Das schnelle Ende des Verbrenners
Mitte Juli 2021 stellte die EU im Rahmen des Strategieplans „Fit for 55“ ambitionierte Pläne für die Reduktion der Treibhausgasemissionen auf. Demzufolge sollen die jährlichen Emissionen neuer PKW ab dem Jahr 2030 um 55 Prozent und ab 2035 um 100 Prozent sinken (relativ zu 2021), was das faktische Ende des Verkaufs von konventionellen Verbrennern bedeutet. Als Alternativen kommen zum aktuellen Zeitpunkt überwiegend Elektrofahrzeuge und Autos mit alternativen Treibstoffen in Frage. VW will beispielsweise ohnehin spätestens bis 2035 den letzten herkömmlichen Verbrenner produzieren. Auch Audi lässt die Produktion von Verbrennern bis 2033 nach und nach auslaufen, wobei schon ab 2026 nur noch elektrische Modelle neu auf den Markt gebracht werden sollen.
Unabhängig davon könnten diverse Gründe dafür sprechen, dass sich die Attraktivität des Verbrenners bereits vor 2035 deutlich verringert. Beim bestehenden Emissionshandelssystem der EU war der Straßenverkehr beispielsweise bisher noch nicht einbezogen. Nun soll ein separates neues System entstehen, das die Preise für CO2-intensive Mobilität erhöhen wird. Zudem wird die Besteuerung aus der Energy Taxation Directive (ETD) dafür sorgen, dass der Benzinpreis, ceteris paribus, steigen wird – auch der Dieselpreis ist durch den Wegfall des Dieselprivilegs betroffen.
Elektromobilität: Norwegen an der Spitze
Im Bereich der Elektromobilität ist Norwegen im weltweiten Vergleich Vorreiter. Tatsächlich erreicht Norwegen 2021 bei Neuzulassungen bisher 60 Prozent Elektrofahrzeuge, 30 Prozent Hybridfahrzeuge und nur noch 10 Prozent konventionelle Verbrenner, was nicht zuletzt durch staatliche Incentivierung und eine sehr gut ausgebaute öffentliche Ladeinfrastruktur getrieben wird.
Auch wenn Europa insgesamt hier noch weit hinterherhinkt, steigen die Neuzulassungen von Elektroautos rapide an. Für das Jahr 2021 werden für Europa mehr als 1,2 Millionen neu zugelassene Elektroautos erwartet – ein Plus von ca. 50 Prozent trotz der gravierenden Lieferengpässe bei Elektronikbauteilen und einem rückläufigen Gesamtautomobilmarkt. Global gesehen soll die Anzahl der Neuzulassungen im selben Jahr 4,4 Millionen erreichen – die Region Asien-Pazifik ist hier mit knapp 2,6 Millionen Fahrzeugen führend, während Amerika mit 0,6 Millionen Fahrzeugen deutlich abgeschlagen ist.
Ambitionierte Wachstumspläne – insbesondere bei Tesla
Indessen soll laut Deloitte und IHS Markets der weltweite Absatz von Elektrofahrzeugen bis 2030 jährlich um mehr als 25 Prozent wachsen. Dabei soll jedes dritte neu verkaufte Auto im Jahr 2030 ein Hybrid- oder Elektrofahrzeug sein, wobei dies in Europa und China vermutlich schon deutlich früher der Fall sein wird. Die Adaption von E-Autos und einer entsprechenden Infrastruktur wird in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern aufgrund fehlender monetärer Ressourcen und eines bisher fehlenden politischen Handlungswillens wohl noch deutlich länger dauern.
Für Nordamerika, Europa und weite Teile des asiatischen Marktes stellen sich die Automobilhersteller hingegen auf einen grundlegenden Wandel der Nachfrage ein. Volkswagen gibt als Zielgröße dahingehend einen kumulierten Absatz von 28 Millionen EVs (Electric Vehicles) bis 2028 an. Tesla hat die wohl ambitioniertesten Pläne im Markt, welche zwar aus heutiger Sicht durchaus mit einer Prise Vorsicht zu genießen sind, aber auch eine enorme Wachstumsfantasie widerspiegeln: Tesla will bis 2030 20 Millionen elektrische Fahrzeuge in einem Jahr verkaufen. Damit wäre, basierend auf aktuellen Absatzzahlen, jedes vierte weltweit verkaufte Auto ein Tesla und diverse EV-Marktprognosen Makulatur.
Bedarf an stationären Batteriespeichern wächst
Von dem stark wachsenden Elektrofahrzeugabsatz profitieren allen voran die Batteriehersteller. Denn bisher sind meist mehr als 30 Prozent der Kosten eines Elektroautos auf die Batterie zurückzuführen. Etwa 75 Prozent der derzeitigen Produktionskapazitäten für Batteriezellen befinden sich in Asien, wo CATL, LG Energy Solution/LG Chem, BYD, Panasonic und Samsung SDI die weltweit führenden Produzenten sind.
Auch wenn E-Mobilität der Haupttreiber des anstehenden Nachfragebooms ist, wächst auch zusätzlich der Bedarf nach stationären Batteriespeichern. Dieser wird hauptsächlich durch den Ausbau von erneuerbaren Energien getrieben, da beispielsweise Solar- und Windkraft nicht immer gleichmäßig zur Verfügung stehen und somit Speicherkapazität erforderlich wird, um die Höhen und Tiefen auszugleichen. Nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) wird die Nachfrage nach stationären Batteriespeichern bis zum Jahr 2030 auf ca. 200 GWh (Gigawattstunden) anwachsen.
