Rohstoffe liefen aus Anlegersicht schon einmal besser. Aber seit Anfang 2022 ist, so scheint es, der Wurm drin. Produktion, Gewinne und Umsätze der Bergbau-Unternehmen sinken, nur die Kosten steigen. Der Sektor konsolidiert sich jedoch, und eine Bodenbildung ist absehbar. Außerdem kann das derzeitige Minenangebot bei einigen Metallen den Bedarf nicht decken. Das gilt in erster Linie für das Schlüsselmetall der Dekarbonisierung: Kupfer.
Rohstoffinvestments gehörten im bisherigen Jahresverlauf nicht zu den Favoriten an der Börse. Im Gegenteil: Unter den verschiedenen Subindizes des breiten europäischen Marktes (Stoxx 600) hat der Subindex Stoxx 600 Basic Resources mit etwa minus 16 Prozent sogar am schlechtesten abgeschnitten. Nach der Abkehr von der Zero-Covid-Politik erholt sich in China als wichtigstem Akteur am Rohstoffmarkt derzeit vor allem der Service-Sektor. Daten zur Rohstoffnachfrage aus den Sektoren Infrastruktur und Immobilien sind derzeit bestenfalls gemischt und lagen zuletzt auch unter den Erwartungen der Investoren. Letztendlich dürfte der Schlüssel für die Erholung der chinesischen Rohstoffnachfrage in einer sich verbessernden Entwicklung des Immobilienmarktes liegen. Mit Blick auf die kommenden Monate zeigte sich das weltweit größte Bergbau-Unternehmen BHP Billiton vor kurzem optimistisch, dass die Erholung kommen wird. Auf dem chinesischen Sekundärmarkt ziehen die Hausverkäufe bereits wieder an, und mit Zeitverzug dürfte dann auch die Neubautätigkeit zurückkommen. Nach Ansicht von BHP wird man den positiven Effekt der Stimulierungsmaßnahmen (unter anderem niedrigere Hypothekenzinsen) verstärkt im Jahr 2024 spüren.
Anfang 2022 war der Sektor in den meisten Anlegerportfolien übergewichtet. Das galt vor allem nach Ausbruch des Krieges zwischen Russland und der Ukraine, weil man stark steigende Preise bedingt durch eine Sanktionierung Russlands beim Export vieler Metalle bzw. Energierohstoffe erwartete. Allerdings hat sich herausgestellt, dass sich der Markt durch die Sanktionen nur bedingt beeinflussen ließ, da diese weniger wirksam waren als erhofft. Russland hat beim quantitativen Rohstoffexport kaum Einbußen hinnehmen müssen. So finden (Energie-)Rohstoffe inzwischen ihren Weg über Drittstaaten auch in die EU. Zudem wurden für die Energiewende notwendige Schlüsselmetalle wie Kupfer, Nickel oder auch Platin/Palladium überhaupt nicht sanktioniert. Zu diesen beiden Faktoren – einer ausbleibenden Angebotsverknappung und einer Erholung Chinas, die länger auf sich warten lässt als erwartet – kamen noch zunehmende Rezessionssorgen in der westlichen Welt. Dies hat zusammengenommen dazu geführt, dass viele Anleger ihre Positionen im Rohstoffbereich verkauft haben und nun untergewichtet sind.
