CIO Weekly | COP29: Her mit dem Geld!

Einzelne Vereinbarungen ändern nichts daran, dass COP29 enttäuscht hat. Jetzt wächst der Druck, auf der nächsten Weltklimakonferenz wieder an einem Strang zu ziehen. Neuberger Berman | 03.12.2024 12:20 Uhr
Sarah Peasey, Head of Europe ESG Investing bei Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Sarah Peasey, Head of Europe ESG Investing bei Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Wegen der unsicheren Weltlage und der derzeitigen politischen Umwälzungen hatte man von der 29. UN-Weltklimakonferenz (COP29) ohnehin nicht viel erwartet.

Für die Teilnehmerländer war sie dennoch eine Chance, ihre nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) noch einmal zu erhöhen, bevor im Februar 2025 neue vereinbart werden. Man hatte erwartet, dass man wie vor einem Jahr von einer „Abkehr“ von fossilen Energien sprechen würde („transitioning away“). Außerdem rechnete man mit erfolgreichen Bemühungen um mehr Energiespeicherkapazität und eine bessere Netzinfrastruktur sowie einer Einigung über die noch offenen Fragen bei Artikel 6 der Pariser Klimavereinbarung, der den CO2-Markt regelt. Als Maßstab für den Erfolg der Konferenz galten aber stets die Fortschritte beim neuen gemeinsamen Klimafinanzierungsziel (NCQG). Wie sehr würden die Industrieländer die Entwicklungsländer finanziell unterstützen?

Doch dann erschienen die Führer der wichtigsten Volkswirtschaften nicht einmal persönlich. Nach den US-Wahlen wurde die amerikanische Delegation zusammengestrichen, und der Präsident des Gastgeberlandes schien vor allem fossile Energien zu verteidigen (und sich mit anderen Teilnehmern zu streiten). Am Ende blieb den Entwicklungsländern nichts anderes übrig, als laut „Her mit dem Geld!“ zu rufen.

Wir halten die derzeitigen Versuche, Finanzmittel für die Entwicklungsländer zu sichern, für wenig zielführend und bezweifeln den Sinn des gesamten COP-Prozesses. Nach dem Scheitern der Weltklimakonferenz muss die Weltgemeinschaft ihren Klimaschutzansatz überdenken und neu formulieren.

Streit ums Geld, aber Durchbruch beim CO2-Markt

Beim Klimafinanzierungsziel blieb viel offen, unter anderem das Volumen, der Zeitrahmen, die beteiligen Länder und die konkrete Struktur. Mit der EU, Australien, den USA, Großbritannien, Japan, Norwegen, Kanada, Neuseeland und der Schweiz an der Spitze haben die Industrieländer bis 2035 jährlich 300 Milliarden US-Dollar Finanzhilfen zugesagt. Von den Entwicklungsländern wurde das heftig kritisiert, hatten sie doch mit mindestens 1 Billion gerechnet. Ursprünglich hatte man sogar 1,3 Billionen US-Dollar jährlich gefordert, aus unterschiedlichen Quellen. Aber das stieß auf Skepsis, zumal das Konzept wenig konkret war. Die EU und die USA wollen, dass sich auch China an der Klimaschutzfinanzierung beteiligt. Es gilt zwar als Entwicklungsland, ist aber grundsätzlich zu freiwilligen Zahlungen bereit. Das Land weigert sich aber, „offizieller“ Geldgeber zu werden.

Aber nicht alles war schlecht. Große Fortschritte gab es bei der Operationalisierung und Umsetzung von Artikel 6 der Pariser Klimavereinbarung, insbesondere beim zweiten Absatz. Er enthält Regeln für den bilateralen oder multilateralen Handel mit Emissionsgutschriften durch Länder und Unternehmen. Vor allem legt er im Detail fest, wie ein Land, das eine CO2-Gutschrift verkauft, sie angemessen von seiner nationalen Emissionsbilanz abziehen kann. Sie wird also nicht doppelt gezählt. Zweifel bleiben aber an der Kontrolle des generellen Umweltnutzens der CO2-Gutschriften.

Uneinheitliche nationale Pläne und wachsende Bedeutung der Anpassung

Manche Meldungen zur nächsten Runde der nationalen Klimaschutzbeiträge waren ermutigend. Viele Länder haben schon jetzt – und damit vor Fristablauf im Februar 2025 – Einzelheiten mitgeteilt.

Mexiko hat sich zur Netto-Null bis 2050 verpflichtet, sodass jetzt alle G20-Länder ein solches Ziel haben. Finnland forderte die G20 auf, mit möglichst ehrgeizigen 1,5-Grad-konformen Zielen Führungsstärke zu zeigen. Großbritannien, dessen Premierminister als einer der wenigen Regierungschefs nach Baku kam, gab ein neues Senkungsziel bekannt; bis 2035 sollen die britischen Emissionen gegenüber 1990 um 81% fallen. Indonesien, der weltgrößte Kohleexporteur, will bis 2040 alle Kohlekraftwerke stilllegen. Diese erfreulichen Entwicklungen wurden aber zum Teil dadurch konterkariert, dass Saudi-Arabien die Zustimmung zu jeglichem Dokument verweigerte, das beispielsweise fossile Brennstoffe zum Auslaufmodell erklärt.

