Chinas neues Erwachen

Simon Ward, Chefvolkswirt, Henderson Global Investors, über geldwirtschaftliche Trends in China und die Folgen für andere Staaten: Janus Henderson Investors | 29.01.2016 08:35 Uhr
Simon Ward, Chefvolkswirt, Henderson Global Investors / ©  Henderson Global Investors
Simon Ward, Chefvolkswirt, Henderson Global Investors / © Henderson Global Investors
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Auch 2015 lieferten geldwirtschaftliche Trends wieder aufschlussreiche Signale, auf die Experten ihre Einschätzungen und Prognosen stützen konnten. Als monetärer Frühindikator der Wirtschaftsentwicklung eignet sich am besten die reale, sprich inflationsbereinigte Geldmenge M1, definiert als Bargeldumlauf plus Sichteinlagen. In der Eurozone verzeichnete diese Kennzahl Ende 2014 einen soliden Zuwachs, während sie in China stagnierte. Daraus konnte gefolgert werden, dass die Ängste vor einer Rezession in der Eurozone unbegründet waren, wohingegen China ein scharfer Abschwung bevorstand.

In den USA wurde Anfang 2015 ein kräftiges Wachstum der realen Geldmenge registriert, das sich jedoch im Jahresverlauf kontinuierlich abschwächte. Man konnte darin ein Warnsignal sehen, dass die Konjunktur im zweiten Halbjahr an Kraft verlieren würde. Entsprechend mehrten sich die Zweifel, dass die US-Notenbank (Fed) die Zinsen bis zum Herbst anheben würde.

Auswirkungen auf die Geldpolitik

Die größte Veränderung erlebte 2015 China. Dort bewirkte die Lockerung der Geldpolitik, dass sich die reale Geldmenge M1 im Frühjahr erholte und später im Jahr kräftig anstieg. Unter Berücksichtigung des typischen zeitlichen Vorlaufs von neun Monaten zwischen realer Geldmenge und Konjunktur ist anzunehmen, dass China ab Anfang 2016 eine schwungvolle wirtschaftliche Erholung erleben wird.

An den Börsen herrscht Unsicherheit über das Tempo, mit dem die Fed die Zinsen anheben wird. In den USA wuchs die reale Geldmenge Ende 2015 nur schwach, allerdings nahm das Momentum wieder zu. Dies könnte auf ein weiterhin geringes Wachstum der amerikanischen Wirtschaft im ersten Halbjahr 2016 hindeuten, was der Fed Zinserhöhungen in sehr gemächlichem Tempo erlauben würde.

In der Eurozone wurde Ende 2015 ein anhaltend kräftiges Wachstum der realen Geldmenge registriert. In den zwölf Monaten bis zum 4. Quartal dürfte das BIP-Wachstum bei etwa 1,5% gelegen haben. Das bedeutet ein Wachstum über dem langfristigen Trend – so geht beispielsweise der IWF für 2015-2016 von einem Trendwachstum von 1,0% p.a. aus. Aktuelle geldwirtschaftliche Daten lassen für 2016 ein ähnlich hohes oder höheres BIP-Wachstum erwarten.

Eine Erholung in China wäre für andere Schwellenländer ein wichtiger positiver Faktor. Zudem ist in den meisten dieser Staaten ein solider Anstieg der Geldmenge M1 zu beobachten – Ausnahmen sind Brasilien und Russland. Das aggregierte Geldmengenwachstum in den großen Schwellenländern, den „E7“, war Ende 2015 höher als in den sieben wichtigsten Industriestaaten („G7“), nachdem es seit 2011 überwiegend niedriger gewesen war. In der Vergangenheit haben Schwellenländeraktien tendenziell immer dann besser abgeschnitten als Aktien aus Industriestaaten, wenn das reale Geldmengenwachstum in den E7-Staaten über dem in den G7-Staaten lag.

Was könnte falsch laufen?

Ein Risiko ist, dass selbst eine bescheidene Zinsanhebung der Fed das Wachstum der Geldmenge M1 in den USA weiter bremsen könnte, was eine schwache US-Konjunkturentwicklung im späteren Jahresverlauf bedeuten würde. Ein weiteres Risiko besteht in einem möglichen Comeback der Inflation. Ende 2015 stieg die weltweite Kerninflation, also die Teuerungsrate ohne Nahrungsmittel- und Energiekosten, auf den höchsten Stand seit sieben Jahren. Die unbereinigte Inflation könnte überraschend scharf anziehen, sollte eine wirtschaftliche Erholung in China für einen Wiederanstieg der Rohstoffpreise sorgen.

Das globale Wachstum der realen Geldmenge bewegte sich Ende 2015 auf solidem Niveau. Es lag über dem Wachstum der Produktionsleistung, was darauf schließen lässt, dass „überschüssige“ Liquidität zur Unterstützung der Märkte zur Verfügung steht. Dies alles sind gute Gründe, um eher optimistisch ins Jahr 2016 zu starten. Anleger sollten allerdings die monetären Trends in den USA genau beobachten und auf ein mögliches Anziehen der Inflation gefasst sein.

Simon Ward, Chefvolkswirt, Henderson Global Investors

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