Seit sechs Jahren wächst die Weltwirtschaft wieder, nachdem sie 2009 mühsam den Weg aus der Rezession fand. Eine durchaus beachtliche Leistung, bedenkt man die harten Austeritätsprogramme, den massiven Schuldenabbau, die Krisen in der Eurozone, die Konjunkturabkühlung in China und zuletzt den Einbruch der Rohstoffpreise. Über Langeweile konnten Fondsmanager in den letzten sechs Jahren sicher nicht klagen. Aber während die Wirtschaft ihren Erholungskurs vor allem dank der Liquiditätsspritzen der Zentralbanken fortsetzt, fordern die oben genannten widrigen Umstände ihren Tribut: So ist das Tempo der Erholung bislang insgesamt enttäuschend. Das schlägt sich auch in den Konjunkturprognosen des Konsens nieder: Seit Anfang 2011 revidieren führende Volkswirte ihre Schätzungen zum Weltwirtschaftswachstum mehr oder weniger durchgängig nach unten.
Grafik 1: Korrektur der Konsensprognosen zum globalen BIP (%)
Kennzeichnend für die Erholung nach der Krise ist auch ihr holpriger Verlauf, der in den ungleichen Entwicklungen in den Industrie- und den Schwellenländern am deutlichsten zutage tritt. Von der Finanzkrise und der Rezession stärker gebeutelt, erholen sich die Industrieländer nun schneller als die Schwellenländer. Für Erstere könnte 2015 zum Jahr mit dem kräftigsten Wachstum seit 2010 und zum ersten Jahr werden, in dem die Wirtschaft in allen G10-Ländern wieder wächst. Ganz anders sieht es in den aufstrebenden Volkswirtschaften aus. Dort könnte sich 2015 zum Jahr mit dem schwächsten Wirtschaftswachstum seit sieben Jahren entpuppen.
Eine Welt der drei Geschwindigkeiten
Natürlich ist die zwischen den Industrie- und Schwellenländern aufgehende Konjunkturschere nur ein Teil der Geschichte. Denn auch innerhalb dieser beiden Gruppen tun sich erhebliche Unterschiede auf. Um die vielschichtige makroökonomische Entwicklung rund um den Globus möglichst sinnvoll erfassen zu können, unterteilen wir die Länder in folgende drei Hauptgruppen:
- Länder mit erholter Volkswirtschaft wie Großbritannien und die USA, die nicht länger auf die Unterstützung der Zentralbanken angewiesen und offenbar stark genug sind, steigende Zinsen zu verkraften.
- Länder mit sich erholender Volkswirtschaft, die auf dem Weg der Besserung sind, aber noch am Tropf der Notenbanken hängen. Hierzu gehören die Eurozone, Japan und Südkorea.
- Länder mit anfälliger Volkswirtschaft, gezeichnet von schwächelnder Konjunktur, prekärer Haushaltslage, angeschlagener Glaubwürdigkeit ihrer politischen Institutionen oder einer Kombination aus den genannten Faktoren. Zu dieser Gruppe zählen neben Griechenland die meisten Schwellenländer.
Geldpolitik geht getrennte Wege
Wie nicht anders zu erwarten, zieht eine so stark auseinanderlaufende Konjunkturentwicklung auch eine divergierende Geldpolitik nach sich. Während sich die Zentralbanker in den Ländern mit erholter Volkswirtschaft vorrangig mit der Frage beschäftigen, wann sie den Zinshebel umlegen sollen, sehen sich ihre Kollegen in anderen Ländern mit schwerwiegenderen Problemen konfrontiert. Müssen sie doch vor allem den ins Stottern geratenen Konjunkturmotor wieder zum Laufen bringen bzw. das zarte Pflänzchen der Erholung am Leben halten. Und das nicht selten in einem unter strukturellen Problemen und Schwächen leidenden Finanzsystem. Von einer Zinsstraffung sind diese Länder noch meilenweit entfernt.
Alles wie gehabt
Nach wie vor schlägt der Weltwirtschaft also ein rauer Wind entgegen. Aber immerhin wächst sie, ist auf dem Weg der Gesundung und befreit sich nach und nach aus dem Würgegriff der weltweiten Finanzkrise. Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzt. Allerdings unterbrochen immer wieder von Rückschlägen, wenn Schwächen im Finanzsystem an die Oberfläche drängen wie zuletzt in China und Griechenland. Zu den positiven Nebeneffekten dieser Erholung der drei Geschwindigkeiten gehört der weltweit weiterhin verhaltene Inflationsdruck. Er gibt den Zentralbanken den nötigen Spielraum, ihre außergewöhnlich lockere Geldpolitik noch lange fortzuführen. Was bedeutet, dass die Erholung zwar verglichen mit früheren Aufschwüngen verhaltener und holpriger vonstattengeht, dafür aber auch die Chance besteht, dass sie länger andauern könnte.
