Aktien aus dem Segment der Hersteller von Elektrofahrzeugen (EV = electric vehicle) kamen zuletzt ebenso wie die meisten Firmen in der Batteriewertschöpfungskette stärker unter Druck: Im bisherigen Jahresverlauf 2024 gaben zum Beispiel die Aktienkurse der beiden weltweit führenden EV-Produzenten nach. Aufstrebende, börsennotierte Produzenten aus der zweiten Reihe verloren sogar mehr. Ein global stark zunehmender Wettbewerb, verbunden mit Preissenkungen, und eine sich abschwächende Nachfrage (schwache Konjunktur) sind die wesentlichen Gründe für die aktuelle Kursschwäche bei den Elektroautoherstellern.
Ein bekannter chinesischer E-Autohersteller löste sein noch bekannteres US-amerikanisches Pendant als weltgrößten Hersteller von E-Autos im vierten Quartal ab. Chinesische Produzenten konzentrieren sich derzeit eher auf ihren Heimatmarkt. Es ist jedoch zu erwarten, dass sie in Zukunft verstärkt ihr Augenmerk auf Europa richten werden. Die Kombination aus einer verbesserten Verfügbarkeit und einer sich – vor allem aufgrund niedrigerer Förder- beziehungsweise Kaufanreize – abschwächenden Nachfrage belastet jedoch die Preissetzungsmacht der E-Autohersteller. So senken Konzerne teilweise Preise für bestimmte Modelle um etwa vier bis elf Prozent.
Herausforderungen für die Elektromobilität und Kunden
Rückläufige Verkaufspreise sollten daher die Profitabilität der meisten E-Autohersteller belasten. Ohne entsprechende Kaufanreize dürfte die Nachfrage nach E-Autos in der westlichen Welt auch nicht so schnell wieder auf die (politisch gewollten) Wachstumspfade zurückkehren. Obwohl die Vorstandsvorsitzenden der führenden europäischen Automobilfirmen einheitlich betonen, dass es kein Comeback für Verbrennungsmotoren geben wird, berichteten zuletzt immer mehr Zulieferer über steigende Aufträge aus dem klassischen Verbrenner-Segment. Offenbar fällt vielen Kunden der Umstieg auf Elektrofahrzeuge nach wie vor sehr schwer.
Das schlägt sich auch bei Autovermietern nieder. Ein großer amerikanischer Autovermieter kündigte beispielsweise an, rund 20.000 Elektrofahrzeuge aus seiner US-Flotte (insgesamt 50.000 EVs) zugunsten von benzinbetriebenen Autos verkaufen zu wollen. Die Entscheidung spiegelt den Mangel an ausreichender Nachfrage nach Miet-EVs wider, wobei auch hohe Reparaturkosten für EVs dazu beitrugen.
Der Verlust aus dem Verkauf wird auf 245 Millionen US-Dollar geschätzt. Ursprünglich hatte der Autovermieter geplant, bis Ende des Jahres 25 Prozent seiner über 400.000 Autos großen US-Flotte in EVs umzuwandeln. Ein großer deutscher Autovermieter wiederum hat jüngst Geld mit Elektroautos verloren, weil der Restwert durch Preissenkungen des Herstellers leidet.
Herausforderungen wie die zusätzlichen Kosten für das Mieten eines Elektroautos und den komplexeren Ladevorgang vor allem für unerfahrene Nutzer haben diese Entscheidung beeinflusst. Vielen Kunden fehlen Erfahrungswerte hinsichtlich Wartung und Restwert sowie eine geeignete Ladeinfrastruktur, nicht nur unterwegs, sondern auch am Wohnort und am Arbeitsplatz, die insgesamt aber nur langsam oder gar nicht ausgebaut wird.
Chinas dominante Rolle im Elektroautomarkt
Mit knapp 39 Prozent verzeichnet China den höchsten Anteil an Elektrofahrzeugen unter den neu verkauften Autos. Es folgen Europa mit etwa 23 Prozent und die USA mit etwa neun Prozent. China bildet hier eine Ausnahme, da die Verkäufe von staatlicher Seite mit vielfältigen Mitteln und Methoden wie unter anderem mit Subventionen und bevorzugter Zulassung unterstützt werden. Hinzu kommen die dominante Position des Landes in der Batteriewertschöpfungskette und das Ziel, die Abhängigkeit von Ölimporten zu reduzieren. In China wächst der Markt für E-Autos daher mit einer ganz anderen Dynamik. Im Jahr 2023 stiegen die Fahrzeugverkäufe in China um zwölf Prozent auf einen neuen Rekordwert von 30,09 Millionen Einheiten und übertraf damit die ursprüngliche Wachstumsprognose von drei Prozent (Zum Vergleich: Verkäufe in den USA beliefen sich auf etwa 15 Millionen Einheiten).
