Das Interesse an Equity Long/Short-Fonds ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen und es sind erhebliche Summen in diese Fonds geflossen. Wie ist das zu erklären?
John Bennett: Meines Erachtens hat es wenig Sinn, Mutmaßungen über die Richtung der Märkte anzustellen – am Ende lassen die Börsen uns (oder jedenfalls diejenigen, die solche Vorhersagen treffen) doch immer nur wie Narren dastehen. In den vergangenen Jahren waren die Anleger allerdings mit einer unerfreulichen Kombination aus überzogenen Aktienbewertungen, hoher Volatilität und extrem mageren Renditen konfrontiert. Es überrascht deshalb nicht, dass sich das Interesse vieler Investoren auf Absolute-Return-Strategien gerichtet hat – diese haben schließlich das Potenzial, nicht nur in steigenden, sondern auch in fallenden Märkten stetige Erträge zu erwirtschaften. Solange die Aktienkorrelationen weiterhin niedrig sind, sollte das Umfeld für Equity Long/Short-Fonds, die den Schwerpunkt auf das Stockpicking legen, günstig bleiben.
Worin unterscheidet sich Ihre Tätigkeit als Fondsmanager eines Long/Short-Fonds im Alltag von anderen Strategien?
John Bennett: Man darf keine Verluste machen. Geschieht das doch einmal, muss man sofort reagieren, also beispielsweise die Mittel des Fonds nutzen, um das Exposure zu verringern. Man muss nicht voll investiert sein wie bei einem Long-Only-Fonds, und wir sind auch gegen einen Ansatz, der sich das Motto „alles oder nichts“ auf die Fahnen schreibt. Wenn wir nicht der Ansicht sind, dass der Markt unser Engagement honoriert (oder noch honorieren wird), können wir sowohl das Netto- als auch das Brutto-Engagement herunterfahren, und von dieser Möglichkeit machen wir übrigens sehr rege Gebrauch.
Meines Erachtens betonen zu viele Long/Short-Fonds das Nettoengagement stärker als das Brutto-Engagement. Dahinter steckt vermutlich die Hoffnung, dass Short-Positionen in schwierigen Zeiten Verluste, die durch Long-Positionen entstehen, wettmachen können. Die Wertentwicklung von Hedgefonds im Jahr 2008 und in den letzten zwei Jahren erinnert uns an die mit Leverage verbundenen Gefahren – wir haben keine Angst, auch einmal untätig zu bleiben und unser Brutto-Engagement zu verringern, wenn dies erforderlich ist.
Wie wurde Ihre Performance im vergangenen Jahr von den globalen Ereignissen und Marktentwicklungen beeinflusst?
John Bennett: Es war kein einfaches Jahr. Der Markt wurde zunehmend schizophren, es gab erhebliche politische Turbulenzen, und auch das weltweite Tauziehen zwischen Inflation und Deflation spielte eine wichtige Rolle. Hinzu kam ein negatives Sentiment in einem für den Fonds besonders wichtigen Bereich, dem Gesundheitssektor. Gründe dafür waren Wahlkampfaussagen zu den Arzneimittelpreisen in den USA, aber auch mehrere enttäuschende operative Ergebnisse in dem Sektor.
Als Stockpicker, die ihre Entscheidungen äußerst selektiv treffen, erleben wir immer wieder solche Phasen. Es kommt dann darauf an, dass man an seinen durch fundamentale Analysen gewonnenen Einsichten festhält und aus Fehlern lernt, aber seiner Überzeugung treu bleibt, wenn die fundamentalen Fakten eine klare Sprache sprechen. Glücklicherweise konnten wir durch eine Senkung des Brutto-Engagements die Verluste trotz dieses kurzfristigen Bremseffekts begrenzen. Für einige unserer wichtigen Themen, besonders die Gesundheitswerte und Autozulieferer, sind wir immer noch optimistisch, und das auch noch für die nächsten Jahre.
Wie sollte das Portfolio eines guten Long/Short-Fonds aufgeteilt sein?
John Bennett: Die Frage lässt sich nicht so allgemein beantworten, eine ideale Aufteilung gibt es nicht. Mein Ansatz hat sich über verschiedene Marktzyklen entwickelt, seit ich 1998 angefangen habe, Equity Long/Short-Strategien zu managen. Auch wenn ich nicht immer richtig liegen werde, bin ich doch zufrieden mit dem Grad der Volatilität und der Höhe der Rendite, die meine Anleger erzielen. Unser Portfolio besteht zum einen aus der langfristigen thematischen Komponente (typischerweise 65-75% des Fondsvermögens) und zum anderen aus Positionen, mit denen wir gezielt spezifische Gelegenheiten nutzen (25-35%). In beiden Bereichen können Long- ebenso wie Short-Positionen aufgebaut werden. Darüber hinaus können Index-Futures und Optionen eingesetzt werden, um das Fondsvermögen bei Marktturbulenzen zu schützen.
Wie beurteilen Sie die weiteren Aussichten für die Börsen?
John Bennett: Wir erwarten ein schwieriges Umfeld für die Weltwirtschaft und bleiben vor überzogenen Bewertungen auf der Hut.
Anleger sollten genau hinhören, ob sich in der Diskussion über Inflation und Deflation der Tonfall ändert: Man stelle sich vor, zu welchen Verwerfungen es kommen könnte, sollte die Inflation tatsächlich ein Comeback erleben.
Warum sollte ein Anleger heute in eine Equity Long/Short-Strategie investieren?
John Bennett: An den Aktienmärkten der westlichen Länder hat sich der Anstieg der Bewertungen angesichts der extrem mageren Anleiherenditen fortgesetzt. Dieser Prozess wird zwar möglicherweise noch einige Zeit andauern, aber uns beschleicht ganz einfach Unbehagen bei Kurs-Gewinn-Verhältnissen von über 20 für Titel der Kategorien „beständiges Wachstum“, „Dividendenzahler“ und/oder „geringe Volatilität“. Ein Equity Long/Short-Fonds hat die Möglichkeit, sich an die jeweiligen Marktbedingungen anzupassen (hauptsächlich durch Kontrolle des Marktengagements) und somit die Korrelation mit den Aktienmärkten zu begrenzen. Die Risiko-Rendite-Merkmale eines ausgewogenen Portfolios sollten dadurch insgesamt verbessert werden. Das Ergebnis muss über einen vollen Marktzyklus beurteilt werden.