Der Dollarindex notiert noch immer um 3,5% niedriger als am 2. April, als Präsident Trump seine „reziproken“ Zölle gegen die amerikanischen Handelspartner verkündete. Seit Jahresbeginn hat die US-Währung um fast 8% abgewertet. Letzte Woche war sie vor allem gegenüber den asiatischen Währungen schwach, insbesondere gegenüber dem taiwanesischen Dollar.
Die jüngste Abwertung ist bemerkenswert, zumal der S&P 500 Index seine Verluste seit dem 2. April nahezu wieder wettgemacht hat. Auch die Spreadausweitung von High-Yield-Anleihen ist zu über der Hälfte wieder ausgeglichen. Die amerikanischen Staatsanleihenrenditen sind zwar noch immer höher als vor Trumps „Liberation Day“, aber wieder gefallen – und der Spread gegenüber Swaps, ein Indikator für Probleme am Markt, hat sich verengt. Die Indizes für die implizite Volatilität haben sich ebenfalls wieder normalisiert.
Ohne den Dollarausverkauf hätten wir im April eine jener v-förmigen Marktentwicklungen erlebt, die seit Corona so häufig waren. Was also sagt uns die Dollarschwäche? Wie weit kann die US-Währung noch fallen? Und was bedeutet das für die Asset-Allokation?
Spekulation
Aus zwei Gründen scheint die Dollarschwäche seit dem 2. April ungewöhnlich.
Erstens sollten höhere US-Zölle dem Dollar eigentlich nützen. Wenn amerikanische Verbraucher weniger im Ausland kaufen, brauchen sie weniger ausländische Währung. Und wenn sie trotz allem an ausländischen Gütern festhalten, steigt die Inflation, und die Fed kann die Zinsen nicht mehr so leicht senken.
Zweitens stärken Risikoaversion und Marktvolatilität meist den Dollar, und das bereits seit Jahrzehnten. In schwierigen Zeiten schätzen Anleger US-Wertpapiere traditionell als sicheren Hafen.
Gehen sie jetzt etwa davon aus, dass die Zölle der US-Wirtschaft stärker schaden als der Wirtschaft in anderen Ländern und dies die positiven Auswirkungen auf den Dollar mehr als zunichtemacht? Aber das wäre nur schwer mit der Erholung amerikanischer Aktien und High-Yield-Anleihen in Einklang zu bringen.
Denkbar ist auch, dass Anleger an den „Mar-a-Lago Accord“ glauben. Diese Theorie nimmt Bezug auf das Plaza-Abkommen Mitte der Achtziger. Demnach geht es der US-Regierung in Wirklichkeit darum, die Industrie zu repatriieren. Das Mittel dazu seien Zölle – oder, noch besser, der Verzicht darauf, wenn die Handelspartner die Aufwertung ihrer Währungen gegenüber dem Dollar zulassen.
Die jüngste kräftigere Rallye des taiwanesischen Dollar könnte durchaus etwas mit Spekulationen zu tun haben, dass hinter den Kulissen eine solche Verabredung getroffen wurde. Aber dann folgten ein offizielles Dementi und unklare Äußerungen der US-Regierung zur Währungspolitik. Was will sie wirklich?
Grenzüberschreitende Kapitalströme
Wir glauben hingegen, dass die Dollarschwäche viel mit grenzüberschreitenden Kapitalströmen zu tun hat.
Auslöser könnte durchaus der schwächere US-Konjunkturausblick sein, und die Kapitalströme stehen auch nicht im Widerspruch zur Erholung risikobehafteter US-Wertpapiere. Sie können steigen, wenn US-Anleger von Staatsanleihen in Aktien umschichten. Wenn nicht amerikanische Investoren ebenfalls höhere Risiken eingehen, dabei die USA aber weiter meiden, bleiben Umschichtungen in dollardenominierte Wertpapiere aus. US-Aktien steigen, aber der Dollar bleibt schwach.
Das könnte das Ende der positiven Korrelation zwischen Risikoaversion und dem Dollar erklären – und den Dollar weiter schwächen, weil nicht amerikanische Investoren ihn nicht mehr als sicheren Hafen ansehen und ungesicherte Dollarpositionen nicht mehr als Diversifikationsinstrument betrachten. Die verbleibenden Dollaranlagen könnten daher stärker währungsgesichert werden, was weitere Dollarverkäufe zur Folge hätte.
