Ganz gleich, wie die Volksbefragung ausgeht, eins steht fest: Mit jedem Tag, den der Volksentscheid näherrückt, wird die Sorge der Anleger zunehmen – und mit ihr die Marktschwankungen. Anlagestrategien wie der unsrigen eröffnet das durchaus Chancen.
Längere Phase der Verunsicherung
Die anstehende Volksbefragung ist die dritte große politische „Standardsituation“ in Großbritannien in weniger als zwei Jahren. Die beiden davor waren das Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands im September 2014 und die vermeintlich auf des Messers Schneide stehenden Parlamentswahlen im Mai 2015. Beide wurden von großer Verunsicherung an den Märkten begleitet und beide waren Phasen, in denen wir starke Renditen für unsere Anleger einfahren konnten. Denn unsere auf Long- und Short-Positionen setzende Strategie versetzt uns in die Lage, sowohl in steigenden wie in fallenden Märkten positive Renditen für unsere Anleger zu erzielen.
Das hatten wir doch schon mal
Standardsituationen wie diese folgen einem bestimmten Muster: Ungeachtet der massiven medialen Aufmerksamkeit in den Monaten vor der Abstimmung schlägt die Angst der Anleger – besonders jener von außerhalb der Insel – erst wenige Wochen vor dem Urnengang so richtig zu. Aber bei den beiden vorausgegangenen Ereignissen war der wahrscheinliche Ausgang weit weniger unsicher, als uns Medien und Meinungsforscher weismachen wollten. Denn letztlich stimmten die Schotten mit deutlicher Mehrheit gegen die Unabhängigkeit, während sich die Briten bei den Parlamentswahlen für die Beibehaltung des Status quo statt für die linksgerichtete Oppositionspartei entschieden. Kaum jemand hatte indes kommen sehen, dass die Tories die Wahlen mit einer so satten Mehrheit gewinnen würden. Damit wollen wir zwar nicht den Eindruck erwecken, Anleger wären gut beraten, traditionelle Meinungsumfragen links liegen zu lassen. Aber möglicherweise gibt es doch bessere Quellen, die man für Prognosen zum anstehenden Volksentscheid zurate ziehen kann.
Eine faire Wette?
Aus unserer Sicht verlässlichere Quellen zur Beurteilung des Abstimmungsverhaltens sind seit Jahren Websites von Online-Wettanbietern wie Betfair. Zufälligerweise war dessen Aktie auch eine gute Wahl für unser Portfolio, ist doch ihr Kurs kräftig nach oben geschnellt. Das macht sie nicht nur zu einer guten Anlage, sondern auch zu einem guten Anlage-Tool. Zurzeit liegt die implizite Wahrscheinlichkeit, dass die Angelsachsen in der EU bleiben, nach den Wetten auf Betfair zu schließen bei 70%. Dagegen hat die jüngste Umfrage der Meinungsforscher von YouGov ergeben, dass gerade einmal 40% für einen Verbleib stimmen würden. Nicht berücksichtigt ist dabei allerdings der recht hohe Anteil der Nichtwähler und der Unentschlossenen, wie das nachstehende Schaubild zeigt.
Chance
Zwar ist der Ausgang des EU-Referendums alles andere als sicher. Aber die Zahlen von Betfair legen doch den Schluss nahe, dass die Briten – mit komfortabler Mehrheit – für die weitere Mitgliedschaft in der EU votieren werden. Wie bei den beiden vorherigen Abstimmungen wird das aber auch diesmal Schwankungen an den Märkten kaum verhindern können. Ein flexibler Ansatz und das aufmerksame Beobachten von (verlässlichen) Anzeichen für den Ausgang der Volksbefragung dürften sich daher als kluge Anlagestrategie erweisen.
Vor und nach der Abstimmung bieten sich Anlegern aller Voraussicht nach vor allem in den beiden nachstehenden Bereichen attraktive Möglichkeiten, in denen wir die Entwicklungen ganz genau beobachten und versuchen werden, von irrationalen Marktbewegungen und -verwerfungen zu profitieren:
Pfund Sterling: In der aktuellen Schwäche der britischen Währung spiegelt sich die politisch unsichere Lage im Vereinigten Königreich wider. Ein möglicher Brexit könnte dazu führen, dass die eine oder andere ausländische Direktinvestition in den kommenden Monaten erst einmal auf Eis gelegt wird. Das würde das Pfund weiter schwächen. Anleger könnten davon über „Short“-Positionen auf Unternehmen mit höheren Einfuhrkosten wie etwa Firmen aus den Branchen Lebensmittel- und Bekleidungseinzelhandel profitieren. Nutznießer sind dagegen möglicherweise in Großbritannien notierte Unternehmen, die einen hohen Prozentsatz ihres Gewinns im Ausland erwirtschaften (Die Unternehmen im FTSE 100 erzielen 74% ihres Umsatzes gemessen am Endverbrauchermarkt außerhalb des Königreichs). Ein lohnendes Investment könnten demnach „Long“-Positionen auf ausgewählte Unternehmen sein, die einen besonders hohen Anteil ihrer Umsatzerlöse in einer Fremdwährung generieren.
Schottland: Die Möglichkeit, dass die Briten für einen Brexit stimmen, könnte nationalistischen Strömungen in Schottland Auftrieb geben. Vor allem nach dem erdrutschartigen Sieg der Schottischen Nationalpartei bei den Parlamentswahlen im letzten Jahr. Anleger könnten daher (nach der britischen EU-Abstimmung) ein zweites Unabhängigkeitsreferendum in Schottland befürchten. Im Fall eines Erfolgs wäre durchaus denkbar, dass das dann unabhängige Schottland einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft stellt. Vor der Volksbefragung 2014 hatten viele in Schottland ansässige Banken und Vermögensverwalter gedroht, ihren Geschäftssitz nach England zu verlegen. Eine Refinanzierung hoch verschuldeter Bilanzen wäre die Unternehmen in diesem Fall teuer zu stehen gekommen. Aber auch „gestrandete“ Unternehmen wie Versorger hätte es hart getroffen, hätte eine eher linksgerichtete Regierung über Preiskontrollen deren Margen doch mächtig unter Druck gesetzt. Sollten sich also die Sorgen um den Brexit als berechtigt erweisen, könnten „Short“-Positionen auf diese Unternehmen ebenfalls eine attraktive Anlagechance sein.
* Quelle: Citigroup, 30. Juni 2015