Unser letzter Asset Allocation Outlook, kurz nach den Marktturbulenzen im April, trug den passenden Titel Der Sturm vor der Ruhe? An unserer wichtigsten These gab es keinen Zweifel: Weltlage und Zölle mögen für Volatilität sorgen, aber die Fundamentaldaten sind noch immer gut. Daran hat sich nichts geändert. Die politische Lage bleibt unsicher und dürfte immer wieder für Kursschwankungen sorgen. Aber für die nächsten sechs bis 18 Monate sind wir optimistisch – für die Konjunktur wie für risikobehaftete Wertpapiere.
Mehr als nur sieben Aktien
Trumps erste Zollankündigungen mögen für Unsicherheit und Unruhe gesorgt haben. Wir sahen darin aber schon damals eher einen ersten Aufschlag als eine dauerhafte Maßnahme. Nach ersten Irritationen, so unsere Einschätzung, würden Anleger schon bald wieder das höhere Wachstum und die nachlassende Inflation wahrnehmen. Außerdem wurde die amerikanische Fiskalpolitik während der Verhandlungen zur One Big Beautiful Bill immer berechenbarer, und in Europa machen die umfangreichen Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum wahrscheinlicher. Die expansivere Fiskalpolitik könnte zwar in den nächsten Jahren die Staatsfinanzen schwächen und die Risikoprämien von Anleihen steigen lassen, dürfte Verbrauchern und Unternehmen kurzfristig aber helfen.
All das spricht für eine zunehmende Marktbreite bei Aktien. Schon in der ersten Jahreshälfte 2025 blieben die Magnificent 71 hinter dem Gesamtmarkt zurück, mit 2,6% Gesamtertrag gegenüber 6,2% beim S&P 500 Index. Außerdem ließen nicht amerikanische Aktien US-Titel nach Jahren der Mindererträge deutlich hinter sich.
Amerikanische Small Caps waren zwar weniger erfolgreich, doch erwarten wir hier für die zweite Jahreshälfte eine Trendwende wegen der wirtschafts- und wachstumsfreundlichen Maßnahmen der One Big Beautiful Bill. Hinzu kommen Deregulierungsmaßnahmen und vielleicht auch niedrigere Leitzinsen und damit ein geringerer Schuldendienst.
Der schwache Dollar und der Nutzen der Diversifikation
Wir rechneten mit Mehrerträgen nicht amerikanischer Aktien und nahmen zugleich an, dass viele Anleger zu stark in den USA gewichtet waren.
Wegen der Irritationen durch die neue US-Handelspolitik, die wachsenden Haushaltsdefizite und die Möglichkeit von Kapitalabflüssen nach Europa (nicht zuletzt wegen der dort sehr expansiven Fiskalpolitik), schätzten wir den US-Dollar zurückhaltend ein.
Wir schrieben bereits über das Ende der engen Korrelation zwischen dem Dollar und risikobehafteten Titeln. Offensichtlich müssen Anleger genau auf die Portfoliodiversifikation achten; eine Position im Dollar oder in US-Staatsanleihen bietet vielleicht nicht mehr die gewohnte Sicherheit. Für nicht amerikanische Investoren könnte sich eine höhere Währungsabsicherung von US-Titeln lohnen, für US-Anleger nicht währungsgesicherte Positionen in europäischen und japanischen Wertpapieren – selbst wenn sie dann etwas niedrigere Anleihenrenditen in Kauf nehmen müssen. Unterdessen kann man sich mit Gold und anderen Rohstoffen vor weltpolitischen Schocks, dem Inflationspotenzial von Zöllen und einem schwachen Dollar schützen.
Vorsichtiger Optimismus
Die Zollpolitik könnte allmählich die Konjunktur belasten und das Wachstum vorübergehend dämpfen. Die jüngsten Arbeitsmarktzahlen sprechen aber gegen eine allzu starke Belastung. Auch könnten die Zölle zunehmend die Inflation treiben. Vielleicht wird die Teuerung in den nächsten drei bis sechs Monaten nicht mehr so niedrig sein wie jetzt.
Wir glauben aber auch, dass all diese Unsicherheitsfaktoren keine Katastrophe sind. Ein extremes Negativszenario – mit hohen Zöllen, klar negativen Gewinnrevisionen und ausgeprägten Rezessionsrisiken – halten wir mittlerweile für sehr viel unwahrscheinlicher. Deshalb bleiben wir in risikobehafteten Titeln übergewichtet. Unterdessen könnten die amerikanischen Bemühungen um weniger Staat die Nachfrage zwar kurzfristig dämpfen, langfristig aber ein stärkeres Wachstum der Privatwirtschaft ermöglichen. Wenn sich die USA zu einer berechenbareren und wachstumsfreundlicheren Wirtschaftspolitik entschließen, ist in den nächsten zwölf bis 18 Monaten wieder mehr Wachstum möglich.
Ohnehin darf man sich von kurzfristigen Entwicklungen nicht zu sehr beirren lassen. Die Politik kann die Märkte schnell in die eine oder andere Richtung treiben. Oft lösen gute Nachrichten eine rasche Erholung aus – und schlechte einen heftigen Einbruch.
Von Erik Knutzen, Co-Chief Investment Officer – Multi-Asset Strategies und Jeff Blazek, Co-Chief Investment Officer – Multi-Asset Strategies, Neuberger Berman
1 Die Magnificent 7 sind Apple, Nvidia, Microsoft, Tesla, Meta, Alphabet und Amazon.