Die Industriepolitik und ihre Auswirkungen auf die Staatsfinanzen bestimmen unseren, letzte Woche veröffentlichten, Jahresausblick Solving for 2025. Vier der fünf Themen gehen davon aus, dass die Fiskalpolitik wichtiger und die Geldpolitik unwichtiger wird.
Letzte Woche sah man aber auch, wie folgenreich ein Haushaltsstreit in diesen Zeiten der Uneinigkeit sein kann. Der geplante Sparhaushalt wurde der französischen Regierung zum Verhängnis, und Südkoreas kurzes und chaotisches Kriegsrecht hatte zumindest vordergründig mit der Blockade des Haushaltsentwurfs durch das Parlament zu tun. Das Ende der deutschen Ampelkoalition, ebenfalls wegen unterschiedlicher Vorstellungen zur Haushaltspolitik, liegt nur gut einen Monat zurück.
Wie passt all das – und die Pläne von Donald Trump – zu unseren Themen für das neue Jahr mit ihrem fiskalpolitischen Schwerpunkt?
Haushaltsdramen
Diese politischen Dramen passen sicherlich auch zu einem unserer Themen für das alte Jahr: „Heterogenere Fiskalpolitik“. Fast alle Beobachter seien sich einig, schrieben wir damals, dass dem coronabedingten Deficit Spending hitzige Haushaltsdebatten folgen würden. Die einzelnen Länder würden dann unterschiedliche Wege gehen.
Politik kann manchmal chaotisch sein.
In Südkorea wollte die linke Parlamentsmehrheit die Ausgabenpläne von Präsident Yoon Suk-yeol eindampfen. Der Präsident wollte die Staatsausgaben um 3% erhöhen, um die schwache Wirtschaft zu fördern. Klingt seltsam? Tatsächlich ging es bei dem Streit vor allem um zusätzliches Geld für Behörden, die die Mehrheit der Abgeordneten als ihre Gegner ansieht.
In Frankreich wollte Barniers Mitte-rechts-Regierung die Staatsausgaben kürzen – schließlich beträgt das Defizit 6% des BIP, und die Anleihenrenditen sind ähnlich hoch wie in Griechenland. Als Rechts- und Linkspopulisten das Gesetz dann gemeinsam stoppen wollten, wollte die Regierung es ohne Parlamentsabstimmung in Kraft setzen, mit dem berüchtigten Artikel 49.3. Die Folge war ein erfolgreiches Misstrauensvotum.
Da Neuwahlen nach der französischen Verfassung frühestens im nächsten Sommer möglich sind, muss der Präsident einen neuen Premier ernennen. Er könnte dann einen neuen mehrheitsfähigen Haushaltsplan mit weniger Sparmaßnahmen vorlegen. Ansonsten käme es zu einer Übergangsregierung, die die Steuern und Ausgaben des 2024er-Haushalts lediglich fortschreiben darf. Dann würde die Fiskalpolitik straffer statt lockerer.
Im deutschen Haushaltsstreit argumentierte Bundeskanzler Olaf Scholz, dass die wirtschaftlichen Probleme des Landes ein Aussetzen der Schuldenbremse rechtfertigten, zumal die Rechtspopulisten von der AfD immer stärker werden. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner war anderer Meinung.
Scholz hat Lindner daher Anfang November entlassen. Wenn der Kanzler am 16. Dezember die Vertrauensfrage stellt, dürfte das den Weg frei machen für Neuwahlen im Februar. Nach den derzeitigen Umfragen kommt dann eine große Koalition unter CDU-Führung. Es ist keineswegs sicher, dass der Staat dann wirklich mehr Geld ausgibt. Interessant ist aber, dass Bundesbankchef Joachim Nagel, sonst eher als Falke bekannt, letzte Woche eine lockerere Anwendung der Schuldenbremse forderte.
