CIO Weekly | Handelskrieger oder kühle Köpfe, wer obsiegt?

Verhandlungen oder Revanche? Jetzt kommt es darauf an, wie die Welt auf die überraschend hohen US-Zölle reagiert. Neuberger Berman | 08.04.2025 14:26 Uhr
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Trumps Zollankündigungen vom Mittwoch blieben nur knapp hinter den schlimmsten Erwartungen zurück. Bis Redaktionsschluss hatten sie weltweit einen heftigen Ausverkauf an den Aktienmärkten ausgelöst – und einen deutlichen Rückgang der Anleihenrenditen.

Jetzt wissen wir, dass die USA alle Importe mit einem 10-prozentigen Mindestzoll belegen wollen, und Importe aus manchen Ländern mit deutlich mehr – von 20% für die EU und 24% für Japan bis zu 46% für Vietnam und 49% für Kambodscha. Für China sind 34% Zusatzzoll vorgesehen, neben den schon jetzt erhobenen 20%. Hoppla.

Interessanterweise sind Kanada und Mexiko von der neuen Zollrunde ausgenommen, und für bestimmte Waren und Rohstoffe werden spezielle Zölle erhoben oder geprüft. Volkswirte schätzen den neuen Durchschnittszoll auf US-Importe auf etwa 20%. Das gab es zuletzt in den 1930ern.

Was bedeutet das für die Wirtschaft, und wie lange werden die Folgen anhalten? Und vor allem: Hat dieser Wahnsinn Methode?

Weniger Wachstum

Zum Jahreswechsel prognostizierten wir für die USA 2,3% BIP-Wachstum in diesem Jahr. Da wir mit höheren Zöllen rechneten, senkten wir die Erwartungen in den letzten Wochen auf 1,7%. Jetzt erwartet unser Anleihenteam weniger als 1% Wachstum und hält, wenn weitere Zölle und Gegenzölle hinzukommen, auch eine Rezession in den USA für denkbar.

Wenn sich die Lage nicht noch wesentlich verschlechtert, wird das Wachstum vor allem in den nächsten zwei bis drei Quartalen fallen, bevor die Unternehmen Anpassungen vornehmen. Aber solche Anpassungen können teuer werden. Vielleicht schrumpft das langfristige Wirtschaftswachstum um einen viertel oder halben Prozentpunkt.

Außerdem halten wir einen erneuten Anstieg der amerikanischen Kerninflation auf 3,5% für möglich. Die Fed steht dann vor einem Dilemma. Insgesamt glauben wir, dass sie die preistreibenden Wirkungen der Zölle für vorübergehend hält und mehr auf das Wachstum und den Arbeitsmarkt achtet. Schnell rechnete man am Markt mit vier Zinssenkungen in diesem Jahr. Ohne sehr schwache Arbeitsmarktzahlen in den nächsten Wochen oder einen kräftigen Kurseinbruch halten wir zwei bis drei Senkungen aber nach wie vor für wahrscheinlicher.

Verhandlungen

Wir rechnen mit weiteren Zöllen auf ausgewählte Güter und Rohstoffe. Aus mehreren Gründen sehen wir darin aber vor allem den Startschuss für neue Verhandlungen.

Da ist zunächst die schiere Höhe der Zölle. Ohne eine Korrektur würde sie der Weltwirtschaft enorm schaden. Der amerikanische Finanzminister deutete schon jetzt an, dass es sich bei den Ankündigungen um eine „Obergrenze“ handele, und forderte die anderen Länder sofort zu Verhandlungen auf. Der zweite Grund ist die sehr krude, simplistische Berechnungsmethode der Trump’schen Zölle. Der dritte sind die Ausnahmen für Kanada und Mexiko; sie könnten anderen Ländern den Weg zu Verhandlungen ebnen, wie sie in den letzten Wochen mit diesen beiden Ländern geführt wurden. Und viertens fällt auf, dass bis Redaktionsschluss nur wenige große Handelspartner mit aggressiver Rhetorik und/oder Gegenmaßnahmen reagiert haben, von China einmal abgesehen.

