Chancen
- Das veränderte Zinsumfeld: Chancen bieten sich bei Unternehmen, die vom geänderten Zinsumfeld profitieren wie beispielsweise Versicherungen oder Börsenbetreiber.
- Qualitätsunternehmen mit hohen Margen: Unternehmen, die neben hohen Margen auch eine geringe Verschuldung und hohe Preissetzungsmacht haben (beispielsweise aus dem Pharma- und Tech-/KI-Bereich), dürften bei der erwarteten Kennzahlen-Kontraktion outperformen.
- Energiesektor: Das fundamentale Umfeld ist weiter gut: unter anderem rückläufige Bohraktivität in den USA, Gasfeldschließungen in Israel.
- Region Japan: Hier herrscht ein relativ gutes Geldmengenwachstum, zudem ist Japan ein „nearshoring-Profiteur“. Japanische Titel sind in globalen Fonds nicht übergewichtet und analytisch gesehen nicht teuer.
- Emerging Markets: In ausgewählten Schwellenländern wie Mexiko oder Indonesien findet sich ein positives Chance-Risiko-Verhältnis.
- Anleihen ab Investmentgrade mit Laufzeit bis zu fünf Jahren.
Risiken
- Geldmengen: Die deutlich rückläufige Geldmengenaggregate M1 in den USA und Europa sehen wir als Risiko, aber es gibt immer noch viel Altliquidität, die stützt.
- Zinssenkungserwartungen: Die Erwartungen des Marktes für 2024 sind optimistisch: Der Markt hat bis heute nicht eingepreist, dass es bis Ende 2024 keine Zinssenkung um 50 Basispunkte geben könnte.
- Geldpolitische Straffung: Sie wirkt mit Zeitverzug. Das bedeutet, dass 2024 ein stärkerer Druck auf Unternehmensgewinne realistisch wird.
- Mögliche Verwerfungen in Teilen des Finanzsektors 2024 bei Mittelstandsbanken oder auch Finanzfirmen mit hohem Engagement in der Immobilienfinanzierung.
- Rezession: Eine tiefe und länger anhaltende Rezession in Deutschland und Europa sehen wir als mögliches Risiko, entsprechend vorsichtig sind wir bei Titeln/Aktien, die stark am deutschen beziehungsweise europäischen Binnenkonsum hängen.
- Vorsicht sehen wir geboten bei zyklischem Konsum generell (inkl. Luxus und Autos), Industrie, Immobilien und Banken mit hohem Engagement in der Immobilienfinanzierung.
Fundamental
- USA: Soft Landing wird immer unwahrscheinlicher
- Konjunkturrisiken in Deutschland und Europa nehmen weiter zu
- Verwerfungen sind in Teilbereichen des Finanzsystems denkbar
Die Kernfrage ist, ob es in den USA zu einer Rezession kommt oder nicht. Aktuell entwickeln sich die US-Unternehmensgewinne noch überwiegend gut, eine harte Landung ist nicht eingepreist. Die geldpolitische Straffung tangiert die Wirtschaft immer erst mit Zeitverzug, demzufolge könnten Gewinne und Margen der Unternehmen sowohl in den USA als auch in Europa 2024 stärker unter Druck geraten; ein Soft Landing der US-Wirtschaft wird zunehmend unwahrscheinlich.
Ein bis drei Jahre nach Ende der geldpolitischen Straffung kommt es oftmals zu Verwerfungen. Kreditausfälle – sie bedingen beides, Finanzinstabilität und Konjunkturrisiko – steigen bereits deutlich an, und die Kurve wird so schnell nicht nach unten gehen. Verwerfungen sind in Teilbereichen des Finanzsystems denkbar, sowohl bei Mittelstandsbanken mit größerem Anteil an Hypothekengeschäft oder auch Private-Equity-Gesellschaften.
