Ende März schrieben wir, dass bald zahlreiche US-Konjunkturdaten veröffentlicht werden, die „den Pessimismus der jüngsten Konsum- und Geschäftsklimaumfragen entweder bestätigen oder korrigieren“ können.
Wir schrieben aber auch, dass sich die Anleger von der bevorstehenden Ankündigung „reziproker“ Zölle mehr Planbarkeit erhofften. Doch was dann kam, war so unberechenbar, dass dieser Wunsch wie aus einer anderen Zeit anmutet – ebenso wie all die Konjunkturdaten, die die Richtung der Wirtschaft bestätigen sollten.
Letzte Woche standen die amerikanische Verbraucherpreisinflation und die Einzelhandelsumsätze im Blickpunkt. Seitdem sind wir nicht mehr davon überzeugt, dass der Konsum das amerikanische Wirtschaftswachstum ernsthaft beleben wird. Wenn etwas dazu in der Lage ist, dann wohl eher Neueinstellungen und Unternehmensinvestitionen.
Damit kommen wir zurück zum amerikanischen Geschäftsklima.
Stimmung
Die Erstquartalsgewinne der S&P-500-Unternehmen fassen das Dilemma der Anleger gut zusammen. Im Vorjahresvergleich sind die Gewinne um 13,4% gestiegen, schreibt FactSet, deutlich mehr als erwartet. Sehr viele Unternehmen verzichteten aber auf einen Ausblick für das 2. Quartal, da die politische und wirtschaftliche Lage unsicher ist wie selten. Die Firmen, die sich dennoch trauten, veröffentlichten 20% mehr negative als positive Ausblicke.
Und kleinere Unternehmen? Letzte Woche legte die National Federal of Independent Business (NFIB) ihre Aprilumfrage vor. Demnach ist ihr Optimismus den vierten Monat in Folge gefallen – auch wenn 69% der Teilnehmer ihre derzeitige Lage gut oder hervorragend nannten. Der Nettoanteil der Firmen, die mit besseren Rahmenbedingungen rechnen, fiel um 6 Prozentpunkte auf einen Wert wie zuletzt vor den Wahlen im November. Und es sind so geringe Lagerinvestitionen geplant wie seit elf Monaten nicht mehr.
Auffällig ist, dass in den nächsten sechs Monaten so wenige Unternehmen investieren wollen wie im April 2020, auf dem Höhepunkt von Corona. Weniger als eins von zehn meint, dass jetzt eine gute Zeit für eine Expansion ist, so wenige wie noch nie. Auch die regelmäßigen Umfragen der Fed-Niederlassungen in Dallas, Kansas City, Richmond, Philadelphia und Chicago deuten auf ähnlich niedrige Investitionspläne hin wie kurz vor den Wahlen.
Aber genau das muss sich unserer Ansicht nach ändern, damit die US-Wirtschaft 2025 wächst.
Steuern
Ein möglicher Katalysator könnte die Entschärfung des Handelskriegs sein, die sich etwa in den Vereinbarungen mit Großbritannien und vor allem in der Einigung mit China über enorme gegenseitige Zollsenkungen in der letzten Woche zeigt. Natürlich war das an den Märkten in den letzten Tagen das große Thema.
Doch so sehr wir diese Entwicklung schätzen, so wenig ändert sie daran, dass amerikanische Unternehmen am Ende wohl noch immer zweistellige Zölle zahlen müssen. Das ist deutlich mehr als zu Jahresbeginn und etwa so viel, wie die Pessimisten vor dem 2. April erwarteten.
Hinzu kommt, dass nach Umfragen wie der der NFIB gar nicht die Zölle das Geschäftsklima am stärksten dämpfen. Die Inflation, früher der größte Belastungsfaktor, wird jetzt kaum noch genannt; die Unternehmen scheinen Forderungen nach höheren Löhnen immer besser abwehren zu können. Die größte Herausforderung bleibt die Qualität der Mitarbeiter, aber auch hier lassen die Probleme nach. Stattdessen machten die Steuern in den letzten Monaten immer mehr Sorgen. Der Anteil der Unternehmer, die sie für das größte Problem halten, ist heute so hoch wie seit dreieinhalb Jahren nicht mehr.
Unabhängigkeitstag
Das wichtigste Datum für Investoren ist daher vielleicht gar nicht der „Liberation Day“ – oder eine der vielen und sich ständig ändernden Deadlines für Verhandlungen –, sondern der amerikanische Unabhängigkeitstag, der 4. Juli.
Dann will Finanzminister Scott Bessent die Endfassung des Steuer- und Ausgabengesetzes vorlegen – auch weil die amerikanische Schuldenobergrenze wohl im August überschritten werden dürfte. Zuletzt gab es durchaus Fortschritte. Ende April hatten bereits mehrere Repräsentantenhausausschüsse das Gesetz verabschiedet, und das so wichtige Committee on Ways and Means hat letzte Woche seinen viel beachteten ersten Entwurf vorgelegt.
Unternehmenslobbyisten waren zufrieden. Anders als befürchtet blieb die Besteuerung von Carried Interest unverändert, und es wurde auch kein höherer Spitzensteuersatz eingeführt. Am Körperschaftsteuersatz von 21% soll sich ebenfalls nichts ändern.
Der Anteil der Gewinne, den Personengesellschaften und andere „Pass-Throughs“ gemäß Section 199A steuerfrei an ihre Eigentümer weiterreichen können, soll dauerhaft von 20% auf 23% steigen. Der Entwurf sieht außerdem vor, dass Forschungs- und Entwicklungsausgaben sofort abgeschrieben werden können und nicht, wie seit 2022 üblich, über fünf Jahre.
Des Weiteren soll der für Unternehmen günstige EBITDA-Ansatz für die Berechnung der abzugsfähigen Nettozinsen wieder eingeführt werden, und bestimmte Produktionsanlagen sollen bis 2028 vollständig abgeschrieben werden können. Vorgesehen ist auch, dass mehr Industrieunternehmen den begehrten Status als „Small Taxpayer“ erhalten sollen.
All das zusammen würde amerikanischen Unternehmen sehr helfen.
Diskussionen
Noch bleibt viel zu tun. Vermutlich wird es unter den republikanischen Abgeordneten noch eine Reihe von Diskussionen geben, bevor das Gesetz endgültig verabschiedet wird und in das gemeinsame Haushaltsgesetz von Repräsentantenhaus und Senat einfließt.
Einiges wird bereits im Entwurf kontrovers diskutiert. So sollen die neuen Abschreibungsregelungen für Forschungs- und Entwicklungsausgaben und die Absetzbarkeit der Nettozinsen 2029 auslaufen, was den Unternehmen etwas Sicherheit nimmt, aber die haushaltspolitischen Falken in der republikanischen Partei beruhigt. Nach ersten Schätzungen könnte das neue Gesetz in den nächsten zehn Jahren über 5 Billionen US-Dollar Mehrausgaben verursachen.
Wenn das Haushaltsgesetz am Ende aber auch nur ansatzweise dem Entwurf entspricht, würde es den Unternehmen viele Sorgen nehmen. Wenn dann noch die Zoll- und Außenhandelspolitik berechenbarer wird und die Fed vielleicht die Zinsen senkt, könnte sich das Geschäftsklima in der zweiten Jahreshälfte deutlich aufhellen. Investitionen, Beschäftigung und Wirtschaftswachstum könnten dann zunehmen.
Rechnen Sie mit einem Feuerwerk am 4. Juli!
Von Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman