Das Interview: John Bennett

John Bennett erörtert in diesem Interview seinen Ausblick für 2015 für Unternehmen aus der Eurozone, die mit schwacher Inflation und niedrigem Wirtschaftswachstum kämpft. Zudem erläutert er die Bedeutung der Titelauswahl im aktuellen Konjunkturumfeld. Janus Henderson Investors | 11.02.2015 15:36 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Können die Unternehmen ihre Gewinne weiter steigern? 

John Bennett: Aus meiner Sicht ist es wichtig, erst einmal zu reflektieren, an welchem Punkt des Zyklus wir uns gerade befinden.

Nach der Finanzkrise hatten viele Unternehmen zunächst erfolgreich ihre Kosten gesenkt. Anschließend sanierten sie geschickt ihre Bilanzen, indem sie die niedrigen Anleihezinsen nutzten, um ihre Finanzierungskosten herunterzufahren. Mithilfe von Aktienrückkäufen konnten sie zudem ihren Gewinn je Aktie steigern. Was jedoch auffällt, ist das nur mäßige Umsatzwachstum. Nur wenigen Unternehmen gelingt es, ein kontinuierliches Absatz- und Umsatzplus zu erzielen. 

Gibt es solche Unternehmen wirklich? 

John Bennett: Ja, sicher. Das Problem dabei: Der Absatz lässt sich nur über ein erstklassiges Produkt- bzw. Serviceangebot oder über eine stark steigende Gesamtnachfrage in der Wirtschaft erhöhen, wobei es in Europa leider  vor allem an Letzterem mangelt.. 

Was den Umsatz anbelangt, tun sich die Unternehmen schwer, angesichts des intensiven Wettbewerbs höhere Gewinne zu generieren. Ein gewisses Lohnwachstum, technologische Neuerungen und die Globalisierung sorgen für Abwärtsdruck auf die Margen. 

Ein schon häufig von mir wiederholter Glaubenssatz ist der, dass die Gewinne zum Mittelwert zurückstreben. In wettbewerbsintensiven Märkten ist das der Grund, warum Unternehmen mit Eintrittsbarrieren den Markt überflügeln werden.

Haben deshalb viele Ihrer Bestände einen so starken F+E-Fokus?  

John Bennett: Heute gilt, wer sich nicht bewegt, überlebt nicht. Ständige Innovationen sind das A und O. Genau deshalb finde ich die Gesundheitsbranche auch weiterhin attraktiv. Zwar sind ihre Bewertungen nicht gerade günstig, aber Jahr für Jahr bringt  sie neue Produkte auf den Markt. Zudem handelt es sich bei ihnen im Vergleich um defensive Aktien.

Geht es der Wirtschaft schlecht, lässt sich der Kauf eines neuen Fernsehers aufschieben. Die Ausgaben für die Gesundheit steigen tendenziell jedoch jedes Jahr an, was vor allem mit der weltweiten Alterung der Bevölkerung zu tun hat.

Sind Sie also ein Fan von langfristigem Wachstum?


John Bennett:
 Wer wäre das nicht? Langfristige Wachstumschancen aufzuspüren hilft, die Überzeugung in einen Anlagewert zu untermauern. 

Deshalb strebe ich bedeutende Aktienpositionen an und setze auf starke Themen in meinen Portfolios. Aus diesem Grund mag ich z.B. Hersteller intelligenter Komponenten für Autos. In der Automobilbranche vollzieht sich zurzeit ein großer Wandel: Technologie wird in Autos immer wichtiger, vor allem mit Blick auf die Sicherheit und aus neuen Bestimmungen zum effizienteren Kraftstoffverbrauch resultieren ebenfalls spannende Anlagechancen.

Teilen Sie die Einschätzung, dass Aktien aus Europa mehr Wertpotenzial haben als ihre Pendants in anderen Regionen?


John Bennett:
 Viele vertreten momentan die Meinung, dass sich die USA an einem fortgeschritteneren Punkt des Konjunkturzyklus befinden, also einem Zenit näher sind, während die günstigeren Bewertungen europäischer Aktien dem Umstand geschuldet sind, dass die europäische Wirtschaft immer noch auf Sparflamme läuft. Da ist durchaus was dran, aber meines Erachtens sollten wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass die Aktienmärkte allein von Wirtschaftswachstum angetrieben werden. Das ist Blödsinn. 

Würde allein das BIP-Wachstum die Kurse antreiben, hätten China-Aktien in den letzten zwei Jahrzehnten boomen müssen. Dem ist aber nicht so, denn der MSCI China Kursindex notiert heute kaum höher als 1997. 

Natürlich sind hier wesentlich mehr Faktoren am Werk. Einer, den wir nicht außer Acht lassen können, ist die enge Beziehung zwischen den Aktienmärkten. 

US-Aktien haben einen Anteil von rund 50% an den weltweiten Aktienindizes. Geben die Kurse von US-Aktien kräftig nach, sind die günstigen Bewertungen europäischer Aktien keinen Pfifferling mehr wert.

Macht Sie die massive Unterstützung der Märkte durch die Zentralbanken nervös?  


John Bennett:
 Ja und nein. Ja, weil wir zu abhängig vom Eingreifen von dieser Seite sind und Abhängigkeiten nie ein gutes Ende nehmen. Und nein, weil das Fluten der Märkte mit Liquidität über quantitative Lockerungen vor allem Aktien zugutekommt. 

Gehen Sie also davon aus, dass sich Aktien aus Europa 2015 positiv entwickeln werden?


John Bennett:
 Aus meiner Sicht erscheint der Bullenmarkt langsam etwas überzogen. Ohne ein beschleunigtes Umsatzwachstum, das sich in höheren Gewinnen niederschlägt, ist ein Anstieg an den Aktienmärkten nur mithilfe steigender KGVs möglich.  

Aktuell ist die Europäische Zentralbank bestrebt, der Eurozone jede nötige Unterstützung zukommen zu lassen und  wie 2012 gezeigt hat, kann das funktionieren. Aber damals waren Aktien wesentlich günstiger und der Zyklus noch nicht so weit fortgeschritten. 2015 könnte es daher aus meiner Sicht zu deutlich höheren Schwankungen kommen. Anleger sollten sich also auf schwierige Märkte gefasst machen.  

Und genau aus diesem Grund ist die Titelauswahl meines Erachtens so wichtig. Indem wir die Stärken und Schwächen eines Unternehmens verstehen, können wir versuchen, uns in guten wie in schlechten Zeiten besser aufzustellen als der Gesamtmarkt. 

John Bennett ist Co-Manager des Henderson European Focus Fund und des Henderson European Selected Opportunities Fund.

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