Populistische Welle
Im Gegensatz zu diesem (haushalts-)politischen Chaos übernimmt in den USA Anfang 2025 eine neue Regierung mit einer Mehrheit in beiden Parlamentskammern. Die Fiskalpolitik bleibt wohl expansiv, mit der Aussicht auf neue Hilfen für die amerikanische Industrie. Trump 2.0 dürfte früher alle wichtigen Posten besetzen und besser organisiert sein als Trump 1.0 im Jahr 2017.
Das heißt aber nicht, dass alle Republikaner an einem Strang ziehen. Trump scheint es vor allem um Außenhandelspolitik und Zölle zu gehen. Vom designierten Finanzminister Scott Bessent heißt es hingegen, er habe einen „3-3-3-Plan“ in der Schublade. Er wolle die amerikanische Ölförderung um 3 Millionen Barrel täglich steigern, 3% Wirtschaftswachstum erreichen und das Haushaltsdefizit auf 3% senken.
Es dürfte schwierig werden, all das gleichzeitig zu erreichen. Eine Halbierung des Defizits bei einer Verlängerung der Steuersenkungen dürfte harte Verhandlungen zur Folge haben. Man wird sich darüber verständigen müssen, welche Teile des Inflation Reduction Act, des CHIPS and Science Act sowie anderer industriepolitischer Maßnahmen der Vorgängerregierung beendet werden sollen. Eine Einigung ist aber keineswegs sicher; schließlich profitieren viele republikanische Wähler von diesen Gesetzen. Außerdem wurde Trump gerade wegen seines Populismus gewählt.
Alles in allem glauben wir, dass die amerikanische Geld- und Fiskalpolitik Ende 2025 expansiver sein wird als jetzt. Dennoch könnten sich die Republikaner im Kongress über die Fiskalpolitik uneins sein – und das, bevor es nach den Zwischenwahlen 2026 vielleicht noch komplizierter wird.
Investmentthemen für 2025
Industriepolitik, Populismus und expansive Fiskalpolitik in den USA bestimmen zwei unserer Konjunkturthemen für das neue Jahr. Wir glauben, dass zumindest die US-Wirtschaft über dem Langfristtrend wächst und dass die neue Regierung versuchen wird, etwas für ihre Wähler zu tun – durch höhere Realeinkommen für die Betreiber kleinerer Unternehmen und für weniger Vermögende.
Das ist auch entscheidend für unser Anleihenthema. Die Fiskalpolitik dürfte für Investoren jetzt wichtiger sein als die Geldpolitik – zunächst wegen ihrer Auswirkungen auf das Wachstum, dann wegen der Folgen für die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen. Wenn es so kommt, dürften sich die zuletzt volatilen Kurzfristrenditen stabilisieren, die längerfristigen Renditen aber volatiler werden.
Etwas komplexer wird es bei unserem Aktienthema. Wir rechnen weiterhin mit einer wachsenden Marktbreite, über amerikanische Mega Caps hinaus. Das gilt für die Unternehmensgewinne ebenso wie für die Kursentwicklung.
Eine industriepolitisch motivierte lockerere Fiskalpolitik dürfte in den USA Small Caps, konjunktursensitiveren Titeln und Substanzwerten helfen. In anderen Ländern sehen wir dagegen vor allem Chancen für aktives Management. Hier könnten die Kurse fundamental stabiler Unternehmen darunter leiden, dass die Konjunktur schwächer ist als in den USA und die Fiskalpolitik den Markt weniger treibt. Für dollarbasierte Investoren kommt hinzu, dass sie auch mit der Währungsabsicherung ordentlich verdienen können. Schließlich haben sich die Zinsen stark auseinanderentwickelt.
Damit nicht amerikanische Aktien auf breiter Front steigen können, bräuchte es aber vielleicht eine entschlossenere Industriepolitik und weniger politischen Dissens. So müsste Deutschland die Schuldenbremse aussetzen, und China müsste die Wirtschaft nicht nur stabilisieren, sondern wirklich fördern. Die weltweite Marktentwicklung könnte 2025 stark davon abhängen, ob es dazu kommt.
Von Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman