hat China passend zur Wirtschaftslage eine massive Lockerung der Geld- und Fiskalpolitik angekündigt. Das AAC bleibt aber skeptisch, ob diese Maßnahmen tatsächlich die erhoffte Wende zum Besseren bewirken. Unsere zurückhaltende Einschätzung hat aber nichts daran geändert, dass der CSI 300 in einer Woche um 25% stieg, ausgelöst durch umfangreiche Neuanlagen und die Eindeckung von Short-Positionen.
Ein ähnlicher technischer Schock hatte dieses Jahr bereits zu Mindererträgen einer unserer wichtigsten Positionen geführt. Wegen der Corporate-Governance-Revolution hielten wir japanische Small und Mid Caps für eine hervorragende Langfristanlage, auch wenn der überkaufte Yen stets Sorgen machte. Im Sommer löste er dann tatsächlich einen Ausverkauf japanischer Aktien aus.
Unberechenbar sind aber nicht nur Weltpolitik und Markttechnik. Der sehr gute US-Arbeitsmarktbericht vom Freitag stützte zwar die These von der weichen Landung, aber viele andere Konjunkturdaten – und selbst andere Arbeitsmarktzahlen – zeichneten in den letzten Wochen ein anderes Bild. Wenn sich die Konjunktur dreht, können sich einzelne Daten oft widersprechen. Die Märkte geraten dann ins Schlingern.
Risikobewusstsein
Um es noch einmal klar zu sagen: An dieser Stelle geht es nicht darum, ob das AAC eine bestimmte Entwicklung prognostiziert. Es geht um das Bewusstsein für Risiken.
Eine derart angespannte Weltlage wie jetzt sollte man nicht ignorieren. Wenn Positionen aufgrund des Verhaltens anderer Marktteilnehmer überkauft sind, können nach unseren Erfahrungen selbst kleinste Änderungen der Geld- und Fiskalpolitik oder scheinbar unbedeutende Konjunkturdaten extreme Marktbewegungen auslösen. Das enge Rennen um die US-Präsidentschaft, die weltweite Zins- und Konjunkturwende und die Überreste der Inflation machen Überraschungen nur noch wahrscheinlicher.
Für uns geht es beim Investieren um mehr als den Fundamentalausblick. Wichtig ist, seine Einschätzungen mit Sorgfalt umzusetzen – vor allem in Zeiten wie diesen.
Hüten Sie sich vor überkauften Positionen, selbst wenn sie exakt zu Ihrem Fundamentaleinschätzungen passen. Wenn Ihre bevorzugten Assetklassen gerade im Fokus stehen oder recht hoch bewertet scheinen, sollten Sie sich mit Risiken zurückhalten. Besser scheint es uns, kurzfristige Kursschwankungen für Neuanlagen zu nutzen und der Versuchung zu widerstehen, den Märkten nachzulaufen. Klüger scheint es, auf die Märkte zu warten.
Japanbullen, Chinaskeptiker und Anleihenbären haben solche Chancen bereits genutzt. Erhebliche Spreadausweitungen bei Credits oder eine Korrektur am Aktienmarkt sind für uns weitere Möglichkeiten, unsere Positionierung noch stärker an unseren Fundamentalausblick anzupassen.
Von Erik L. Knutzen, CFA, CAIA, Co-CIO, Multi-Asset Strategies und Jeff Blazek, Co-CIO, Multi-Asset Strategies bei Neuberger Berman
Der Asset-Allocation-Ausblick für das 4. Quartal 2024 wird im Laufe des Oktobers veröffentlicht.