Die großen Zentralbanken in den USA und in Europa sind aktuell dabei, die Inflation durch zum Teil drastische Zinserhöhungen zu bekämpfen. Folglich sind auch die Zinserwartungen der Investoren im September massiv gestiegen. Aus unserer Sicht ist jedoch eine gewisse Übertreibung erkennbar. Wir rechnen nicht damit, dass die Zinsen von nun an weiter stark ansteigen werden. Zum einen, weil der Ölpreis ab Oktober keine so große Rolle mehr für die US-Inflation spielen dürfte. Zum anderen, weil die Energiekomponente im kommenden Jahr die Inflation sogar drücken könnte. Gleiches gilt auch für die Logistikkosten (Frachtraten).
Aus dem Blickwinkel der Geopolitik halten wir es nicht für vollkommen ausgeschlossen, dass es doch noch zu Verhandlungen im Russland-Ukraine-Konflikt kommen könnte. Ein nachlassender geopolitischer Druck würde sich zwar positiv auf die Märkte auswirken, könnte aber Öl und den US-Dollar stärker belasten.
Im Oktober halten wir eine vorübergehende Erholung am Aktienmarkt für möglich, hauptsächlich aufgrund der sehr negativen Markttechnik. Längerfristig bleibt das Umfeld für eine konjunkturelle Erholung allerdings schwierig: Die Energiekrise in Europa ist noch längst nicht gelöst und die Investitionslust der Unternehmen gebremst. Auf der Aktienseite sind wir daher weiterhin vorsichtig und streben danach das Risiko durch gezielte Umschichtungen von defensiven hin zu Wachstumswerten etwas zu reduzieren. Auf der Anleihenseite sehen wir weiter Chancen, etwa bei Investment Grade Anleihen (AA oder A) mit bis zu 5% Verzinsung.
Aktien/Anleihen
• Auf der Aktienseite sind wir weiterhin vorsichtig
• Fokus auf Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht
• Deutsche Staatsanleihen weiterhin unattraktiv
• Ausgewählte Unternehmensanleihen chancenreich
Aufgrund der sehr negativen markttechnischen Faktoren halten wir eine vorübergehende Erholung am Aktienmarkt im Oktober für möglich. Längerfristig bleibt das Umfeld aus unserer Sicht allerdings schwierig: Die Energiekrise in Europa ist noch längst nicht gelöst, während wir eine stärkere konjunkturstimulierende Investitionsneigung der Unternehmen nicht für realistisch halten, da bei den Unternehmen vielmehr die Schuldentilgung im Fokus stehen sollte. Insgesamt sind wir bei Aktien weiterhin vorsichtig.
Wir streben danach, das Aktienrisiko durch gezielte Umschichtungen von defensiven Werten, wie etwa Energie- oder Agrartitel, hin zu Wachstumswerten, wie z.B. Technologietiteln, etwas zu reduzieren. Auf der Aktienseite halten wir einen Fokus auf qualitativ hochwertige Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht unverändert für sinnvoll, da diese auch in einem wachstumsschwachen Umfeld solide Gewinne erwirtschaften können und somit langfristig voraussichtlich die beste Anlagealternative bieten.
Für Bonds ist die Anlegerstimmung unverändert im Keller. Die Volatilität war zuletzt am Anleihenmarkt sogar höher als die am Aktienmarkt. Wir glauben – im Gegensatz zur mehrheitlichen Marktmeinung – nicht, dass die Zinsen nach dem starken Anstieg der Zinserwartungen von nun an noch weiter ansteigen werden. Bei den festverzinslichen Wertpapieren halten wir deutsche Staatsanleihen nach wie vor für unattraktiv. Dagegen bieten ausgewählte hochwertige Unternehmensanleihen aus unserer Sicht weiterhin Chancen. Attraktiv sind vor allem Emissionen, die aktuell bis zu 5% Rendite oder mehr bringen.
Volkswirtschaften/Regionen/Sektoren
• USA attraktiv
• Geldmengenentwicklung in Asien generell besser
• China bleibt vorerst schwierig
• Deutschland und Europa günstig bewertet, aber gefährdet
Wir halten den US-Markt weiter für attraktiver als Deutschland und Europa, weil er aus unserer Sicht das bessere Chance-Risiko-Verhältnis bietet. China bleibt weiterhin schwierig einzuschätzen. Allerdings hat sich die Zinsdifferenz zu den USA verschoben, und daher dürfte China mit einem gewissen Zeitverzug von den niedrigeren Zinsen profitieren.
Darüber hinaus dürfte China auf den Immobiliensektor weiter stimulierend einwirken. Sollte China im kommenden Jahr die Wirtschaft stärker öffnen und damit die Zero-Covid-Strategie beenden, könnten Wirtschaft und Börse im Reich der Mitte überraschen. Die Geldmengenentwicklung ist in Asien generell weiterhin besser. Neben China hat auch Japan eine unverändert positive Überschussliquidität.
Der deutsche Markt ist aus unserer Sicht zwar günstig bewertet, aber die weiter steigenden Energiepreise bergen große Konjunktur- und Standortrisiken. Dem deutschen und europäischen Aktienmarkt gegenüber sind wir daher weiterhin vorsichtig eingestellt.
Den Energiesektor halten wir zwar für attraktiv, allerdings mit Einschränkungen. Auf der einen Seite ist das Energieangebot nicht von jetzt auf gleich steigerbar, weshalb die Energiepreise längerfristig auf hohem Niveau verharren dürften. Auf der anderen Seite könnte aber mit einer stärkeren kurzfristigen Korrektur zu rechnen sein, wenn es zu einer Verhandlungslösung im Russland-Ukraine-Konflikt kommt. Im Technologiesektor liegt möglicherweise das Schlimmste bereits hinter uns, wenn die US-Zinsen nicht noch weiter steigen.
Währungen/Rohstoffe/Gold
• Euro weiter belastet
• Gold könnte sich erholen
Der Euro dürfte durch die Entwicklung in Europa und hier vor allem in Deutschland die Energiepreisproblematik weiter belastet bleiben. Sollten sich die Ukraine und Russland allerdings an den Verhandlungstisch setzen, würde der nachlassende geopolitische Druck den Euro stützen. Das Anlegersentiment und die markttechnischen Daten sprechen für eine gewisse Erholung bei Gold.
Von Stefan Breintner, Leiter Research und Portfoliomanagement, DJE Kapital AG