Anfang der Woche war der VIX-Volatilitätsindex, ein wichtiges Maß für die Unsicherheit der Anleger, auf Werte wie während der internationalen Finanzkrise oder der Coronazeit gestiegen. In gewisser Weise sind Prognosen heute aber sehr viel schwieriger. Wie die extremen und plötzlichen Veränderungen der US-Zölle am 2. und 9. April eindrucksvoll zeigten, sind sehr viel mehr Szenarien möglich als damals, und es ist schwieriger, ihre Wahrscheinlichkeiten zu schätzen.
Eine solche Lage ist nicht einfach. Sie zeigt aber auch, warum langfristige assetklassenübergreifende Investoren an ihren Grundsätzen festhalten sollten – an Grundsätzen, die bei Marktschocks das Portfolio stabilisieren können.
Modellierbarkeit
Nach der internationalen Finanzkrise brauchten Aktien viele Jahre, um wieder auf ihr altes Niveau zu steigen. Enorm viel Vermögen war vernichtet worden, und beachtliche Schulden warteten auf ihre Restrukturierung (wenn sie nicht gleich ganz abgeschrieben wurden). Als die Krise dann in den folgenden Jahren genauer analysiert wurde, war der Konflikt zwischen Moral Hazard und Systemstabilität ein wichtiges Thema. Anschließend untersuchten Volkswirte immer genauer das Volumen und die Wirksamkeit der geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen während und nach der internationalen Finanzkrise. Man wollte die Auswirkungen eines massiven Schuldenabbaus auf Wirtschaft und Märkte besser verstehen, um klüger reagieren zu können.
Auf Corona reagierten die Märkte schneller, und die Erholung kam dann ebenso plötzlich; sie war „v-förmig“. Damals diskutierte man engagiert über den Konflikt zwischen öffentlicher Gesundheit und Wirtschaft. Als sich hier ein Konsens abzeichnete, ging es um die nötige Zeit für die Entwicklung wirksamer Impfstoffe – und die langfristigen Veränderungen von Konsummustern, Arbeitsverhalten und Lebensstil. Große Fragen, sicher, aber sie ließen sich „modellieren“ – und die Modelle wurden von Anlegern weithin akzeptiert.
Bisweilen führten politische Entscheidungen zwar zu Volatilität, aber meist war das Umfeld berechenbarer und modellierbarer als heute. Als der Brexit feststand, war die Wahrscheinlichkeit einer weiteren britischen Mitgliedschaft in der EU nahezu null. Man konnte drei oder vier mögliche Brexit-Szenarien entwickeln und, als der Weg klarer wurde, entsprechende Prognosen vornehmen.
Mit anderen Worten: Frühere Rezessionen und Marktturbulenzen waren die Folge von Übertreibungen, strukturellen Problemen oder massiven und unkorrigierbaren exogenen Schocks. Die aktuelle Volatilität hat aber vor allem mit politischen Entscheidungen zu tun, die kommen und gehen und alles andere als stetig sind.
Am 2. April wurden Zölle in einer Höhe verkündet wie zuletzt in den 1930ern. Und dann wurden sie am 9. April überraschend für 90 Tage ausgesetzt – von einer Handvoll Menschen im Weißen Haus, vielleicht als Reaktion auf die fallenden US-Staatsanleihenkurse. Wenn in den nächsten Wochen verhandelt wird, kann sich die Lage weiter beruhigen oder vielleicht auch wieder deutlich besser werden. Sollten der Handelskrieg zwischen den USA und China aber weiter eskalieren oder die Verhandlungen mit anderen Ländern ins Stocken geraten, könnte die Volatilität schnell wieder zurück sein.
Wenn die US-Regierung ohne Vorankündigung so schnell ihre Haltung ändert, macht das die Lage für Investoren sehr schwierig – und mehr noch für Länder, die zu Verhandlungen aufgefordert werden. Das führt zu Volatilität in beide Richtungen; am letzten Mittwoch stieg die Marktkapitalisierung des S&P 500 um 4 Billionen US-Dollar. Dieses heftige Auf und Ab hat nichts mit den sonst so wichtigen Wirtschaftszahlen zu tun, etwa den überraschend guten amerikanischen Arbeitsmarkt- und Inflationsdaten. An den beiden turbulenten Börsentagen wurden sie weitgehend ignoriert.
Sollen Anleger also mit einer starken, weltweiten Rezession infolge der Zölle oder doch mit hohem Wachstum rechnen, was viele Trump-Optimisten nach der Wahl im November für möglich hielten?
Grundsätze
Die Antwort liegt wohl wie so oft dazwischen. Volatile Märkte und hohe Verluste sollten Anleger nicht dazu bewegen, eine schlüssige Strategie aufzugeben. Unstete Rahmenbedingungen wie jetzt sollten uns vielmehr an die Grundsätze des langfristigen assetklassenübergreifenden Investierens erinnern.