Vor allem in Europa scheint man jetzt zu Verhandlungen bereit; offensichtlich setzt man mehr auf eine expansivere Fiskalpolitik als auf Gegenzölle. China verkündete am Freitag hingegen höhere Zölle auf US-Güter. Laut staatlichen Medien will man sich mit Südkorea und Japan auf eine gemeinsame Antwort verständigen. Aber wie soll das gelingen, wenn die USA jetzt mit den beiden anderen Ländern (oder anderen asiatischen Staaten, die mit besonders hohen Zöllen belegt wurden) Verhandlungen aufnehmen?

Jetzt sind kühle Köpfe gefragt, und am Ende dürfte die Vernunft auch obsiegen. Wenn jetzt verhandelt wird, könnten die Verlängerung der Steuersenkungen und die Deregulierungspläne – Trumps vermutlich nächste Schritte – und die deutschen Sondervermögen für die Märkte wieder wichtiger werden als die Handelspolitik. Das ist auch ein wichtiges Thema im bevorstehenden vierteljährlichen Asset Allocation Outlook (Vorabfassung hier). Demnach wird das Asset Allocation Committee (AAC) für internationale Aktien jetzt wieder optimistischer und bleibt bei seiner Übergewichtung amerikanischer Small Caps. Vor allem werden nicht amerikanische Industrieländertitel wieder übergewichtet. Die Bewertungen nach dem Ausverkauf sprechen langfristig dafür.

Und doch ist uns bewusst, dass viel passieren kann. Vielleicht siegt doch nicht die Vernunft, und vielleicht folgen andere Länder dem chinesischen Beispiel und greifen zu Gegenzöllen. Selbst wenn, wie wir erwarten, verhandelt wird, könnte das Monate dauern. Seit Trump die Wahlen gewonnen hat, schreiben wir, dass wir für das Wachstum langfristig optimistisch sind, der Übergang vom Zeitalter der Globalisierung zu einer Zeit der Nullsummenspiele, des Merkantilismus und des Protektionismus aber volatil würde. Genau das passiert jetzt, und da sind steigende Risikoprämien nur recht und billig.

Fallende Gewinnerwartungen

Angesichts der Unruhe scheinen manche Anleger vergessen zu haben, dass diese Woche die Berichtssaison für das 1. Quartal beginnt. Wie Ashok Bhatia, Robert Dishner und Paul Grainger letzte Woche schrieben, wird sie viele harte Zahlen zum Zustand der Unternehmen zu Beginn dieser neuen volatilen Marktphase liefern.

Vielleicht sind die Zölle in den Gewinnschätzungen für das 1. Quartal schon berücksichtigt worden, noch bevor ihre genaue Höhe bekannt wurde und natürlich bevor sie ihre volle Wirkung zeigen. Das würde über eine allgemeine Stimmungsverschlechterung hinausgehen, die sich in den zahlreicheren negativen Revisionen seit Jahresbeginn zeigt.

Am stärksten dürften Zölle amerikanische Firmen treffen, die sehr viele Vorprodukte aus dem Ausland beziehen. Laut Bank of America Global Research gilt das etwa für Branchen wie Raffinerie- und Kohleprodukte (33%), Autos und Autoteile (24%), Computer und Elektronik (24%), Maschinenbau (21%) und Chemie (21%).

Hier waren die Revisionen der letzten drei Monate meist auch am negativsten: Im Grundstoffsektor, vor allem in der Chemie, und in der Industrie gingen die Gewinnschätzungen für das 1. Quartal um 13,7% bzw. 6,8% zurück. Das passt auch zu den Erwartungen für Europa: Vom Energiesektor abgesehen, wo die Gewinne vor allem aufgrund von Basiseffekten nach dem sehr erfolgreichen Vorjahr schrumpfen, sind langlebige Konsumgüter der STOXX-Europe-600-Sektor mit dem voraussichtlich stärksten Gewinnrückgang im 1. Quartal – und hier sind es vor allem die Automobilwerte.

