Die Verbreitung von Remote Work
Laut dem französischen Arbeitsministerium arbeiteten während des Lockdowns im Frühling 2020 25 % der französischen Angestellten Vollzeit im Home Office, während zuvor lediglich 3% remote tätig waren – und das nur in partiellen Home-Office-Arbeitsmodellen. Die Geschäftswelt wurde sich plötzlich des Ausmaßes des Wandels bewusst, als das Nationale Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien (INSEE) schätzte, dass 40 % der Arbeitsstellen in Frankreich zumindest teilweise aus der Ferne, also remote, erledigt werden könnten.
Wie schnell verbreitet sich die „Post-Krisen“-Remote-Work? Zweifellos sehr schnell. Nach Angaben des Zeitarbeitsunternehmens Adecco erwähnten Mitte 2021 12 % der Stellenbeschreibungen (gegenüber 3 % im Vorjahr) in Europa teilweise Remote Work. Das Ausmaß ist allerdings von Land zu Land und von Branche zu Branche sehr unterschiedlich. Nordeuropäische Länder neigen kulturell eher dazu, diese Praxis weiterzuentwickeln, und sie ist am häufigsten in hochqualifizierten, wissensintensiven Dienstleistungsbereichen wie Freiberuflern oder Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) verbreitet. Dies gilt eher weniger in der Fertigungsindustrie, bei marktbestimmten Dienstleistungen und bei Arbeitsplätzen, die physische Anwesenheit für viele Aufgaben erfordern. Schließlich hat sich eine neue Art von Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt herausgebildet, die sich aus der Frage ergibt, ob das Home Office für die unterschiedlichen Arbeitsplätze in Frage kommt oder nicht.
Remote Work und der Büromarkt
Für den Büroimmobilienmarkt geht Remote Work Hand in Hand mit weniger Büroarbeitsplätzen. Von welcher Größenordnung sprechen wir? In den Bürogebäuden der Île-de-France, der größten Region in Europa mit rund 50 Millionen Quadratmeter belegter Fläche, waren Ende 2020 2,5 Millionen Menschen in Büros beschäftigt. Wenn, wie von INSEE prognostiziert, tatsächlich 40 % der Arbeitsplätze aus der Ferne erledigt werden und man davon ausgeht, dass zwei Tage Home Office für diese Arbeitsplätze zur Norm werden, wird die Zahl der Büroarbeitsplätze um etwa 400,000abgebaut. Wenn man bedenkt, dass die Fläche eines Büroarbeitsplatzes 20 m2 beträgt, sind das 8 Millionen Quadratmeter, die potenziell wegfallen würden, was die Nachfrage betrifft.
Die Produktivitätssteigerung durch Remote Work in Verbindung mit der Zunahme der Büroarbeitsplätze aufgrund der positiven demographischen Entwicklung und der Tertiarisierung der französischen Wirtschaft dürfte diese negativen Auswirkungen in den kommenden Jahren jedoch ausgleichen.
Mit Remote Work steht der Büromarkt also vor einer strukturellen Veränderung des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage. Dieser Wandel wird sich tiefgreifend auf die Gestaltung von Arbeitsplätzen, den Baustil und die Büromarktstruktur sowie auf die Entwicklung der Beziehungen zwischen Vermietern und Mietern auswirken, da die Unternehmen mehr Flexibilität benötigen.
Andere Gewerbeimmobiliensektoren in Frankreich haben sich in den letzten 20 Jahren stark verändert: Rückgang der Industrieflächen, starker Anstieg der Lagerflächen, Umgestaltung der Einzelhandelsflächen und des Gastgewerbes sowie das Aufkommen neuer Immobilieninvestitionssegmente wie Rechenzentren. Diese weitreichenden Verschiebungen wurden zum Großteil durch die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft (E-Commerce, digitale Plattformen, Cloud Computing) verursacht sowie durch eine veränderte wirtschaftliche Dynamik in den Gebieten, die früher auf die Schaffung von Mehrwert durch industrielle Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet waren und nun durch die Generierung von Einnahmen, die vor Ort ausgegeben werden, angetrieben werden. Dieser Wandel schafft gleichermaßen Herausforderungen und Chancen.
Der Büromarkt sieht sich mit einem Wandel konfrontiert, der in Heftigkeit und Ausmaß noch nie dagewesen ist. Die forcierte Digitalisierung der Arbeits- und Konsumgewohnheiten verändert strukturell das grundlegende Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Immobiliensektoren wie Büro, Wohnen, Logistik und Handel und wirkt sich auch auf die Beziehungen zwischen den verschiedenen Regionen aus: Städte, Vororte, mittelgroße Städte und ländliche Gebiete, so dass eine Querschnittsbewertung zwischen Segmenten und Standorten anstelle einer vertikalen Bewertung nach Segmenten erforderlich ist. Der fortschreitende Wandel wird das Entstehen von Gebäuden begünstigen, die die Erfahrung der Nutzer, die Flexibilität und Vielseitigkeit der Nutzung, die Fähigkeit zur Entwicklung von Dienstleistungen und die Fähigkeit, eine integrative Rolle in der Stadt zu spielen, mit Energieeffizienz und einem Mehrwert für die Bewohner verbinden. Darüber hinaus ist Remote Work, wie der Blanchard-Tirole-Bericht1 betont, auch ein Vorteil bei der Eindämmung des Klimawandels und ein Mittel zur Anpassung daran.
1) „The Major Future Economic Challenges“, Bericht von Olivier Blanchard und Jean Tirole als Co-Vorsitzende einer Kommission renommierter internationaler Experten, unterstützt von France Stratégie, einer unabhängigen Institution, die dem Premierminister untersteht.