Das alte Lehrbuch hat ausgedient (mehr oder weniger)
Für die ungleichmäßige Erholung der Weltwirtschaft fehlt es den Finanzmärkten indes an einem Drehbuch, an dem sie sich orientieren könnten. So sind konjunkturelle Bezugsrahmen, üblicherweise die wichtigsten Instrumente der Asset-Allokatoren, kaum von Nutzen, wenn der Erholungsverlauf so unterschiedlich ist wie aktuell, der Schuldenabbau so enorme strukturelle Kräfte freisetzt und die Gelddruckmaschine der Zentralbanken auf Hochtouren läuft. In solchen Zeiten können die Lehrbücher im Regal bleiben. Stattdessen waren und sind die Asset-Allokatoren gezwungen, sich den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Ferner müssen sie ihre Modelle neu justieren und der Geld- und allgemeinen Politik sowie den Geldströmen in und aus Anlageklassen künftig mehr, den Konjunkturindikatoren indes weniger Beachtung schenken.
Drei zentrale Themen
Viele der oben beschriebenen Merkmale des gesamtwirtschaftlichen Ausblicks dürften noch länger Bestand haben, doch für die vor uns liegenden Monate sehen wir eine zentrale Entwicklung, die die Finanzmärkte nachhaltig beeinflussen könnte: die bevorstehende Zinswende der US-Notenbank Fed. In diesem Zinsschritt, dem sich die Bank von England anschließen dürfte, sehen wir das Signal eines Regimewechsels mit der zu Ende gehenden Ära der Geldschwemme durch die Zentralbanken und dem Übergang in eine Welt mit etwas weniger Liquidität, dafür aber etwas mehr Wachstum. Vor diesem Hintergrund heben wir drei zentrale, unsere aktuelle Asset-Allokation prägende Themen hervor:
- Niedrige Renditen aus Anleihen im Anzug. Festverzinsliche Wertpapiere haben wie keine andere Anlageklasse vom Zusammenspiel aus Liquiditätsflut und schwachem Wachstum profitiert. Unter dem sich ändernden Makroumfeld dürften sie folglich am meisten leiden. Drei Jahre ist es her, seit die Renditen von US-Anleihen mit zehn Jahren Laufzeit ihren Tiefpunkt markierten. Auch die Renditen anderer Festzinsanlagen dürften nach unserer Einschätzung die Talsohle durchschritten haben. Künftig ist also bestenfalls mit moderatem Ertrag aus Bonds zu rechnen.
Grafik 2: Dividendenrenditen und Anleiherenditen im Vergleich
- Aktien sind auch künftig die erste Wahl. Auf mittlere Sicht erwarten wir ansehnliche Erträge aus Aktien, die allerdings nicht mehr ganz mit den durch die Geldpolitik getriebenen Niveaus der letzten Jahre Schritt halten werden. In der aktuellen Zyklusphase ist die Gewinndynamik zum wichtigsten Kurstreiber für Aktien geworden. Wir haben deshalb unsere Präferenz zugunsten der Eurozone und Japan verschoben. Mit Blick auf die Schwellenländer bleiben wir auf der Hut.
- Volatilität mit steigender Tendenz. Mit ihren konzertierten Lockerungsmaßnahmen ist es den großen Zentralbanken in den Jahren nach der Finanzkrise gelungen, die Schwankungen an den Finanzmärkten spürbar einzudämmen. Aber seit etwa zwölf Monaten beobachten wir einen Anstieg der Volatilität bei vielen Finanzanlagen, der sich unseres Erachtens fortsetzen wird. Wir stellen uns daher auf wiederkehrende Rückschläge bei Risikoanlagen und ein günstigeres Umfeld für Absolute-Return-Strategien ein. Schließlich sind Letztere in der Lage, Volatilität schnell in Gewinne umzumünzen.
Wir befinden uns demnach in einer, wenn auch nicht lehrbuchhaft verlaufenden Erholungsphase, in der sich die Wirtschaft beleben könnte, die Inflation aber verglichen mit früheren Aufschwungphasen weniger zum Tragen kommt. Sie könnte sich vielmehr in einem sporadischen Hochschnellen der Vermögenspreise bzw. stärker lokal bemerkbar machen. Ähnliche Entwicklungen in der Vergangenheit sowie ökonomische Lehrbücher können nach wie vor eine gewisse Orientierung bieten. Aber in einer Welt der zunehmenden Divergenz, Entschuldung und beispiellosen Eingriffe der Zentralbanken haben sie an Relevanz verloren. Wir rechnen jedenfalls mit Überraschungen und Schwankungen. Aber auch mit vielen Gelegenheiten, den Wert unserer Portfolios über eine dynamische Asset-Allokation zu steigern.