Zu allem Überfluss ist der Dollar nach Einschätzung unseres Währungsteams auch noch immer überbewertet. Dafür sprechen langfristige Kennzahlen wie die Kaufkraftparität – aber auch die vielen Short-Positionen am Markt. Alles in allem halten unsere Währungsexperten eine weitere Abwertung um etwa 3% bis 5% gegenüber dem Euro und dem Yen dieses Jahr für möglich. Sie weisen aber darauf hin, dass die nächste Abwertungsrunde sehr viel mehr Volatilität bringen könnte, als wir es seit Jahresbeginn gewohnt sind.
Diversifizieren, aber richtig
Ausgewogenheit und Diversifikation dürften durch die Dollarentwicklung noch wichtiger werden. Dass sich US-Aktien erholt haben, der Dollar aber nicht, könnte mit versteckten Risiken und anderen Fallstricken zu tun haben. Das Ende der Korrelation zwischen Dollar und Risikoaversion erinnert uns daran, dass es bei der Diversifikation auf die Details ankommt. Wer einfach nur auf den Dollar oder US-Staatsanleihen setzt, schützt sein Portfolio vielleicht nicht mehr so stark wie früher. Das gilt vor allem für nicht amerikanische Anleger.
Eine große Herausforderung ist, dass die Zölle und die Dollarschwäche eine Stagflation wahrscheinlicher machen. Unser Fixed-Income-Team stellt fest, dass Long-Positionen in US-Treasuries anstelle von Long-Duration-Positionen in US-Staatsanleihen eine Lösung zur Absicherung des Risikos unter diesen Bedingungen sein könnten.
Seit einigen Monaten sprechen wir uns für Umschichtungen aus den amerikanischen Mega Caps aus – weil wir mit Mehrertrag nicht amerikanischer Titel rechnen und glauben, dass viele Investoren weltweit zu sehr auf die USA gesetzt haben.
Vor allem Europa scheint jetzt wieder attraktiver: Hier dürften Trumps Zölle die Preise weniger treiben als in den USA. Während ein schwächerer Dollar die Inflation in den USA anheizt, dämpft er sie in Europa. Dadurch kann Europa die Konjunktur besser stützen – durch höhere Staatsausgaben und niedrigere Zinsen.
Wir raten aber nicht nur zu mehr Diversifikation nach Regionen, sondern halten auch die sich daraus ergebenden Währungsgewichte für wichtig. Wie schon erwähnt, könnten euro- und yenbasierte Anleger jetzt eher bereit sein, US-Anlagen trotz der höheren Absicherungskosten währungszusichern; schließlich eignet sich der Dollar jetzt nicht mehr so gut zur Diversifikation. US-Investoren könnten sich unterdessen mehr für europäische und japanische Aktien und Anleihen interessieren und dabei auf die Währungsabsicherung (weitgehend) verzichten, auch wenn kleinere Zusatzerträge durch die Zinsdifferenzen dann ausbleiben.
Was genau bedeutet Ausgewogenheit?
Die bemerkenswerte Dollarschwäche seit Jahresbeginn ist ein wichtiges Thema in der Diskussion über die nachlassende amerikanische Ausnahmestellung (wie auch immer man sie definiert). Noch wissen wir aber nicht, welche strukturellen Veränderungen auf den Dollar warten. Bis dahin ist mit anhaltender Unsicherheit und Volatilität zu rechnen, was wiederum für ausgewogene und diversifizierte Portfolios spricht.
Unabhängig von Zöllen, Außenhandel und der US-Politik insgesamt erkennen viele Investoren, dass sie zu viel in den USA investiert hatten. Das könnte einer der Gründe für den Dollarausverkauf sein – der wiederum ein wichtiges Signal ist für jene, die in den USA noch immer hoch gewichtet sind. Schon oft haben wir geschrieben, dass Portfolios leicht unausgewogen werden können, weil allmählich übermäßige Risikokonzentrationen entstehen oder Anleger die Korrelationen der Vergangenheit für dauerhaft und unabänderlich halten. Bisweilen erinnert uns der Markt daran, was echte Ausgewogenheit bedeutet. Beim Dollar war das dieses Jahr der Fall.
Von Erik Knutzen, Co-Chief Investment Officer – Multi-Asset Strategies und Jeff Blazek, Co-Chief Investment Officer – Multi-Asset Strategies, Neuberger Berman