Kosteninflation und operative Probleme der Firmen
Bei fast allen börsennotierten Metall- und Rohstoffproduzenten fallen seit einiger Zeit sowohl Produktions- und Kosten- als auch Umsatz- und Gewinnkennziffern überwiegend enttäuschend aus. So konnten einst wachstumsstarke Werte, wie beispielsweise Anglo American, im Jahr 2022 ihren Mengenoutput nicht mehr steigern und mussten zudem einen Kostenanstieg von meist mehr als zehn Prozent hinnehmen. Die Industrie spricht oft davon, dass sich die operativen Produktionsunterbrechungen in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt haben. Experten rechnen aus verschiedenen Gründen nicht mit einer Entspannung auf der Kostenseite: Zum einen wird die Geologie immer schlechter, das heißt, der Erz- bzw. Metallgehalt geht in den Gesteinsschichten zurück, was es schwerer macht, das Erz aus dem Gestein zu lösen und den Verarbeitungsprozess verteuert. Zum anderen ist der Arbeitsmarkt für qualifiziertes Personal angespannt, und schließlich sind Schlüsselressourcen wie Wasser oder Elektrizität oftmals knapp. Aus diesen Gründen dürften die Kosten der Rohstoffindustrie erhöht bleiben, auch wenn die vom Ölpreis abhängigen Inputfaktoren generell fallen. Derartige Stromprobleme beziehungsweise Stromrationierungen treten beispielsweise häufig in Südafrika auf, während Wasserprobleme in Schlüsselförderländern wie Chile (dort befinden sich etwa 25 Prozent der weltweiten Kupfer- bzw. 40 Prozent der globalen Lithiumreserven) ein großes Thema sind.
Ein Silberstreif am Horizont
Inzwischen sind alle Industriemetallpreise günstiger als zu Jahresbeginn. Dies ist zurückzuführen vor allem auf die Unsicherheit hinsichtlich des Ausmaßes und des Zeitpunkts der Erholung im wichtigsten Absatzmarkt China. Blickt man aber auf die zuletzt bereits stark zurückgekommenen Analystenschätzungen, erscheint es sehr realistisch, dass wir hier nun langsam einen Boden finden. Der Gegenwind für den Sektor aus negativen Gewinnrevisionen könnte daher bald nachlassen.
Kupfer ist das Schlüsselmetall der Dekarbonisierung
Neben der anhaltenden Urbanisierung, vor allem in Schwellenändern, sind die weltweiten Anstrengungen zur Dekarbonisierung der strukturelle Wachstumstreiber für viele Rohstoffe bzw. Metalle. Kupfer kann dabei als das weltweite Schlüsselmetall für die Energiewende gesehen werden und zählt neben Nickel zu den für die Transformation im Energie- und Transportsektor stark benötigten Materialien. Die Nachfrageperspektiven sind vielversprechend: Die jährlichen Installationen an erneuerbaren Energieerzeugungskapazitäten könnten sich bis 2030 mehr als vervierfachen, die Anzahl pro Jahr verkaufter Elektrofahrzeuge könnte bis 2030 um das 18-fache gegenüber dem Ausgangsjahr 2020 ansteigen. Der Ausbau erneuerbarer Energiekapazitäten geht einher mit einem notwendigen Ausbau der Stromtransportnetze. Wichtigster erster Gebrauch von raffiniertem Kupfer ist mit etwa 74 Prozent der sogenannte Gießwalzdraht: Dieser wiederum weist eine Marktsegmentierung von etwa 63 Prozent Energiekabel, 21 Prozent Magnetspulen, 15 Prozent Telekommunikationskabel und drei Prozent Spezialkabel aus (Rundungswerte). Aktuelle Prognosen führender Marktforschungsinstitute wie CRU, Wood Mac Kenzie, International Copper Association, gehen davon aus, dass bis 2030 von einer erwarteten Gesamtnachfrage von mehr als 30 Mio. t (2022: etwa 24 Mio. t) rund sieben Mio. t aus den Bereichen Energietransformation (Erneuerbare, EVs, Netzausbau) kommen werden. Diese zusätzliche Nachfrage kann aber durch ein Mehr an Minenproduktion nicht gedeckt werden, so dass man aus heutiger Sicht von einem Marktdefizit von rund vier Mio. t bis 2030 ausgeht.