Sämtliche Batteriehersteller planen eine enorme Ausweitung der Produktionskapazitäten. In Asien sollen beispielsweise die Kapazitäten der Hersteller von 345 GWh im Jahr 2020 auf ca. 1.630 GWh für 2030 ausgeweitet werden, was einer jährlichen Wachstumsrate von 16,8 Prozent entspricht und vermutlich mittelfristig auch noch deutlich übertroffen werden könnte. Auch in Europa wird erwartet, dass erhebliche Produktionskapazitäten aufgebaut werden.
Kurz- bis mittelfristig Rohstoff-Engpässe möglich – mit steigenden Gewinnen für Produzenten
Mit dem sehr stark steigenden Bedarf nach Speichermöglichkeiten steigt folglich auch die Nachfrage nach den entsprechenden Rohstoffen. Laut IEA soll die Nachfrage nach Lithium im Jahr 2040 um das 42-Fache größer sein als im Vergleichsjahr 2020 – hiervon sollten grundsätzlich Lithiumproduzenten wie Albemarle, SQM, Gangfeng Lithium oder Lithium Americas profitieren. Auch Grafit, Kobalt und Nickel sollen jeweils ca. in 20-facher Menge nachgefragt werden. Nachforschungen des Fraunhofer-Instituts haben ergeben, dass die globalen Vorräte für einen weltweiten Umstieg auf die Elektromobilität ausreichend vorhanden sind. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass es kurz- und mittelfristig zu Lieferengpässen kommen kann. Es ist durchaus denkbar, dass es sowohl bei Lithium als auch bei Nickel bereits Mitte dieser Dekade zu größeren Angebotsengpässen kommt, was demzufolge Preise und damit Gewinne der Produzenten begünstigen wird.
Batterietypen: Energie- und Leistungsdichte entscheidend
Zu den aktuell am häufigsten verbauten Batterietypen gehören NCA-, NMC- und LFP-Batterien. Letztere kommen ohne Nickel und Kobalt aus und haben auch einen etwas anderen Produktionsprozess im Vergleich zu NCA- und NMC-Batterien. Den perfekten Batterietyp gibt es nicht, vielmehr kommt es auf den Anwendungszweck und die Präferenzen des Endkonsumenten an. Denn die unterschiedlichen Batteriekompositionen haben unterschiedliche Vor- und Nachteile.
Die wichtigsten Eigenschaften einer Batterie sind neben den Kosten, der Lebensdauer und der Sicherheit vor allem die Energie- und die Leistungsdichte. Je größer die Energiedichte, desto mehr Energie kann bei gleichem Gewicht der Batterie gespeichert werden, was entscheidend für die maximale Reichweite des Elektrofahrzeugs ist. Je größer die Leistungsdichte, desto mehr Leistung kann die Batterie bei gleichbleibendem Gewicht abgeben. Die Leistungsdichte ist dementsprechend maßgebend für die Schnelligkeit des Ladevorgangs und die Rückgewinnung von Energie beim Bremsvorgang.
Im direkten Vergleich hinsichtlich der Energiedichte stechen vor allem die NMC- und NCA-Batterien positiv heraus, während LFP-Batterien eher bei Sicherheit, Preis, Ladegeschwindigkeit und Lebensdauer überzeugen. Beim Thema Sicherheit kann man vor allem die verhältnismäßig teuren NCA-Batterien als problematisch sehen, da hier Batteriebrände nicht vollends ausgeschlossen werden können, während die Brandgefahr bei LFP-Batterien bei einem Kurzschluss sehr gering ist.
Insgesamt ist die LFP-Batterie mit ihren Eigenschaften besonders für den innerstädtischen Verkehr und kleinere Autos geeignet. BYD setzt beispielsweise bei Stadtbussen auf die LFP-Technologie, aber auch Tesla, Daimler und VW werden in Zukunft Autos mit LFP-Batterien im Angebot haben. Aktuell sind in E-Autos in Europa vor allem NMC- und NCA-Batterien verbaut, mit dem primären Ziel, die Reichweite zu maximieren.
Batteriemarkt mit massiven Wachstumschancen
Zusätzlich wird schon seit vielen Jahren an sogenannten Feststoffbatterien geforscht, von denen man sich sowohl eine hohe Energie- und Leistungsdichte als auch ein hohes Maß an Sicherheit erhofft. Feststoffbatterien sollen frühestens ab 2024 auf den Markt kommen, allerdings gibt es hier neben der Kostenfrage auch noch diverse technologische Hürden, weshalb manche kritischeren Experten eine Einführung erst ab 2030 für realistisch halten.
Wie auch immer die Batterie der Zukunft aussehen wird, eines ist schon heute klar: Die Batterie ist ein Dreh- und Angelpunkt im Kampf gegen den Klimawandel – ein Markt, der aktuell noch in den Kinderschuhen steckt und über die nächste Dekade massive Wachstumschancen birgt. Eine ganze Reihe von Firmen und Industrien sind von diesem Trend betroffen – angefangen von Lithiumproduzenten wie Albemarle (Weltmarktführer bei Lithium-Verbindungen), über Batteriehersteller wie Samsung SDI, E-Automobilhersteller wie Tesla und auch Recyclingunternehmen wie Aurubis.
Philipp Stumpfegger, Analyst für Industrial Goods & Services, Automobiles & Parts & Materials, DJE Kapital AG