CIO Weekly | Euphorie nach der Wahl, Ernüchterung im Neuen Jahr?

Das große Interesse an risikoreichen Titeln könnte bis zum Jahresende anhalten. Aber dann wird es schwieriger. Neuberger Berman | 13.11.2024 12:16 Uhr
Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Nach Verlusten am Vorabend der Wahlen kamen die „Trump Trades“ mit Macht zurück, als das Ausmaß von Trumps Sieg deutlich wurde.

Aktien legten zu, vor allem Small Caps, japanische Titel sowie Energie- und Finanzwerte. Der Bitcoin stieg massiv, der US-Dollar auch. US-Staatsanleihen brachen ein.

Letzte Woche schrieben Erik Knutzen und Jeff Blazek, dass man am Markt bereits mit diesem Ergebnis rechnete und Trump Trades daher nach den Wahlen schwächeln könnten. Wir glauben das weiterhin. Wir meinen aber auch, dass das große Interesse an risikoreicheren Industrieländertiteln bis zum Jahresende anhalten könnte. Aber dann könnte es schwieriger werden.

Stimmung

Kurzfristig ist das Wahlergebnis sehr gut für die Stimmung kleinerer Unternehmen. Sie rechnen mit niedrigeren Steuern, Deregulierung, einem besseren Geschäftsumfeld und nicht zuletzt mit günstigeren Rahmenbedingungen für Fusionen und Übernahmen. Umschichtungen in Small Caps und Private Equity dürften daher anhalten, ebenso wie in Finanz-, Gesundheits-, Energie- und zyklische Industriewerte.

2025 droht dann aber neue Unsicherheit.

Trump hat auch deshalb so viele Stimmen gewonnen, weil viele einkommensschwächere Verbraucher nach drei Jahren mit hoher Inflation mit ihrer wirtschaftlichen Lage unzufrieden sind. Das Konsumklima dürfte vor allem dann steigen, wenn die Inflation weiter fällt. Wichtige Teile von Trumps Programm, etwa höhere Zölle und weniger Einwanderung, könnten den Inflationsrückgang aber bremsen oder sogar wieder zu einer höheren Teuerung führen.

Eine gewisse Deregulierung kann sicher ein Gegengewicht sein, aber auch das muss Aktien nicht generell nützen. So könnten Bemühungen um niedrigere Öl- und Gaspreise für Endverbraucher Energiewerten letztlich schaden. Wenn Teile des Inflation Reduction Act (IRA) zurückgenommen werden – sofern die Republikaner im Kongress zustimmen, deren Wahlkreise von dem Gesetz profitieren –, könnte das vielen Industriewerten und Branchen schaden. Und wenn Robert F. Kennedy Jr. Minister wird, könnte die Gesundheitspolitik unberechenbar werden.

Vor allem aber könnte das Festhalten an höheren Leitzinsen, wie man es am US-Anleihenmarkt letzten Mittwoch erwartete, Aktien insgesamt und nicht amerikanischen Technologie-Mega-Caps im Besonderen schaden. Die kurzlebige Zunahme der Marktbreite im 3. Quartal hatte viel mit der Erwartung schnellerer Zinssenkungen der Fed zu tun.

Im neuen Jahr könnten Anleger sich dann fragen, ob Small Caps, Substanzwerte und Zykliker wirklich von mehr Laisser-faire profitieren – oder ob sie eher unter einer hartnäckigen Inflation und hohen Zinsen leiden.

Renditemaximum

Damit kommen wir zum Anleihenmarkt.

Wie Ashok Bhatia und Brad Tank vor zwei Wochen schrieben, rechnete man vor der Wahl damit, dass auf die Zinssenkung der Fed am Donnerstag und eine weitere im Dezember eine Zinspause folgen würde, die die Kurse damals noch nicht abbildeten. Unser Anleihenteam rechnet weiter mit einer Pause, und seit den Wahlen sieht es der Markt genauso.

Wir halten eine Zehnjahresrendite von etwa 4,25% für fair, allerdings mit einer breiten Spanne. Durch den Wahlausgang könnte die faire Rendite etwas zulegen. Der kurzzeitige Anstieg auf 4,5% könnte ein Test der neuen Obergrenze gewesen sein.

Manche Beobachter fragen sich vielleicht, ob diese Marke angesichts des absehbaren Defizitanstiegs infolge der Trump’schen Fiskalpolitik nicht vielleicht überschritten wird. Schließlich sind die Zweifel an der Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen groß. Wir rechnen vor allem dann mit kurzfristig steigenden Renditen, wenn auch die Wachstums- und Inflationserwartungen steigen und in risikoreichere Titel umgeschichtet wird.

Bis Ende 2025 hat der Staat wohl genug Geld, und wir kennen die Einzelheiten von Trumps Steuer- und Ausgabenpolitik noch nicht. Erst muss man sich im Kongress einigen. Außerdem haben wir es eher mit langfristigen Wirkungen zu tun, sodass die Laufzeitprämie wohl erst Anfang 2026 deutlich steigt.

Einstweilen sind vor allem die Kurzfristzinsen volatil, aber nächstes Jahr könnten auch längere Laufzeiten betroffen sein. Dann könnte die Zeit reif sein für eine taktische Verlängerung der Duration.

Nachwahleuphorie

Alles in allem rechnen wir mit einer generellen Rallye risikoreicherer Industrieländertitel bis zum Jahresende. Trumps Sieg gilt als unternehmensfreundlich.

Nach dem Jahreswechsel und mit der nahenden Amtseinführung könnte dann aber die Ernüchterung kommen. Wir haben wenig Zweifel daran, dass der Wahlausgang der Fed 2025 noch mehr Probleme bereitet. Zusammen mit den komplexen Wechselwirkungen der Trump’schen Steuer-, Ausgaben-, Haushalts-, Handels- und Regulierungspolitik dürfte das eine große Streuung der Aktienerträge zur Folge haben. Noch setzen alle auf Beta. Nächstes Jahr dürfte aber aktives Management wieder entscheidend sein.

Von Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman

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