Darin enthalten ist ein deutlicher Anstieg der Auslandsverkäufe um 58 Prozent auf 4,91 Millionen Einheiten. Damit hat China Japan (mit 3,99 Millionen Einheiten) als führender Fahrzeugexporteur überholt. Die wichtigsten Exportmärkte für China waren zuletzt Russland und Mexiko, aber auch die Lieferungen nach Belgien und Thailand nahmen deutlich zu. Aktuelle Daten zeigen, dass chinesische Verbraucher zunehmend Elektrofahrzeuge bevorzugen, einschließlich rein batteriebetriebener Fahrzeuge und Plug-in-Hybriden. Dies geht zu Lasten von Verbrennern. Wie intensiv der Wettbewerb unter den E-Auto-Marken auf dem chinesischen Markt ist, zeigt die Einführung von rund 100 neuen EV-Modellen durch lokale Unternehmen.
Die immense Zahl an neuen Anbietern, die Angst vor einer Margenverschlechterung durch Preissenkungen bei verschiedenen Modellen, in Kombination mit einer sich abschwächenden Konjunktur in China, belastent auch den Marktführer in China. Obwohl die inländische Nachfrage weiterhin steigen dürfte, wird die Branche mit drei großen Herausforderungen auf der Angebotsseite konfrontiert sein: Überkapazitäten, der Einführung neuer Modelle und dem Eintritt neuer Technologieanbieter in den Automobilmarkt. Um die Überkapazitäten zu exportieren, wurden verschiedenen Berichten zufolge zahlreiche Schiffe gechartert und mehr als 150 neue große Autotransporter in Auftrag gegeben. Der höhere Exportanteil könnte dazu beitragen die Profitabilität mancher Hersteller zu steigern, auch wenn sie Preise anvisieren, die zehn bis 20 Prozent niedriger sind als die ihrer Konkurrenten auf den westlichen Absatzmärkten.
Zuletzt hatte ein großer chinesischer Hersteller zudem auch angekündigt, Konkurrenzmodelle im höherpreisigen Segment auf den Markt zu bringen, die gezielt Teile des Absatzmarktes von zwei deutschen Premium-Autoherstellern in China angreifen und ein höheres Margenprofil aufweisen.
Europäische Automobilhersteller im intensiven Wettbewerb
Eine Ausweitung des Konflikts um Marktanteile wäre klar negativ für die europäischen Automobilhersteller, allen voran für deutsche Firmen. Europäische Autobauer haben oft sehr hohe Umsatzanteile in China (teilweise über 50 Prozent). Derzeit liegen die Einfuhrzölle für Elektrofahrzeuge in der EU bei zehn Prozent und in den USA bei 27,5 Prozent, und der Automobilsektor macht 16 Prozent des EU-Exports nach China aus. Ein großer deutscher Hersteller hat bereits deutlich Marktanteile in China verloren. Ein chinesischer Hersteller hat auch vor, ein Werk in Südungarn zu eröffnen, wodurch mögliche Beschränkungen umgangen werden könnten: Schätzungen zufolge würden die Produktionskosten pro Fahrzeug in einem osteuropäischen Werk wie Ungarn nur um etwa 1.000 US-Dollar höher liegen als in China. Ein weiteres Vordrängen der chinesischen Produzenten hätte erhebliche Auswirkungen auf die Margen der europäischen Hersteller, die eine höhere und unflexiblere Kostenbasis haben und bei vergleichbaren Modellen rund 10.000 Euro Verlust pro Fahrzeug einfahren würden.
In den letzten Jahren haben sich auch einige Neuankömmlinge in Chinas Elektroautobranche etabliert. Einer davon hat seinen Fokus auf den heimischen Markt gerichtet, insbesondere auf Plug-in Hybride im High-end Preissegment. Obwohl dieser Markt kleiner ist, bietet er interessantere Margen.
Mit Blick auf die Überkapazitäten in China werden Erinnerungen an die ehemalige deutsche Solarindustrie wach. Es wird schwierig bis unmöglich für die deutschen OEM-Autoproduzenten, hier erfolgreich zu konkurrieren, zumal die Designs der Chinesen attraktiv sind. Dazu kommt noch der Technikvorsprung des bekannten amerikanischen Herstellers in der Produktion, gepaart mit maximal ambitionierten Expansionsplänen.
Für Anlegerinnen und Anleger bedeutet dies: Es bleibt auch in naher Zukunft viel Bewegung in diesem Sektor, und Chancen und Risiken liegen dicht beieinander.
Von Hadi Saad und Dr. Mirko Wormuth, Analysten im Research und Portfoliomanagement bei der DJE Kapital AG