CIO Weekly | Europa ist zurück

Eines unserer wichtigsten Aktienthemen für dieses Jahr war, dass es mehr gibt als die US-Mega-Caps. Am deutlichsten zeigt sich das jetzt in Europa. Neuberger Berman | 19.03.2025 08:10 Uhr
Erik Knutzen, Co-Chief Investment Officer – Multi-Asset Strategies und Jeff Blazek, Co-Chief Investment Officer – Multi-Asset Strategies, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Erik Knutzen, Co-Chief Investment Officer – Multi-Asset Strategies und Jeff Blazek, Co-Chief Investment Officer – Multi-Asset Strategies, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Mindestens seit Corona hielten viele Aktieninvestoren amerikanische Mega Caps für alternativlos.

Aber letzte Woche schien es damit vorbei. Schon im Februar war der US-Markt ins Stocken geraten. Zuletzt gaben die größten S&P-500-Werte dann kräftig nach.

In unseren Lösungen für 2025 und in unserem Asset Allocation Committee Outlook für das 1. Quartal hatten wir eine zunehmende Marktbreite prognostiziert. Jetzt könnte es so weit sein.

Wachstumszweifel und Zollsorgen

Und doch war es nicht ganz so wie von uns erwartet.

Wir hatten mit Mehrertrag amerikanischer Substanzwerte gegenüber amerikanischen Wachstumswerten gerechnet – und so kam es dann auch, fast 9 Prozentpunkte seit Jahresbeginn. Prognostiziert hatten wir auch, dass Finanz- und Industriewerte ihren Performancerückstand gegenüber Technologietiteln wettmachen würden. Das trat ebenfalls ein, auch mit etwa 9 Prozentpunkten Mehrertrag. Der NASDAQ Composite gab Anfang letzter Woche an nur einem Tag um 4% nach, und die Magnificent 7 befinden sich nach ihrem Höchststand am 17. Dezember jetzt in der Korrektur. Die übrigen 493 S&P-500-Unternehmen haben sich unterdessen gut gehalten. Der S&P 500 Equal Weight Index liegt seit Jahresbeginn um 10 Prozentpunkte vor dem kapitalisierungsgewichteten S&P 500.

Prognostiziert hatten wir allerdings auch, dass amerikanische Small und Mid Caps vom überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum und dem neuen Optimismus profitieren würden. Aber das blieb aus. Der S&P Small Cap 600 Index hat dieses Jahr schon fast 11% verloren – 5 Prozentpunkte mehr als der S&P 500.

Wir meinen, dass das viel mit den derzeitigen Konjunkturzweifeln und der Trump’schen Zollpolitik zu tun hat. Small Caps reagieren besonders sensibel auf die Wachstumserwartungen. Sie sind zwar meist binnenorientiert, haben aber oft sehr niedrige Gewinnmargen. Bei höheren Kosten durch Zölle könnten sie noch enger werden. Das erklärt auch den überfälligen Anstieg der High-Yield-Spreads letzte Woche.

Wenn Trump von kurzfristigen Opfern spricht, damit in Zukunft alles besser wird, weckt er Rezessionssorgen und schadet dem Geschäfts- und Marktklima. Mit einer Rezession rechnen wir zwar nicht, aber der Präsident hat der US-Wirtschaft viel Wind aus den Segeln genommen.

Epochal

Wegen der US-Probleme holen nicht amerikanische Aktien jetzt schneller auf, als wir vermutet hatten.

Japanische Aktien liegen seit Jahresbeginn zwar nur knapp vor US-Titeln, aber Chinas CSI 300 Index hat den S&P 500 mittlerweile um über 9 Prozentpunkte hinter sich gelassen – und der STOXX Europe 600 hat sogar enorme 13 Prozentpunkte Vorsprung.

Höhere Gewinne in Japan setzen wohl voraus, dass japanische Anleger weiter Kapital repatriieren – und Chinas jüngste Maßnahmen zur Stärkung von Konsum- und Privatwirtschaft sind bislang nur ein (durchaus hoffnungsvoller) erster Schritt. Europas Ausgabenpläne erscheinen dagegen schon jetzt nahezu epochal.

Klare Ziele

Im Mittelpunkt steht Deutschland. Heute Dienstag will der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz den alten Bundestag über eine Reform der verfassungsmäßigen Schuldenbremse abstimmen lassen. Vorgesehen sind Ausnahmen für Verteidigung und ein 500 Milliarden Euro schwerer Infrastrukturfonds. Die nötige Zweidrittelmehrheit scheint sicher.

Deutschland setzt sich aber auch für eine Reform der strengen Defizitregeln für den Euroraum ein. Zugleich haben die europäischen Staats- und Regierungschefs dem Vorschlag der Kommission zugestimmt, dass Verteidigungsausgaben vorübergehend nicht unter die Defizitregeln fallen sollen. Außerdem will man einen 150 Milliarden Euro schweren Fonds einrichten, der den Mitgliedstaaten Kredite für Verteidigungsausgaben gewährt. Diskutiert wird auch über gemeinsame europäische Verteidigungsanleihen, gemeinsame Waffenkäufe und anderes mehr.

Noch im Januar äußerten wir uns zuversichtlicher für nicht amerikanische Aktien für den Fall „einer lockereren Fiskalpolitik durch politische Veränderungen in Frankreich und Deutschland oder ein Friedens- und Wiederaufbauprogramm für die Ukraine“. All das sei vorstellbar, schrieben wir. Für Frankreich erwarteten wir aber nur geringe Mehrausgaben, Reformen in Deutschland schienen uns eher ein Thema für die zweite Jahreshälfte, und Fortschritte in der Ukraine nannten wir „spekulativ“. Doch dann hat Trumps Geringschätzung der NATO zu einem Umdenken geführt, das noch vor acht Wochen kaum vorstellbar schien.

Jetzt scheinen Investoren, ähnlich wie wir vor einem Monat schrieben, in den Mehrausgaben weniger einen Inflationstreiber als einen Wachstumstreiber zu sehen.

Der Euro hat gegenüber dem US-Dollar stark aufgewertet, die Renditedifferenz zwischen deutschen und amerikanischen Staatsanleihen ist seit Jahresbeginn um etwa 80 Basispunkte zurückgegangen, und die Europäische Zentralbank äußert sich jetzt sehr viel zurückhaltender. Die deutsche Zinsstrukturkurve wurde nicht flacher, sondern steiler, und wenn europäische Aktien zwischenzeitlich schwächelten, lag das nicht an Inflations- oder Zinssorgen, sondern an US-Zöllen.

Volatilität in Sicht

Was aber könnte das europäische Comeback bremsen?

Nicht auszuschließen ist, dass sich die Marktstimmung wieder dreht. Vielleicht hat die derzeitige Performance weniger mit einer neuen Begeisterung für Staatsausgaben und gemeinsame Verteidigungsanstrengungen zu tun als mit Umschichtungen aus US-Aktien oder ganz allgemein sehr hoch bewerteten Titeln. Schließlich waren europäische Aktien auch schon vor der Bundestagswahl und Merz’ Bekehrung zu höheren Staatsausgaben stark, und die Gewinne beschränkten sich keinesfalls auf Verteidigungswerte.

Vielleicht hat das Comeback europäischer Aktien auch nur damit zu tun, dass der Momentumfaktor aus der Mode ist. Das könnte auch erklären, weshalb einige günstig bewertete US-Zykliker ebenfalls kräftig aufholten und manche überkaufte Basiskonsumwerte trotz ihrer defensiven Qualitäten schwach waren. Dann würden gute Fundamentaldaten nichts nützen, wenn Anleger den Momentumfaktor wiederentdecken. Auf jeden Fall sollte man nicht nur nach Assetklassen, Regionen und Sektoren, sondern auch nach Marktfaktoren diversifizieren.

Auch ist nicht auszuschließen, dass sich die Turbulenzen durch Trumps Zolldrohungen zu einem weltweiten Ausverkauf ausweiten, weil Anleger auf seine Angriffe auf die europäische Wirtschaft stärker reagieren als auf das Langfristpotenzial der Konjunkturprogramme. Durch die US-Zölle auf europäischen Stahl und Aluminium von letzter Woche und die Möglichkeit umfangreicher reziproker Zölle ab dem 2. April nimmt dieses Risiko unserer Ansicht nach zu.

Vielleicht kommen schwierige und volatile Zeiten. Europäische Aktien haben sich in den letzten Wochen aber schneller und kräftiger erholt, als wir es uns zu Jahresbeginn vorstellen konnten. Trotz allem sind Investoren nach dem jüngsten Global Fund Manager Survey der Bank of America in den USA noch immer übergewichtet, wenn auch nicht mehr ganz so stark. Seit Jahresbeginn liegt der STOXX Europe 600 jetzt zehn Wochen lang im Plus. Niemand sollte damit rechnen, dass sich das wiederholt. Weitere Mehrerträge europäischer Aktien schließen wir aber nicht aus.

Von Erik Knutzen, Co-Chief Investment Officer – Multi-Asset Strategies und Jeff Blazek, Co-Chief Investment Officer – Multi-Asset Strategies, Neuberger Berman

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