Wenn es besonders bei den kleinen und mittelgroßen Banken zu einem Depositenabzug kommt, müssen die Banken Verluste (aus bis zur Endfälligkeit gehaltenen Papieren) realisieren und könnten damit in eine problematische Lage kommen. Die FED dürfte bei Problemen im Bankenbereich aber erst reagieren, wenn Großbanken in Schwierigkeiten geraten. Bei Rezession und Finanzinstabilität wird die FED reagieren.
Einen möglichen Anstieg der US-Arbeitslosigkeit dürfte die Notenbank hingegen in Kauf nehmen; auch wenn die US-Arbeitslosenquote 2024 auf fünf Prozent steigt, dürfte dies nicht zu Zinssenkungen durch die FED führen (eine stärkere Rezession hieße auch eher sieben bis acht Prozent Arbeitslosenquote).
Japan gehört zu den Regionen mit dem besten Geldmengenwachstum und einer guten Entwicklung der Unternehmensgewinne; japanische Einkaufsmanagerindizes rangieren ganz weit vorne im internationalen Vergleich. Europa und vor allem Deutschland könnten vor einer längeren Wachstumsschwäche stehen, die Konjunkturrisiken nehmen hier weiter zu.
Monetär
- Zeitverzug der geldpolitischen Straffung könnte sich 2024 zeigen
- Zinssenkung durch die Fed erst einmal unwahrscheinlich
- Rückgang der Globalisierung wirkt inflationär
Die lange Zeit sehr niedrigen Zinsen waren die Treiber für die Aktienmärkte; die Notenbanken haben die Inflationsthematik zu spät erkannt und zu spät reagiert. Dann aber hat die Geldpolitik sehr bestimmt mit der stärksten geldpolitischen Straffung in der Nachkriegszeit reagiert. Die Wirtschaft wird von solch einer Straffung immer erst mit Zeitverzug tangiert. Daher bleibt ein negativer Effekt auf Konjunktur und Finanzstabilität 2024 realistisch.
Die Kerninflation in den USA ist bei kurzfristiger Betrachtungsweise bereits im Zielkorridor; ausgeschlossen ist eine weitere Erhöhung des Leitzinses im November oder Dezember damit aber nicht – eine weitere Zinserhöhung in den USA im Dezember gilt sogar als wahrscheinlich. Nach dieser dürften die Leitzinsen dann länger auf diesem Niveau verharren. Aus unserer Sicht hat der Markt diese neue Realität noch nicht eingepreist. Im November 2024 findet die nächste US-Präsidentschaftswahl statt. Vermutlich wird die Fed in einem Wahljahr – wie so oft in der Vergangenheit – nichts machen. Dadurch sind Zinssenkungen der Fed im kommenden Jahr unwahrscheinlich. Dazu kommt: Das Ende der Globalisierung, wie wir sie bisher kannten, scheint unvermeidbar. Vor allem die Produktionsverlagerung nach China hat jahrelang deflationär gewirkt. Die Rückholung von Produktionsprozessen verstärkt aber nun inflationäre Tendenzen und spricht zusätzlich dafür, dass die Zinsen länger auf höherem Niveau bleiben können als allgemein erwartet.
Markttechnik
Das Sentiment ist kurzfristig unterstützend. Dafür sprechen mehrere antizyklische Gründe: der derzeit zu beobachtende Rückgang des Aktieninvestments im NAAIM Exposure Index (Indikator für das durchschnittliche Aktienengagement aktiver US-amerikanischer Fondsmanager), ein Anstieg des Put-Call-Ratios (PCR) in den USA (es werden mehr Verkaufs- als Kaufoptionen gekauft) und ein Rückgang im Fear & Greed Index (der misst, ob bei den Anlegern eher Furcht oder „Gier“ vorherrscht; ist der Markt zu optimistisch, also zu „gierig“, können schon kleine Enttäuschungen zu Abverkäufen führen, daher ist ein Rückgang dieses Verhältnisses positiv zu sehen). Die Markttechnik eröffnet damit aus unserer Sicht Chancen auf eine kurzfristige Erholung.