Die UN-Studie State of the Climate 2024 enthält eine Vielzahl besorgniserregender Zahlen zu Erdtemperatur, Gletscherschmelze, Packeisschwund und steigenden Meeresspiegeln. Mit COP29 rückt die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen in den Blickpunkt. Weil sich Investitionen hier in der Regel wegen niedrigerer künftiger Kosten und nicht wegen heutiger Gewinne lohnen und oft viele Stakeholder statt einzelner Firmen und Haushalte davon profitieren, lässt sich privates Kapital vielleicht nur mit staatlicher Unterstützung einwerben. Dennoch wächst das Interesse, vor allem der Aufsichtsbehörden. So veröffentlichte das Network for Greening the Financial System (NGFS) ein neues Rundschreiben, das die Bedeutung der Anpassung an den Klimawandel betont. Sie sei ein wichtiges Thema für Notenbanken und die Finanzaufsicht. Für die Adaption sei mehr Geld nötig.

Taxonomien und mehr

China und die EU teilten mit, dass sie ihre gemeinsame Taxonomie (2021 Common Ground Taxonomy) neu auflegen wollen. Viele regionenübergreifende Tabellen berücksichtigen über 100 wirtschaftliche Aktivitäten in China, der EU und Singapur. Die MCGT (Multi-Jurisdiction Common Ground Taxonomy) ist ein technischer Referenzrahmen für Finanzinstitute, Investoren und Unternehmen. Sie können jetzt anhand gemeinsamer Kriterien grüne Aktivtäten beurteilen.

Die Taxonomie könnte auch für andere Länder als Leitfaden dienen, die eigene grüne Taxonomien entwickeln, vor allem für Entwicklungsländer. Die anfänglich geringe Übereinstimmung der drei Einzeltaxonomien zeigt aber die Schwierigkeiten für Investoren weltweit. Sie müssen bei klimarelevanten Investitionsentscheidungen unterschiedliche Taxonomien interpretieren und nutzen.

Außerdem verpflichteten sich auf der Konferenz 40 Länder, Energiespeichersysteme schneller einzuführen und die Netze zu modernisieren. 30 Länder wollen im Rahmen des umfassenden Global Methane Pledge ihre Methanemissionen aus organischen Abfällen senken. Geplant sind außerdem ein neuer Übergangsplan (International Transition Plan Network) sowie weltweit gültige Richtlinien für die Klimaschutzpläne von Versicherungen. Ein weiterer Punkt ist der Baku Call on Climate Action. Hier geht es um klimabedingte Konflikte und die Unterstützung von Ländern mit großen humanitären Problemen.

Auf nach Brasilien

COP29 hat die Hindernisse auf dem Weg zu einem wirksamen Klimaschutz deutlich gemacht. Außerdem wurde klar, wie wichtig mehr Zusammenarbeit und ganzheitliche Lösungen sind.

Die Entwicklungsländer müssen sich mehr und mehr zwischen Schuldentilgung und Schutz vor den Folgen des Klimawandels entscheiden. Viele Länder sagen, dass sie keine ehrgeizigeren Zusagen machen könnten, wenn sie Umfang und Art der Finanzhilfen von Industrieländern nicht kennen. Mit mehr Klarheit ist zurzeit aber nicht wirklich zu rechnen, da viele Regierungen der reichen Länder zurzeit eher mit sich selbst beschäftigt sind. Nach einem Jahr, in dem alle amtierenden Regierungen Stimmen verloren haben, orientieren sie sich jetzt eher nach innen. Das war ein wesentlicher Grund dafür, dass COP29 in Baku so wenig brachte. Manche wichtigen Unterhändler nannten die Konferenz die schlechteste seit zehn Jahren.

Die nächste Weltklimakonferenz findet 2025 in Belém in Brasilien statt. Sie sollte eigentlich COP28 und COP29 vervollständigen – nach der Zusage der „Abkehr von fossilen Brennstoffen“ in Dubai und der Einigung auf realistische Finanzhilfen für die Entwicklungsländer in Baku. Da aber eine Gruppe arabischer Länder – mit Saudi-Arabien an der Spitze – den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ablehnt und das Finanzierungsabkommen für die Entwicklungsländer verwässert ist, steht die brasilianische COP-Präsidentschaft jetzt unter massivem Druck. Sie muss dafür sorgen, dass alle Länder wieder an einem Strang ziehen.

Von Sarah Peasey, Head of Europe ESG Investing bei Neuberger Berman

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