Die Kupferversorgung ist weltweit ziemlich fragmentiert. Das Minenangebot für Kupfer liegt bei etwa 22 Mio. t. Das restliche Angebot kommt aus dem Recycling von Altkupfer, welches perspektivisch an Bedeutung gewinnen wird. Im Kupferrecycling gilt ein deutsches Unternehmen als weltweit führend. Dieses baut auch seine Recyclingkapazitäten unter anderem durch den Bau neuer Anlagen in den USA kräftig aus und hat damit in diesem Bereich eine sehr gute Langfristperspektive. Neue Kupferminenprojekte können hingegen nicht so schnell aus dem Boden gestampft werden: Große Bergbauunternehmen wie Anglo American oder Glencore verweisen darauf, dass die komplette Erschließung neuer Minen (vom Fund bis zur Produktion) heute etwa 15 bis 20 Jahre in Anspruch nimmt. Generell ist die Größe von neu entdeckten Vorkommen seit Anfang 1990 rückläufig. BHP Billiton prognostiziert, dass für zehn Mio. t zusätzliche Kapazität bis 2030 mindestens 250 Mrd. US-Dollar investiert werden müssen. Davon ist bis heute noch nicht viel zu sehen, was die Wahrscheinlichkeit eines längeren Marktdefizits erhöht, welches wiederum für hohe Kupferpreise spricht. Auch kurzfristig scheint der Kupferpreis nach einem Rückgang von drei Prozent in diesem Jahr aufgrund sehr niedriger Lagerbestände an der London Metal Exchange (18-Jahres-Tief, darüber hinaus die Hälfte russischen Ursprungs und daher für viele westliche Käufer problematisch) nach unten gut unterstützt.
Eisenerz ähnlich knapp – Weitere Sektorkonsolidierung voraus?
Auch für den seewärtigen Markt, das heißt auf dem Seeweg importiertes Eisenerz von qualitativ hochwertigem Eisenerz geht man in den nächsten Jahren von einer spürbaren Verknappung aus. Vor allem höherwertige Qualitäten (Fe >65 Prozent) sollten stark nachgefragt werden, da diese mit deutlich weniger Energieeinsatz geschmolzen werden können und somit beim Verarbeitungsprozess viel weniger CO2 anfällt. Der CEO des global führenden Eisenerzproduzenten VALE aus Brasilien, Eduardo Bartolomeo, verwies zuletzt auf der wichtigen Rohstoffkonferenz der Bank of America darauf, dass die meisten Investoren und Marktbeobachter völlig unterschätzen, was auf den globalen Eisenerzmärkten passiert. VALE geht davon aus, dass sich das jährlich verfügbare Angebot bis 2030 um rund 400 Mio. t bzw. um mehr als 25 Prozent der Gesamtkapazität verringern könnte. Der Grund dafür ist der fortschreitende Erzabbau in den wichtigsten Minen bei zu geringen Ersatzinvestitionen. Außerdem erhöhen sich vor allem bei Minen in Australien die Produktionskosten, da die Löhne qualifizierter Bergbauarbeiter derzeit um etwa 25 Prozent ansteigen. Ein beliebtes Mittel in der Industrie, um Reserven und Pipelines zu ersetzen, sind derzeit auch Übernahmen und Fusionen.
Fusionen und Synergien
Im Bereich der großen diversifizierten Konzerne ist derzeit der Fall Glencore/Teck Resources das prominenteste Beispiel. Glencore versucht aktuell, Teck Resources zu übernehmen und so seine Positionierung in den Segmenten Kupfer (Glencores CEO spricht von einem gigantischen „Dekarbonisierungs-Portfolio“) und Kohle weiter auszubauen. Ferner verspricht man sich von der Fusion hohe Synergien. Während der Ausgang dieser Übernahme noch offen ist, besteht wenig Zweifel, dass eine weitere große Übernahme im Sektor – allerdings im Goldbereich – Erfolg haben wird. So will Newmont Mining die australische Newcrest übernehmen und hat hierfür bereits vom Newcrest-Vorstand Unterstützung erhalten. Dieser Deal scheint auch von politischen Interessen geprägt, denn Newcrest besitzt mit Waifi Golpu in Papua-Neuguinea die größte unerschlossene Kupfer-Gold-Lagerstätte der Welt, und diese geht nun in amerikanische (und nicht in chinesische) Hand über. In der Vergangenheit hat Newmont mit der Integration großer Wettbewerber (Goldcorp) einen guten Job gemacht und mehr Synergien geliefert als erwartet.