La Française Experte Boudinet: Will die EZB die CoCos abschaffen?

La Française Systematic Asset Management | 09.05.2022 14:54 Uhr
Jérémie Boudinet, Credit Fund Manager, La Française Systematic AM / © La Française Systematic AM
Jérémie Boudinet, Credit Fund Manager, La Française Systematic AM / © La Française Systematic AM
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

CoCos: „Wenn wir wollen, dass alles bleibt wie es ist, dann ist nötig, dass alles sich verändert.“
(„Der Leopard“, Giuseppe Tomasi di Lampedusa)

Die EZB veröffentlichte im März eine Stellungnahme zur Anfrage der Europäischen Kommission zum makroprudenziellen Rahmen für europäische Banken (Link hier). Darin werden mehrere Vorschläge gemacht, die sich auf die Additional Tier 1 (AT1) CoCo-Sparte in Europa auswirken könnten... oder doch nicht?

Zunächst zum Kontext dieses Textes und insbesondere dazu, wie er letztendlich rechtlich umgesetzt werden könnte: Die Überprüfung ist von der Kommission breit angelegt und umfasst mehrere Themen, darunter auch die Nutzung der AT1 CoCos durch die Banken. Die EZB ist in diesen Fragen beratend tätig. Und obwohl auch andere Regulierungsbehörden Empfehlungen abgeben werden (EBA, ESRB), ist nicht von der Hand zu weisen, dass die EZB ein starkes Gewicht bei diesen makroprudenziellen Anpassungen hat. Die Kommission sollte ihre Ergebnisse bis Ende Juni 2022 veröffentlichen. Auf mögliche Gesetzesvorschläge bis Ende Dezember (oder später) würden die Fassungen des Parlaments und des Rates folgen, bevor die Gesetzesänderungen möglicherweise 2024 oder 2025 endgültig verabschiedet werden. Hervorzuheben ist, dass (i) nicht alle hier vorgeschlagenen Änderungen umgesetzt werden, da sie mit Sicherheit von den verschiedenen Stakeholdern, die das Gesetz ausarbeiten (einschließlich der Bankenlobby), verwässert oder unterbunden werden, (ii) der Zeitpunkt für eine Änderung höchst ungewiss ist, aber wir erwarten nichts vor 2024… eine Umsetzung frühestens ein Jahr später. Wir sind der Ansicht, dass das meiste von dem, was hier vorgeschlagen wird, vernünftig und langsam umgesetzt werden wird, um Marktverwerfungen zu vermeiden, wie es bei Regulierungsvorschlägen oft der Fall ist.

Gehen wir nun auf die wichtigsten Vorschläge der EZB ein, entsprechend ihren Auswirkungen auf die drei wichtigsten strukturellen Risiken, die CoCos mit sich bringen:

Abbildung 1: unsere aktuelle Bewertung der CoCo-Risiken

Quelle: La Française AM.

1. Risiko der Verlustübernahme (CoCo-Schwellenwerte)

Die EZB räumt ein, dass die derzeitigen Solvenzschwellen für AT1 CoCos (d. h. 5,125 % und/oder 7 %) zu niedrig sind, um jemals erreicht zu werden. Das stimmt. Diese Schwellenwerte sind völlig nutzlos. Der „eigentliche“ Schwellenwert ist der sogenannte „Point of non-viability“ (PONV). Mit anderen Worten: Die Aufsichtsbehörden können beschließen, die Verlustübernahme einzuleiten, wenn sie die Bank für nicht lebensfähig halten, was sie ohne eine spezifische Solvabilitäts-/Liquiditätskennzahl festlegen. So erging es der Banco Popular im Juni 2017, als die Solvabilitätskoeffizienten der Bank weit über den automatischen Schwellenwerten waren und die EZB die Abwicklung einleitete. Der EZB-Vorschlag ist recht vage und besagt, dass die Schwellenwerte auf ein Niveau festgelegt werden sollten, „bei dem die Abschreibung oder Umwandlung erfolgt, bevor das Institut für zahlungsunfähig oder ausfallgefährdet erklärt wird”.

Was könnte das bedeuten? Die wahrscheinlichste Auswirkung wäre das Verschwinden der sogenannten „low-trigger AT1 CoCos“ (d. h. mit einem CET1-Schwellenwert von 5,125 %). Sie könnten entweder (i) einen Mindestschwellenwert von 7 % für alle AT1-CoCos durchsetzen wie es in der Schweiz bereits der Fall ist (und es gibt viele Banken, die in ihren Anleihendokumenten in Europa bereits 7 %-Schwellenwerte haben), (ii) einen noch höheren Mindestschwellenwert einführen (8 %, 10 %?), was unserer Ansicht nach sehr unwahrscheinlich ist (und die Lobbys würden sich heftig dagegen wehren), oder (iii) die Solvenz-Schwellenwert ganz abschaffen und nur den PONV-Schwellenwert beibehalten. Das wäre unserer Meinung nach die klügste Entscheidung, da viele Länder außerhalb Europas keine Solvenz-Schwellenwerte vorsehen, wie z. B. die USA. Dies stellt weder ein Hindernis für Bankenabwicklungen dar, noch steht es im Widerspruch zu Basel III. Dies würde jedoch das Ende der CoCos bedeuten, die durch Non-CoCo-AT1-Anleihen ersetzt würden, was theoretisch zu höheren Ratings und niedrigeren Spreads für neu emittierte Anleihen führen würde. Grundsätzlich sollten europäische AT1-Anleihen dann gleichberechtigt mit ihren US-Pendants (US Preferreds) gehandelt werden, was sich insgesamt positiv auf das Segment auswirken würde.

