CIO Weekly | Aus der Vogelperspektive: Jetzt übernimmt die Fiskalpolitik

Weltweit wird die Fiskalpolitik expansiver, und selbst der sonst eher langweilige japanische Staatsanleihenmarkt war zuletzt volatil. Entwicklungen in Japan können weitreichende Konsequenzen haben, denn das Land ist einer der wichtigsten Gläubiger. Neuberger Berman | 12.06.2025 14:03 Uhr
Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

In unserem letzten Asset Allocation Outlook, erschienen auf dem Höhepunkt der Zollturbulenzen, nannten wir Trumps Außenhandelspolitik den „Sturm vor der Ruhe“. Tatsächlich ist es seitdem sehr viel ruhiger geworden, vor allem an den Märkten für risikoreichere Titel.

Doch es gibt eine Ausnahme: den Staatsanleihenmarkt. Weil die Fiskalpolitik vielerorts jetzt zum wichtigsten wirtschaftspolitischen Instrument werden könnte, sind die Industrieländerrenditen in den letzten gut vier Wochen kräftig gestiegen. An der Spitze stand dabei ausgerechnet ein Land, das sonst eher als langweilig gilt. Die Rede ist von Japan.

Was bedeutet das für andere Regionen, und wo kann das hinführen?

Die vier Reiter der … Asset-Allokation

Oberflächlich gesehen mag sich die Lage beruhigt haben. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber eine komplexe Kombination von Risiken, die die Märkte weiter bestimmen dürfte. Um mittelfristig (das heißt auf 12- bis 18-Monats-Sicht) die richtigen Entscheidungen treffen zu können, nehmen wir vier wichtige strategische Risiken genau unter die Lupe – gewissermaßen unsere „apokalyptischen Reiter“:

1. Störungen durch Handelskriege: Im Schnitt dürften die amerikanischen Importzölle bald wieder so hoch sein wie seit den späten 1930ern nicht mehr. Nach Section 899 der „One, Big, Beautiful Bill“ könnten bald sogar Zölle auf Dienstleistungen möglich sein, auch wenn es bis dahin wohl noch dauern wird. Die indirekten Folgen dieser Handelskriege – größere Unsicherheit und schlechte Stimmung – könnten Wachstum und Preisstabilität am Ende sehr viel stärker gefährden als die direkten.

2. Die Geldpolitik zieht sich zurück, die Fiskalpolitik übernimmt: Erstmals seit Jahrzehnten wird die Fiskalpolitik in vielen Ländern zum wichtigsten Instrument. Deutschland hat gerade ein Ausgabenpaket in Höhe eines Fünftels des BIP verabschiedet. In den USA (und vielleicht auch in Großbritannien) findet gerade ein rascher Kurswechsel statt, von einer restriktiven zu einer expansiveren Fiskalpolitik. Neu im Blickpunkt steht aber Japan. Japans Schuldenstandsquote ist eine der höchsten der Welt, wobei sich allerdings die meisten Staatsanleihen in den Büchern der Notenbank befinden.

3. Machtlose Geldpolitik: Gerade in den USA scheint die Geldpolitik nicht mehr viel ausrichten zu können. Wenn die Außenhandelspolitik einen Angebotsschock auslöst, kann die Fed dem nicht viel entgegensetzen. EZB und Bank of England befinden sich hingegen in einer anderen Lage, da in Europa bei Handelskriegen vor allem Nachfrageschocks drohen. Zinssenkungen in den USA halten wir, wie viele andere, vor allem bei einem schwächeren Arbeitsmarkt für möglich – aber er reagiert erst spät auf eine nachlassende Konjunktur. Die früher so vorausschauende Geldpolitik scheint reaktiv geworden zu sein und sich jetzt an der Vergangenheit zu orientieren.

4. Größere weltpolitische Risiken: Der andauernde Krieg zwischen Russland und der Ukraine, die jüngsten Spannungen zwischen Indien und Pakistan und die immer instabilere Lage im Nahen Osten – vor allem im Zusammenhang mit dem Iran – zeigen, wie komplex die Weltpolitik geworden ist. Wenn Anleger die Risiken für die Märkte abschätzen wollen, müssen sie zwischen Drohgebärden und echten Drohungen unterscheiden.

