Großbritannien steht als Finanzzentrum gut da...

...hoffentlich auch noch nach den Wahlen. Andrew Formica, CEO von Henderson Global Investors, mit einem Kommentar zu der am 7. Mai stattfindenden Wahl zum Unterhaus in Großbritannien. Janus Henderson Investors | 01.05.2015 08:26 Uhr
Andrew Formica, CEO, Henderson Global Investors / ©  Henderson Global Investors
Andrew Formica, CEO, Henderson Global Investors / © Henderson Global Investors
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Als gebürtigem Australier fällt mir manchmal auf, dass die Briten dazu neigen, ein Glas eher als halb leer denn als halb voll zu bezeichnen. Dieser Hang zeigt sich auch, wenn es um die bevorstehenden Parlamentswahlen geht.

Vor sechs Monaten haben sich die allermeisten Firmenchefs hierzulande in gleicher Manier über die britische Wirtschaft geäußert. Ja, hieß es, Großbritannien befinde sich auf dem Weg der Erholung. Dann wurde jedoch schnell hinzugefügt, man mache sich riesige Sorgen wegen der Wahlen. Es könne enorme politische Ungewissheit entstehen, wurde gesagt. An den Börsen werde es womöglich zu starken Schwankungen kommen und die Anleger würden vielleicht ihr Geld zurückhalten.

Bisher ist das alles nicht passiert. Das Pfund und britische Staatsanleihen haben geschwächelt, doch beileibe nicht übermäßig stark. Der Aktienmarkt notiert weiter auf Rekordständen. Meiner Ansicht nach zeugt das von den Anstrengungen, die im ganzen Land von einzelnen Individuen, von Unternehmen und nicht zuletzt von der Koalitionsregierung unternommen worden sind, um die Wirtschaft nach der Finanzkrise wieder flott zu bekommen. Auch Notenbanken und Regulierungsbehörden haben ihren Teil dazu beigetragen.

Das britische Statistikamt ONS erhöhte seine Wachstumsschätzung für 2014 kürzlich auf 2,8%. Die öffentlichen Finanzen bewegen sich langsam in die richtige Richtung und das Defizit wird in diesem Jahr wohl noch auf 4% des Bruttoinlandsprodukts sinken. Das ist halb so viel wie auf dem höchsten Stand. Die Inflationsrate ist niedrig, und die Gewinne der Unternehmen steigen. Im Sozialhilfe- und im Bildungsbereich sind langfristige Reformen eingeleitet worden.

Auch der Finanzdienstleistungsbranche geht es wieder besser. Der Bankensektor wurde rekapitalisiert, die Aufsichtsbehörde hat energisch gegen Fehlverhalten durchgegriffen und die Reprivatisierung von Lloyds, der größten britischen Bank, wird wohl bald abgeschlossen sein.

Großbritannien konnte seine Wettbewerbsvorteile weiter ausbauen. In meiner eigenen Branche, der Anlageverwaltung, konnte das Land seine Position als weltweite Nummer 2 (nach den USA) mit einem verwalteten Vermögen von fast 7 Billionen Pfund festigen. Wir reden dabei nicht nur von London. Auch in anderen Städten wie Edinburgh, Liverpool und Bristol spielt die Asset-Management-Branche eine wichtige Rolle. Viele Firmen, darunter auch Henderson, verwalten inzwischen so hohe Summen für ihre Kunden wie nie zuvor.

Laut offiziellen Zahlen haben die Asset Manager zwischen 2009 und 2013 rund 3.000 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, und der Trend dauert an. Einer Schätzung von CityUK zufolge beträgt die Zahl der Beschäftigten in der Branche, administrative Bereiche mitgerechnet, inzwischen etwa 50.000, mit weiter steigender Tendenz. Durch das Trainee-Programm „Investment 2020“, das mittlerweile von 32 Anlageverwaltungsgesellschaften unterstützt wird, versucht die Branche zudem, dem Nachwuchs interessante Berufschancen zu bieten.

So erfreulich die Erholung der Wirtschaft sein mag, so wichtig ist es, dass wir nicht in Sorglosigkeit verfallen. Vonseiten der Politik drohen zweifellos weiterhin Risiken. Seit der Finanzkrise herrscht immer noch eine verständliche Feindseligkeit gegenüber der Finanzbranche, und alle, die dort tätig sind, müssen ihren „Nutzen für die Gesellschaft“ demonstrieren. Wir müssen noch mehr tun, um alle politischen Parteien davon zu überzeugen, dass ein starker Asset-Management-Sektor auch die Wirtschaft insgesamt stärkt – durch Schaffung von Wohlstand, eine effiziente Kapitalallokation und Geldflüsse in die Steuerkasse.

Es ist beispielsweise enttäuschend, dass die Konservative Partei nun plötzlich nicht nur den steuerbegünstigten Höchstbetrag bei der Altersvorsorge drastisch senken, sondern auch Steuererleichterungen für Besserverdienende streichen will. Labour-Partei und Liberaldemokraten verfolgen ähnliche Pläne. Solche Strafmaßnahmen machen das gesamte System der Beitragszahlungen komplizierter und weniger sicher. Blicken wir nur einmal nach Australien. Dort beruht der Erfolg des Rentensystems großenteils auf seiner Verlässlichkeit und darauf, dass alle Parteien an einem Strang ziehen. Es wird nicht immer wieder daran herumgebastelt wie in Großbritannien.

Andere Vorhaben sind ebenfalls beunruhigend. So will die Labour-Partei ein, wie sie es nennt, „steuerliches Schlupfloch für Hedgefonds“ schließen. In der Praxis würde das bedeuten, dass beim Rückkauf von Fondsanteilen jedes Mal Gebühren anfallen. Die Kosten müssten große ebenso wie kleine Anleger – nicht nur Hedgefonds – tragen, und auch die relativ gering verdienenden Beschäftigten in der Fondsadministration hierzulande wären betroffen.

Die Konservative Partei sollte überdies aufpassen, wie sie mit dem Thema Europa umgeht. Ein Referendum über den Verbleib in der EU ist schön und gut, aber ein Ausscheiden Großbritanniens aus dem Binnenmarkt wäre ein Riesenfehler. Wir sind das Tor zu Europa, und die Regeln der EU ermöglichen Asset Managern mit Sitz in Großbritannien den Vertrieb ihrer Produkte an rund 500 Millionen Bürger. Es wäre ein schwerer Fehler, darauf künftig zu verzichten.

Wie das Referendum über die schottische Unabhängigkeit gezeigt hat, ist durchaus damit zu rechnen, dass die Börsen nervös reagieren, wenn der Wahltermin 7. Mai näher rückt. Das gilt besonders dann, wenn eine Pattsituation im Parlament zu befürchten ist, die am Ende zu einer schwachen oder wirtschafts- beziehungsweise börsenfeindlichen Regierung führen könnte. Das Verschleppen wichtiger Entscheidungen, etwa über den Flughafenausbau, wäre eine mögliche Folge. Einstweilen hoffe ich jedoch, dass am Ende die Vernunft siegen wird. Ich selbst bin für die britische Wirtschaft und Großbritannien als Finanzzentrum weiter optimistisch. Langfristig hat sich diese Einschätzung immer bestätigt. 

Andrew Formica, CEO, Henderson Global Investors

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