CIO Weekly | Das Eine glauben aber das Andere machen?

Viele Anleger rechnen mit einer weichen Landung der US-Konjunktur. Die hohe Marktvolatilität zeigt aber, dass sie keine Gelegenheit auslassen, um sich dagegen zu positionieren. Neuberger Berman | 16.10.2024 08:39 Uhr
Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Die weiche Landung der US-Konjunktur wird immer mehr zum Konsens.

Diesen Eindruck hat man jedenfalls, wenn man die Finanzpresse oder die Analysen von Brokern und Assetmanagern liest.

Und die Märkte? Die starken Kursschwankungen sehen eher danach aus, als seien Anleger von einer US-Rezession im nächsten Jahr überzeugt – es sei denn, die Inflationssorgen dominieren mal wieder.

Es passiert nicht oft, dass Anleger so erratisch gegen das wetten, was sie sagen. Woran könnte das liegen, und was sollte man tun?

Hinterher laufen

Im Sommer wetteten Anleger meist darauf, dass die Fed die Zinsen zu spät senkt und durch ihre zögerliche oder zu geringe Lockerung der Geldpolitik eine Rezession in Kauf nimmt.

Am Aktienmarkt hatten wir fast das ganze Jahr über auf eine größere Marktbreite gewartet, aber dann hielt sich die Ausweitung in Grenzen. Rallyes von Small Caps, Zyklikern und Substanzwerten gingen schnell wieder zu Ende. Am Anleihenmarkt fielen im Sommer zwar die Renditen und die Zinsstrukturkurven wurden deutlich steiler, doch selbst nach der Zinssenkung der Fed um 50 Basispunkte im September rechnete man am Terminmarkt mit einem ähnlich großen Schritt im November.

All das geschah, obwohl die US-Inflation über dem Zielwert lag (allerdings fiel), die Arbeitslosigkeit niedrig war (allerdings stieg) und die Wirtschaft um 3% wuchs (weit entfernt von einer Null). Da ist es vielleicht keine Überraschung, dass sich die Marktpositionierung drastisch änderte, sobald bei einem dieser drei Parameter eine Trendwende möglich schien.

Als die US-Wirtschaft im September etwa eine Viertelmillion neue Stellen schuf und die Arbeitslosigkeit etwas fiel, wollte am Terminmarkt niemand mehr etwas von einer Zinssenkung um 50 Basispunkte im November wissen – und auch für 2025 wurden die Erwartungen um 25 Basispunkte gekürzt. Die Zweijahresrendite stieg ähnlich kräftig wie zu Beginn der Zinserhöhungen 2022.

Letzte Woche stifteten die Daten noch mehr Verwirrung: Als die Septemberinflation über den Erwartungen lag und – nicht zuletzt wegen des Hurrikans – die Erstanträge auf Arbeitslosengeld zugleich wieder so hoch waren wie im Sommer 2023, schwankten die Anleihenkurse kräftig. Da überrascht es nicht, dass der Merrill Lynch Option Volatility Index (MOVE) – gewissermaßen der Anleihen-VIX, ein Maß für die implizite Volatilität des US-Staatsanleihenmarktes – an einem einzigen Tag so stark stieg wie nur selten seit Corona.

Für uns zeigen die Kursschwankungen, dass der Markt bei jeder neuen Zahl mal mit einer harten Landung und mal mit gar keiner Landung rechnet. An eine weiche Landung wird aber kein Gedanke verschwendet, auch wenn sie wohl am besten zu den Zahlen passt und das Hauptszenario vieler Anleger ist.

Selten

Wir glauben also, dass die Daten die These von der weichen Landung bestätigen.

Die uneinheitlichen Arbeitsmarktzahlen enthalten unserer Ansicht nach keine Hinweise auf ein echtes Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage, wie es für eine kräftige Lohninflation erforderlich wäre. Hinweise auf deutlich mehr Entlassungen oder weniger Neueinstellungen fehlen auch. Vielmehr glauben wir, dass die Zahlen die Komplexität einer Konjunktur abbilden, in der unterschiedliche Sektoren zu verschiedenen Zeitpunkten in die Rezession fallen und sich wieder erholen. So beschrieb es Claudia Sahm, frühere Fed-Volkswirtin und Begründerin der Sahm-Regel.

Es ist durchaus verständlich, dass Anleger an einer weichen Landung zweifeln. Für eine Notenbank ist sie nicht leicht zu erreichen, vor allem, wenn es wegen hoher Inflation und der Verpflichtung zur Preisstabilität schwierig ist, eine schwächelnde Wirtschaft mit geldpolitischen Mitteln zu stützen.

Kaum jemand bezweifelt, dass auf die Zinserhöhungen 1965, 1984 und 1994 weiche Landungen folgten. Dreimal ist aber nicht oft, und sowohl 1965 als auch 1994 hatte die Fed das Glück einer recht niedrigen Inflation. Während der Zinserhöhungen Mitte der 1980er war sie zwar höher, aber die Arbeitslosigkeit war es auch. Da lag es nahe, die Konjunktur mit Zinssenkungen zu stabilisieren.

Für heute kann man aus diesen weichen Landungen aber wohl nicht allzu viel lernen. Die Inflation war hoch und liegt noch immer über dem Zielwert, aber die Arbeitslosigkeit ist niedrig.

Psychologischer Reflex

Erik Knutzen und Jeff Blazek nannten mehrere Gründe für Marktvolatilität: Weltpolitik, US-Wahlen, Konjunkturwende, Geldpolitik, überkaufte Märkte. Wir möchten einen weiteren hinzufügen: einen seltsamen psychologischen Reflex, der die Kurse beeinflusst.

Weil nur so wenige Anleger wirklich an ihr Hauptszenario glauben, weckt jede neue Zahl Zweifel. Man gibt sich seiner Urangst hin, ob vor einer Rezession oder einer Inflation. Es ist ein sonderbares Spiegelbild des Bestätigungsfehlers, des Confirmation Bias. Alle scheinen unbedingt falsch liegen zu wollen.

Wie Erik und Jeff schrieben, halten wir uns mit aktiven Gewichten daher jetzt zurück – nicht aus Furcht, sondern aus Disziplin. Es fällt schwer zu glauben, dass die Fed auf dem schmalen Grat zwischen Rezession und Inflation keine Fehler gemacht hat. Vertrauen ist aber nicht das Gleiche wie Selbstgefälligkeit. Wer die Konjunkturdaten kühl analysiert, sollte nicht ausschließen, dass sie die eigene Einschätzung stützen.

Solange nichts wirklich dagegen spricht, rechnen wir weiter mit einer weichen Landung der US-Konjunktur. Die Marktentwicklung allein wird uns nicht davon abbringen.

Von Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman

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