So kurz vor Ende des Jahres scheint es, als wäre unsere vorsichtige Haltung gegenüber riskanten Anlagen durchaus gerechtfertigt gewesen. Durch den Ausverkauf im Oktober gerieten viele Bereiche des Marktes unter Druck. Schwellenländerwährungen und Rohstoffe fielen zeitweise auf mehrjährige Tiefs. Überdies gab es Anzeichen für eine Trendwende an den Hochzinsanleihemärkten, denn neben auslaufenden Spreads kehrte sich der Kapitalfluss in die Anlageklasse um. In dieser Jahreszeit sind Turbulenzen an den Märkten zwar nichts Ungewöhnliches. Dennoch stellen sich Anleger die Frage, ob derartige Kursbewegungen wohl Schlimmeres verheißen als nur ein kurzes herbstliches Frösteln. Unseres Erachtens liegt in den beiden makroökonmischen Themen Wachstum und Geldpolitik der Schlüssel, um zu verstehen, wie es weitergehen könnte.
Das weltwirtschaftliche Klima gibt zweifellos Rätsel auf angesichts der regional großen Unterschiede. Im Grunde geht es um die Frage, ob davon auszugehen ist, dass die stärkeren Volkswirtschaften langfristig den schwächeren über die Durststrecke helfen werden. Unter den Industrieländern verzeichnen Großbritannien und die USA eine positive wirtschaftliche Dynamik. Die Meldungen aus der Eurozone bescheinigen der Region jedoch unisono eine schwache Konjunktur, gekennzeichnet durch ein stagnierendes Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und eine jährliche Inflationsrate von nur 0,4%. Die Volkswirtschaften der Schwellenländer leiden indes unter der deutlichen Konjunkturabkühlung in China. Das Wachstum der Industrieproduktion ist im August fast auf den niedrigsten Stand seit sechs Jahren gefallen, die Immobilienverkäufe sind dramatisch eingebrochen und der Handelsüberschuss schrumpft.
Europa steht derweil an einem äußerst spannenden Scheideweg. Um die Inflation zu bekämpfen und das Wachstum anzukurbeln, hat die Europäische Zentralbank (EZB) einen negativen Einlagenzins sowie ein Programm zum Ankauf von ABS (forderungsbesicherte Wertpapiere) und Covered Bonds (gedeckte Schuldverschreibungen) beschlossen. Wiederholt hat die EZB bekräftigt, der Umfang der Anleihenkäufe könne sich auf bis zu 1 Billion Euro belaufen. Damit könnten die Karten für Europa neu gemischt werden. Bislang ist der Markt aber noch nicht überzeugt, dass dies ohne zusätzliche, umfangreiche Staatsanleihenkäufe gelingen kann. Das wiederum wirft altbekannte Fragen auf, die bereits im Zusammenhang mit dem Rettungsschirm gestellt worden waren und neben der Zielsetzung auch die Rechtmäßigkeit und die Reaktion der deutschen Politik betreffen. Im Moment könnten die bereits angestoßenen Maßnahmen zusammen mit der Unterstützung durch sinkende Ölpreise ausreichen, um das Wachstumstempo zu beschleunigen. Dennoch müssen wir für den Fall einer positiven wie negativen Überraschung gewappnet sein.
Die konjunkturelle Lage in den USA könnte unterschiedlicher nicht sein, wenngleich auch sie mit gewissen Problemen behaftet ist. Dabei geht es weniger um die Stärke (angesichts eines Wachstums über der Trendrate) als vielmehr um ungenutzte Kapazitäten. Die größte Unsicherheit liegt in der Frage, inwieweit die US-Notenbank (Fed) die positiven Entwicklungen am Arbeitsmarkt – sinkende Arbeitslosenquote, rund 230.000 neue Stellen, voraussichtliche Lohnerhöhungen bei kleinen Unternehmen – als Anlass für einen kurzfristigen Kurswechsel in der Geldpolitik sieht. Die Beteuerung der Fed-Chefin Janet Yellen, die Zinsen „für eine beachtliche Zeit nahe null“ zu lassen, hält die Nervosität zwar im Zaum, die „Stunde der Wahrheit“ rückt jedoch zweifellos näher. Groß ist vor allem die Sorge, der Ausstieg aus der dritten quantitativen Lockerung (Quantitative Easing, QE) könnte erhebliche Turbulenzen an den Märkten und eine deutliche Schwäche heraufbeschwören, genau wie am Ende von QE1 und QE2.
Langfristig dürften sich ein weltwirtschaftlicher Aufschwung und eine Rückkehr zu einem auf Fundamentaldaten basierenden Anlageansatz zwar positiv auf Anlagen in Aktien auswirken. Kurzfristig steuern wir unsere Risikopositionen und den taktischen Einsatz der Cash-Position in unseren Portfolios jedoch mit gewisser Vorsicht. Einige „Angstbarometer“ tendieren zwar in letzter Zeit nach oben. Die Volatilitätsniveaus bewegen sich indes in fast jeder Anlageklasse nach wie vor im unteren Bereich ihrer historischen Bandbreiten. Daher ist logischerweise mit einem Anstieg zu rechnen. Dabei lehrt uns die Erfahrung, dass bei verstärkter Volatilität häufig auch die Kurse unter Druck geraten, was Chancen eröffnet, aber auch Risiken mit sich bringt.
Die Marktausschläge im Oktober könnten auf eine Trendwende hindeuten. Die aktuelle Hausse am Aktienmarkt ist sowohl was ihre Dauer als auch ihren Umfang anbelangt im Vergleich zu früheren Bullenmärkten durchaus ungewöhnlich. Aktien erleben ausgehend von dem Tiefstand im Jahr 2009 die längste und umfassendste Rally seit 30 Jahren (siehe Abbildung).
Markt stößt in bislang unbekanntes Terrain vor.