Erstens ist es wichtig, seinen eigenen Anlagezielen treu zu bleiben und sich nicht vom Markt treiben zu lassen. Ihre Ziele bestimmen Ihre Ertragsanforderungen und Ihre Risikobereitschaft, und wenn man die Performance mit diesen Zielen abgleicht, kann man vorzeitig vor zu großen Positionen gewarnt werden. In den Wochen und Monaten vor dem 2. April wären anhaltende Mehrerträge genauso ein Warnsignal wie anhaltende Mindererträge.
Zweitens sollte man ausgewogen investieren. Die meisten Anleger haben Ziele, die sich am besten mit einer assetklassenübergreifenden Anlage erreichen lassen. Nutzen Sie das gesamte Instrumentarium. Aktienportfolios lassen sich durch unterschiedliche Marktkapitalisierungen, Stile und Faktorgewichte stabilisieren; Anleihenportfolios durch Diversifikation nach Staatsanleihen, Investmentgrade-Unternehmensanleihen und High Yield mit unterschiedlicher Duration.
Illiquide Anlagen bieten oft höhere Erträge und schützen auch vor der Versuchung, zu viel umzuschichten. Titel, die möglichst nicht mit Aktien und Anleihen korreliert sind, bieten weitere Möglichkeiten bei einem Markteinbruch. Optionsbasierte Strategien können hier funktionieren, ebenso wie Global Macro und andere kurzfristige Hedgefondskonzepte. Denken Sie aber auch hier an Diversifikation – schließlich sind nicht alle Strategien in jeder Marktlage unkorreliert. Insurance-Linked-Strategien sind eine weitere Möglichkeit, da Naturkatastrophen oft saisonal sind und nur selten dem Konjunkturzyklus oder der Anlegerstimmung folgen.
Drittens: Stellen Sie die ursprüngliche Asset-Allokation wieder her, um keine zu großen Wetten einzugehen und schützen Sie sich davor, das versehentlich zu tun. Legen Sie Limits für Abweichungen von der strategischen Asset-Allokation fest, sodass Sie prüfen können, ob eine Rückkehr zu den Ausgangsgewichten sinnvoll ist, wenn die Obergrenzen erreicht sind.
Wenn man die Portfolios zu den Ausgangswertenzurückführt, diszipliniert das. Sie kaufen dann mehr von dem, was gerade günstig ist. Billiger kaufen garantiert zwar keine überdurchschnittlichen Erträge, macht gute Langfristergebnisse ceteris paribus aber wahrscheinlicher, vor allem wenn man nach einer heftigen Aktienmarktkorrektur einsteigt. Wenn man Gewinne realisieren kann, über Liquidität verfügt und außerdem klare Langfristziele hat, lassen sich Chancen durch Preisverzerrungen unserer Ansicht nach am besten nutzen.
Was bringt die Zukunft?
Wo sehen wir jetzt Chancen?
Unser neuer Asset Allocation Committee Outlook ist auf dem Weg. Wir werden internationale Aktien nach der jüngsten Marktkorrektur jetzt übergewichten, zumal wir glauben, dass die am 9. April modifizierten US-Zölle vom 2. April weiter gesenkt werden.
Die Übergewichtung internationaler Aktien passt zu unserer anhaltend positiven Einschätzung hochwertiger amerikanischer Small und Mid Caps und einer optimistischeren Sicht auf nicht amerikanische Industrieländeraktien. Amerikanische Small und Mid Caps haben besonders unter den Zöllen gelitten, dürften aber aufholen, wenn der US-Markt über die Technologie-Megacaps hinaus weiter an Breite gewinnt. Nicht-amerikanische Aktien dürften hingegen stark von der neuen europäischen Fiskalpolitik profitieren.
Drohen Aktien weitere Verluste? Natürlich kann das passieren. Die extreme Unsicherheit ist noch nicht vorbei. Wer aber den Grundsätzen des langfristigen assetklassenübergreifenden Investierens gefolgt war, konnte am 3. April seine Aktienquote erhöhen, statt mit zu vielen Aktien dazustehen. Das macht eine gute Wertentwicklung in drei bis fünf Jahren sehr viel wahrscheinlicher, egal was passiert.
Am 22. April werden Erik Knutzen und Jeff Blazek mit Ugo Lancioni, Senior Portfoliomanager for Fixed Income, online über den neuen Asset Allocation Outlook sprechen. Knutzen, Blazek und Lancioni ordnen die aktuelle Politik und Marktvolatilität ein, sprechen über die Folgen für die langfristige Asset-Allokation und nennen Argumente für Anlagen in Europa. Bitte melden Sie sich hier an.
Von Erik Knutzen, Co-Chief Investment Officer – Multi-Asset Strategies und Jeff Blazek, Co-Chief Investment Officer – Multi-Asset Strategies, Neuberger Berman
Neuberger Berman Asset Allocation Committee Outlook 2Q 2025: The Storm Before the Calm?
Am 22. April werden Erik Knutzen und Jeff Blazek mit Ugo Lancioni, Senior Portfoliomanager for Fixed Income, online über den neuen Asset Allocation Outlook sprechen. Knutzen, Blazek und Lancioni ordne...22.04.2025 17:00
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