Der zweite Reiter

Diese vier Reiter bestimmen also unseren Ausblick. Dabei wurde vor allem der zweite – die wachsende Bedeutung der Fiskalpolitik – zuletzt immer wichtiger. Die Langfristrenditen sind gestiegen und haben auch in den USA wichtige Marken überschritten. Echte Aufmerksamkeit verdient aber der sonst eher ruhige japanische Markt. Aus der Vogelperspektive der Asset-Allokation hat er den weltweiten Renditeanstieg zu einem noch wichtigeren Thema gemacht. In manchen Segmenten (etwa zwischen zehn und 30 Jahren) ist die japanische Zinsstrukturkurve heute so steil wie selten.

Was geht da eigentlich vor sich?

Auf den ersten Blick scheint es nur logisch, dass Japan bei einer expansiveren Fiskalpolitik unter einen gewissen Druck gerät. Schließlich handelt es sich um eines der am höchsten verschuldeten Länder der Welt.1 Eine mögliche Verdopplung des japanischen Verteidigungsbudgets von 1,6% auf 3% des BIP im Rahmen eines Nachtragshaushalts, neue Solvenzkapitalregeln für Versicherungen (die ebenso wie die Demografie die Nachfrage nach länger laufenden Anleihen dämpfen), einige recht enttäuschende Anleihenauktionen und die steigende Inflation sorgen für zusätzliche Unruhe.

Japans Notenbank muss Balance halten

Im Gegensatz zu den meisten anderen Industrieländern wird die Geldpolitik in Japan noch immer restriktiver. Die Inflation steigt langsam und gewinnt an Breite; für über 60% des Tokioter Verbraucherpreisindex liegt sie jetzt über dem 2%-Ziel, und der Leitzins ist mit 0,5% nach wie vor niedrig. Vielleicht strafft die Bank of Japan ihre Geldpolitik auf sehr viel mehr Wegen als bislang angenommen.

In ihren Büchern befindet sich ein beachtlicher Teil der umlaufenden japanischen Staatsanleihen. Ende 2024 waren es etwa 52%, nach einem Höchststand von 54% im 3. Quartal 2023. Der Fed gehören nur 18% der US-Staatsanleihen, nach einem Maximum von 28%. Knapp 80% der Aktiva der japanischen Notenbank entfallen auf diese Staatsanleihenpositionen. Davon werden dieses Jahr Titel im Wert von etwa 57 Billionen Yen (400 Milliarden US-Dollar) fällig.

Besonders interessant an diesen Positionen ist aber ihre Duration. Im Schnitt ist sie auf gerade einmal sechs Jahre gefallen, drei Jahre unter der Duration des Gesamtmarktes. Der Bank of Japan gehören also recht wenige lang laufende Titel. Sie kauft zwar weiter Staatsanleihen, strafft aber zugleich faktisch die Geldpolitik.

Vielleicht können viele andere Industrieländer aus der Entwicklung in Japan durchaus etwas lernen, wenn sie jetzt von einer expansiven Geldpolitik zu einer expansiven Fiskalpolitik übergehen. Wichtig ist vor allem zweierlei: Erstens muss sich die Regierung genau überlegen, welche Staatsanleihen sie zur Finanzierung künftiger Ausgaben begibt. So kommen etwa in Großbritannien jetzt mehr mittlere Laufzeiten an den Markt. Genauso wichtig ist aber, dass die Notenbanken ihre Anleihenkaufprogramme sorgfältig anpassen. Wenn die amerikanische 30-Jahres-Rendite steigt, werden die Finanzbedingungen in den USA straffer, obwohl die Fed die Geldpolitik eigentlich lockern will. Und weil Japan einer der größten Gläubiger der Welt ist, haben Entwicklungen hier weltweit besonders große Auswirkungen.

Aber auch Japan kann vielleicht etwas lernen und sich zu einer eigenen „Operation Twist“ entschließen. Japans Notenbank könnte die Rückflüsse aus fälligen Staatsanleihen in länger laufenden Titeln anlegen und zugleich die Kurzfristzinsen erhöhen, um die Inflation zu dämpfen. Wenn die Zinsstrukturkurve dann trotzdem steiler wird, ist die Botschaft der Märkte eindeutig.

Von Shannon Saccocia, Chief Investment Officer – NB Private Wealth, Neuberger Berman

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