Die Kursreaktionen der letzten Tage zeigen sich vor allem in hohen Risiken für den Einzelhandel, und hier insbesondere für die Bekleidungsbranche. Schließlich wurden einige der höchsten Zölle auf Importe aus Asien verhängt.

Auch Small Caps betroffen

Auffällig ist auch der heftige Ausverkauf amerikanischer Small Caps in der letzten Woche. Laut Bank of America könnten ihre Gewinne bei einem echten Handelskrieg dreimal so stark betroffen sein wie die von Large Caps, wenn Kostensteigerungen in gleichem Umfang an die Verbraucher weitergegeben werden.

Das weckt Zweifel an der positiven Einschätzung von Small Caps durch das AAC – und an einem unserer wichtigsten Investmentthemen für 2025: die zunehmende Marktbreite, über amerikanische Technologie-Mega-Caps hinaus. Allerdings ist auch der NASDAQ Composite letzte Woche stark eingebrochen, ebenso wie die sogenannten Magnificent 7 (Apple, Microsoft, NVIDIA, Alphabet, Amazon, Meta und Tesla). Am Freitagmorgen waren sowohl der Russell 2000 Index als auch die Magnificent 7 seit den Zollankündigungen um über 9% gefallen.

Und was sagen uns die Gewinne?

Als Indikator für die Marktbreite beobachten wir den Anteil der 163 Teilsektoren des S&P 500, deren Gewinne in den kommenden zwölf Monaten vermutlich steigen. Der langfristige Median beträgt 75%. Im Mai 2023 waren es nur noch gut 50%, aber danach stieg der Anteil wieder in Richtung des Langfristdurchschnitts. Allerdings hat das Momentum seit Jahresbeginn nachgelassen. Außerdem dürfte der IT-Sektor trotz des enormen Wachstums in den letzten zwei Jahren im 1. Quartal derjenige mit dem zweithöchsten Gewinnwachstum sein.

Und doch sind sich die Analysten laut FactSet weitgehend einig, dass sich das Gewinnwachstum des IT-Sektors und das der anderen Branchen annähern. Vor einem Jahr sind die Gewinne der übrigen 493 S&P-500-Unternehmen um 9% gefallen, während die der Magnificent 7 um 52% zulegten. Diese Lücke hat sich seitdem immer weiter geschlossen. Es wird erwartet, dass die Gewinne der übrigen 493 Unternehmen bis zum 4. Quartal dieses Jahres um 8,7% steigen, gegenüber 13,6% bei den Magnificent Seven.

Hinzu kommt, dass der europäische Computer- und Elektroniksektor stark von Importen abhängt und die großen US-Technologieunternehmen bei einem Scheitern der Verhandlungen in den nächsten Wochen wohl ein wichtiges Ziel europäischer Gegenzölle werden. Höhere Zölle könnten die erwartete Konvergenz am Ende beschleunigen.

Mean Reversion

Natürlich fänden wir es sehr viel besser, wenn die Marktbreite nicht wegen stark fallender Bewertungen der Mega Caps und eines allgemeinen Ausverkaufs stiege, sondern durch eine zyklische Erholung der Gewinne.

Das ist nach der letzten Woche sicherlich unwahrscheinlicher geworden. Damit die Märkte wieder in die Spur kommen, ist Vernunft gefragt. Für die anstehenden Verhandlungen sind kühle Köpfe nötig. Die Welt darf sich nicht in einen ausgewachsenen Handelskrieg hineinziehen lassen.

Von Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer – Equities, Neuberger Berman

Kürzlich sprach Joe Amato mit Admiral James Stavridis, dem 16. NATO-Oberbefehlshaber und 15. Kommandeur der US-Truppen in Europa, über die aktuelle weltpolitische Lage. Hören Sie hier das Gespräch unter dem Titel „The End of NATO? A Geopolitical Turning Point“.

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