Worauf basierte die Rally bei europäischen Aktien 2017?
John Bennett: Ich denke, wir müssen unser Verständnis vom Ausmaß dieser Rally ändern. Dabei ist die jeweilige Währung ausschlaggebend. Sterling-Anleger in Europa haben sicherlich profitiert. Nicht nur im letzten Jahr oder seit Anfang 2017. Die letzten fünf Jahre waren für sterlingbasierte Anleger fulminant. Das Pfund Sterling hat stark an Wert eingebüßt und gibt weiter nach. Euro-Anleger in Europa mussten sich bis dato in diesem Jahr hingegen mit einstelligen Renditen zufriedengeben.
Was ist der Grund dafür?
John Bennett: Wie immer gibt es unterschiedliche Kräfte, aber vor allem kommt es auf die Gewinne an. In einigen früher eher enttäuschenden Sektoren haben sich die Gewinne gut entwickelt. Das gilt beispielsweise für Banken. Ich habe mich stets gewundert, dass einige Anleger meinen, abwarten zu müssen, bis der Sektor sich vollständig beruhigt hat, bevor sie wieder einsteigen. Das ist kein Erfolgsrezept beim Investieren. Man muss vielmehr einsteigen, wenn noch ein gewisses Risiko vorhanden ist. Vermutlich haben Anleger oder die Verantwortlichen für asset allocation nach der Wahl in Frankreich gemeint, das politische Risiko in Europa wäre verschwunden. Die vorstehend erwähnten Faktoren haben ein Umfeld geschaffen, in dem man sich bei der asset allocation wieder auf Europa zurückbesonnen hat.
Glauben Sie, dass das so bleiben wird?
John Bennett: Ich denke, dass es in Europa noch Luft nach oben gibt. Der alte Kontinent holt weiter auf. Ich teile allerdings nicht die Ansicht der Manager europäischer Aktienfonds, die davon ausgehen, dass sich die Bewertungslücke zwischen Europa und den USA vollständig schließen wird. Wenn ich mir aber die Bewertung von US-Aktien und die Bewertung europäischer Aktien ansehen, muss eine von beiden falsch sein. Wenn US-Aktien auf dem aktuellen Niveau angemessen bewertet sind, dann wird es in Europa noch lange weiter aufwärtsgehen.
Werden europäische Banken ein Anlagethema bleiben?
John Bennett: Ich denke, Banken werden unter einer wichtigen Voraussetzung weiterhin ein Anlagethema bleiben. Und diese betrifft die Form der Renditekurve, die mir als Bankanleger und Fondsmanager Sorgen macht, dessen Portfolio vor allem auf Value ausgerichtet ist. Ich bin sehr beunruhigt über die niedrige Inflation und deren Auswirkungen auf die Anleiherenditen. Ich denke, dass Banken sich weiter nach oben begeben werden. Die Aktienkurse markieren aktuell auf 12-Monatshoch, die sie ohne Unterstützung durch die Anleiherenditekurve erreicht haben, sondern nur durch Gewinne, Restrukturierung und den so dringend benötigten Kapitalaufbau. Banken haben soeben das dritte Quartal in Folge mit soliden Gewinnen beendet. Das ist ein Grund zum Feiern, nachdem die Gewinne im Bankensektor eine lange Durststrecke hinter sich haben, die zehn Jahre gedauert hat. Diese scheint nun zu Ende zu sein. Daher glaube ich nicht, dass die erfreuliche Rückkehr der Bankgewinne und der Bankaktienkurse zum Mittelwert nach nur einem Jahr vorbei ist.
Was begeistert Sie als stock picker?
John Bennett: Derzeit halte ich über 30% in Finanzwerten, vorwiegend in Banken. Ich kann also wirklich nicht sagen, dass Banken mich nicht interessieren. Ich war immer für Vorsicht im europäischen Bankensektor, habe inzwischen aber meine Meinung geändert. Wenn ich mich für eine Bank entscheiden müsste, würde ich ABN Amro wählen. Die Regierungsbildung in den Niederlanden dürfte wahrscheinlich bald abgeschlossen sein. Das wird voraussichtlich ABN Amro den Weg zu einer glänzenden Performance ebnen. Ich bin überzeugt, dass die solide Verfassung der niederländischen Wirtschaft ein großer Vorteil ist. Außerdem gefällt mir, dass sich die Unternehmensführung auf die Kapitalbildung konzentriert. Zudem halte ich die Bewertung für attraktiv. Daher ist ABN Amro im Bankensektor meines Erachtens auf kurze Sicht recht attraktiv.
Abseits des Bankensektors zählt die finnische Nokian Tyres bei einem längeren Anlagehorizont zu meinen Favoriten. Ich habe mich gerade erst mit dem Management getroffen und wir haben vor Kurzem Anteile des Unternehmens gekauft. Ich gehe nicht unbedingt davon aus, dass die Titel im Laufe dieses Jahres noch eine nennenswerte Performance erzielen werden. Aber für mich ist vor allem die Kapitalrendite bei Reifenherstellern wichtig. Nokian hat früher alles vom Fernsehgerät bis zu Gummistiefeln hergestellt. Mich interessiert jedoch das Reifengeschäft und die Spezialisierung auf Winterreifen, wobei ein großer Teil der Produktion in Russland erfolgt. Derzeit baut das Unternehmen ein neues Werk in Amerika. Wenn ich mir die erwartete Kapitalrendite nach Fertigstellung und Inbetriebnahme des Werks (voraussichtlich 2020) ansehe, gefällt mir das Profil sehr gut. Es bietet für jeden Geschmack etwas.
Beeinflusst der Brexit Ihre Haltung?
John Bennett: Meine Ansicht zum Brexit und dessen Einfluss auf meine Haltung ist dieselbe wie bereits im Vorfeld des Austrittsvotums. Ich ignoriere ihn einfach. Und er beeinflusst meine Haltung in keiner Weise.