e-fundresearch.com: Welche Lehren ziehen Sie aus den Entwicklungen in diesem Jahr?
Tom Ross: Die zunehmende Regulierung der Finanzbranche und ihre Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben selbst uns mit unserer konservativen Einschätzung überrascht. Und zwar nicht nur wegen der Auswirkungen auf die Liquidität, sondern auch wegen der zunehmenden Differenzierung der Anleger mit Blick auf die Sektoren des Anleihemarktes. Der Umgang mit Liquidität – oder vielmehr mit fehlender Liquidität – in unserem Markt ist wichtiger Bestandteil unserer Strategie seit der Auflegung des Henderson Credit Alpha Fund. Er hat uns überdies geholfen, die Klippen der Finanzkrise 2008 zu umschiffen. 2015 hat sich die Liquidität weiter verschlechtert. Erstaunlicherweise betraf dies aber eher Bereiche mit niedrigeren Renditen wie das europäische Investment-Grade-Segment und nicht wie zu erwarten gewesen wäre die Bereiche mit höherem Beta.
Unsere Erwartungen übertroffen hat auch der Einfluss der Solvency II-Bestimmungen auf die Nachfrage nach Titeln mit BBB-Rating im Vergleich zu solchen mit A-Rating und auf europäische Wertpapiere mit längeren Laufzeiten. Zusammen mit der geringeren Liquidität hatte dies eine deutlich schwächere Performance von Bereichen wie Real Estate Investment Trusts (REITs) zur Folge, obwohl sich die Kreditqualität dieser Papiere nicht merklich verschlechtert hat.
e-fundresearch.com: Sind Sie heute optimistischer oder pessimistischer als vor einem Jahr und warum?
Tom Ross: Für eine auf längere Sicht positive Einschätzung zu den Kreditmärkten gibt es gute Gründe. Zum Beispiel sind die Bewertungen heute attraktiver als vor einem Jahr. Andererseits könnten sich die Marktschwankungen kurzzeitig fortsetzen und sich infolgedessen im Spätjahr 2016 bessere Einstiegspunkte bieten.
Für Anleger mit einer Long/Short-Strategie sehen wir mehrere Gründe, die einen optimistischen Ausblick rechtfertigen. Mit der richtigen Auswahl von Long-Positionen können die Vorteile weiterer Spreads genutzt werden. Darüber hinaus gehen mit den zunehmenden titelspezifischen Risiken verstärkt Chancen einher, von Short-Positionen selbst in Europa zu profitieren, wo die Kreditbedingungen freundlicher sind.
e-fundresearch.com: Was sind aus Ihrer Sicht die Kernthemen für die Kreditmärkte?
Tom Ross: Die Bedingungen an den Kreditmärkten in den USA und Europa stehen sich derzeit diametral entgegen. In der Vergangenheit finden sich nur wenige Beispiele, in denen sich diese beiden Märkte in so unterschiedlichen Zyklusphasen mit so gegensätzlichen Merkmalen befunden haben. In den USA ist das Angebot an Neuemissionen groß, die hier häufig zur Erhöhung des Fremdkapitalanteils eingesetzt werden. In Europa ist es dagegen gering und wird vor allem zur Refinanzierung genutzt. Gleichzeitig tritt in den USA die Nachfrage seitens der Anleger auf der Stelle, während dem europäischen Markt bisher mehr als 10 Milliarden Euro zugeflossen sind. Schließlich hat der europäische Markt bislang in diesem Jahr eine bessere Performance verbucht als sein US-Pendant, denn der US-Markt leidet derzeit unter dem hohen Anteil des Energiesektors. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie stark die Bewertungsunterschiede auseinanderlaufen und wie lange sie bestehen bleiben können. Nach unserer Einschätzung wird sich der aktuelle Trend im kommenden Jahr fortsetzen, den wir daher genau im Auge behalten werden.