Abbildung 2: Ausgewählte Strukturmerkmale von AT1 CoCos im Vergleich zu US-Preferred Shares.

* Eine Klausel, die eine Bank daran hindert, eine Dividende an die Stammaktionäre zu zahlen, wenn sie den Kupon für ihre hybriden Wertpapiere nicht zahlt. Quelle: La Française AM

Wie wird die Europäische Kommission entscheiden? Wir glauben nicht, dass die Schwellenwerte abgeschafft werden (würde als Lockerung der Anforderungen angesehen, was politisch schwer zu rechtfertigen wäre), sondern dass ein Mindestschwellenwert von 7 % für alle CoCos festgelegt wird.Der CoCo-Markt unterscheidet nicht zwischen 5,125 % und 7 % CET1 Schwellenwerten und hat dies auch nie getan, da sie für die Risikobewertung der Verlustübernahme ohnehin nicht relevant sind. Folglich sehen wir keine signifikanten Auswirkungen auf den Markt, würde ein solcher Vorschlag angenommen werden. 

Wahrscheinlichkeit einer Änderung: wahrscheinlich.

Potenzielle Auswirkungen auf den Markt: vernachlässigbar für neue Anleihen und positiv für Anleihen mit niedrigem Schwellenwert und Bestandsschutz, die gekündigt werden müssten.

2. Kündigung von Kupons

Die EZB betont, dass „die CRR-Definition (Capital Requirements Regulation) von ‚ausschüttungsfähigen Positionen‘ (...) überprüft werden sollte, um sicherzustellen, dass nur profitable Banken oder Banken mit positiven Gewinnrücklagen AT1-Kupons / CET1-Dividenden ausschütten können”. Vereinfacht gesagt dürfen Banken derzeit AT1-Kuponzahlungen leisten, solange sie über positive ausschüttungsfähige Mittel verfügen, zu denen positive Gewinnrücklagen und einige andere in der Regel sehr hohe Rücklagen gehören. Eine Einschränkung dessen, was zu diesen „ausschüttungsfähigen Positionen“ gehört, könnte möglicherweise bedeuten, dass die Deutsche Bank wieder in die Stresssituation von Anfang 2016 geraten könnte. Die Deutsche Bank verfügte damals über nur geringe Rücklagen, um Zahlungen zu leisten. Grund hierfür waren lokale Bilanzierungsvorschriften. Paradoxerweise wurden die Regeln seitdem in Europa vereinfacht und vereinheitlicht, um eine solche Situation zu vermeiden!  

Wie wird die Europäische Kommission entscheiden? Es wäre sehr schwierig im Falle eines Nettoverlustes eine automatische Kündigung des Kupons tatsächlich umzusetzen. Denn sowohl die Dividenden als auch die Boni der Mitarbeiter müssten vollständig gestrichen werden. Die durchschnittlichen Kapitalkosten der Banken würden sich erheblich erhöhen, und die Auswirkungen auf AT1-Anleihen und Aktien könnten sehr groß sein, da Kupon-/Dividendenausfälle sehr viel verbreiteter wären.

Die realistischere Möglichkeit wäre eine geringfügige Anpassung der Definition von „ausschüttungsfähigen Mitteln“. Dies würde immer noch gegen die Vorschriften außerhalb Europas gehen, die die Annullierung von AT1-Kupons „gelockert“ haben, wenn die Banken nicht mehr in der Lage sind, ihre Mindestsolvabilitätsanforderungen zu erfüllen (Großbritannien und USA). Dadurch könnten die europäischen Banken benachteiligt werden. Lobbys und nationale Regulierungsbehörden neigen oft dazu, Banken gegen solch strenge Vorschläge zu schützen, und dieses Mal dürfte keine Ausnahme sein.

Wahrscheinlichkeit einer Änderung: voraussichtlich nicht signifikant. 

Mögliche Auswirkungen auf den Markt: schwer abzuschätzen, aber negativ für die Spreads, wenn die Europäische Kommission die Definition von „ausschüttungsfähigen Mitteln“ wirklich einschränken will.

3. Ausübung von Calls 

Die EZB schlägt lediglich eine Beschränkung der Möglichkeit vor, „den Call nur auszuüben, wenn es durch ein CET1-Instrument oder ein billigeres AT1-Instrument ersetzt wird". So funktioniert es eigentlich schon mehr oder weniger. Sollte dieser Vorschlag zu einer verbindlichen aufsichtsrechtlichen Regelung gemacht werden, könnte dies die Unsicherheit und Volatilität bei CoCos erhöhen, wenn ihre Call-Option einige Monate vor dem Call-Fenster aus dem Geld geht. Allerdings haben sich die CoCo-Anleger bereits daran gewöhnt, die Call-Erwartungen zu berücksichtigen, wenn die Anleihen ihrem Ausübungsdatum näher kommen. Das Verlängerungsrisiko ist in den Anleihekursen bereits weitgehend eingepreist

Wahrscheinlichkeit einer Änderung: voraussichtlich nicht signifikant. 

Potenzielle Auswirkungen auf den Markt: vernachlässigbar.

Abschließend lässt sich sagen, dass dieses Papier der EZB einige Änderungen für AT1 CoCos bewirken könnte. Allerdings glauben wir nicht, dass sich dieses Marktsegment   nennenswert verändern wird. Konkrete Änderungen werden sich erst in einigen Quartalen abzeichnen und werden am Ende sehr wahrscheinlich verwässert werden. Wir haben „Der Leopard“ zitiert, aber es könnte eher wie „Viel Lärm um nichts“ enden.

Jérémie Boudinet, Credit Portfolio Manager, La Française AM

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