"Europa verfügt über gut regulierte Finanzmärkte für alle wichtigen Branchen, angefangen von Bergbau über produzierendes Gewerbe, Einzelhandel und Banken bis hin zu Technologie. Die Tiefe und Breite der europäischen Märkte mit ihren Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern bieten Investoren eine Fülle attraktiver Anlagechancen.
Seit der Finanzkrise, die 2007 mit dem Zusammenbruch des US-Subprime-Hypothekenmarkts (Markt für Kredite an Schuldner mit fragwürdiger Bonität) ihren Anfang nahm, musste Europa mit grossen politischen wie wirtschaftlichen Herausforderungen zurechtkommen. Schnell erreichte die Krise Europa und zog weite Teile der Region in Mitleidenschaft, insbesondere Länder mit eigenen Schuldenproblemen wie
Griechenland. Seitdem hat sich viel getan: So hat die Politik in Europa beherzte Massnahmen für einen Schuldenabbau ergriffen und tief greifende Reformen gerade im Bankensektor vorangetrieben, um solche Krisen künftig zu vermeiden.
Europa überholt die USA
Auf dem alten Kontinent hält die Konjunkturerholung an. Überall in der Region beschleunigt sich das Wirtschaftswachstum. An ihrer Unterstützung nach einer langen Phase mit rekordniedrigen Zinsen hält auch die Europäische Zentralbank fest. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres hat Europa – wie bereits im Gesamtjahr 2016 – die grösste Volkswirtschaft der Welt, die USA, überflügelt. Dennoch sind die Bewertungen an den Aktienmärkten (Aktienkurse) weder im langjährigen Vergleich noch gegenüber den USA übertrieben. Auch verglichen mit Anleihen (Kredite an Staaten oder Unternehmen) sind Aktien gemessen am Ertragspotenzial attraktiv bewertet.
Weitere Schützenhilfe der EZB
Die EZB unter Präsident Mario Draghi lässt auch weiter keinen Zweifel daran, dass sie alles tun wird, um Wachstum und Stabilität zu fördern. Hierzu hat sie seit 2007 grosse Summen in den Markt gepumpt, wie Grafik 1 zeigt.
Grafik 1 – Stimulusmassnahmen der EZB (in Mrd. EUR)
Bei den Interventionen der Zentralbank handelt es sich hauptsächlich um aussergewöhnliche geldpolitische Massnahmen wie das laufende quantitative Lockerungsprogramm. Jeden Monat kauft die EZB Anleihen im Wert von derzeit 60 Mrd. EUR. Diese Käufe dürften Anfang 2018 enden oder zumindest langsam reduziert werden. Diese quantitativen Lockerungen haben verbunden mit extrem niedrigen Zinsen und Direktkrediten an Banken geholfen, das Wachstum anzukurbeln, das allerdings nur langsam auf Touren kommt.
Wirtschaft und Aktienmarkt sind nicht das Gleiche
Für Zuversicht in die langfristigen Aussichten europäischer Unternehmen gibt es gute Gründe. Aber auch die Risiken sollten Anleger nicht aus dem Auge verlieren. Dazu gehören die Unsicherheiten über die Folgen des Brexits für die europäische Wirtschaft.
Vor grossen Herausforderungen steht auch die EZB: Sie muss die Stimulusmassnahmen beenden und die Zinsen erhöhen, ohne das Vertrauen in die Region zu erschüttern. Wie schwierig dieser Spagat ist, wurde im Juni deutlich: In ganz Europa gingen die Aktienmärkte in die Knie, nachdem Mario Draghi angedeutet hatte, die EZB denke über einen Ausstieg aus den quantitativen Lockerungen nach. Massnahmen zur Entwöhnung Europas von den Stimulusmassnahmen, an die es sich über die Jahre gewöhnt hat, müssen sorgfältig geplant und langsam umgesetzt werden.
In jedem Fall sollten Anleger aber nicht vergessen, dass Wirtschaft und Aktienmarkt nicht das Gleiche sind. Für langfristig solide Renditen bleibt das Aufspüren der besten Firmen zu einem angemessenen Preis entscheidend. Deshalb gilt wie immer: Der Preis ist das, was Anleger zahlen. Der Wert ist das, was sie bekommen, wenn der Preis angemessen ist. Europa ist die Heimat einer Vielzahl erfolgreicher Unternehmen, von denen viele nur unzureichend analysiert und verstanden werden. Seit Jahren sind sie es gewohnt, mit einem politisch unsicheren Umfeld zurechtzukommen und trotzdem zu florieren. Viele in Europa notierte Unternehmen erwirtschaften zudem einen erheblichen Teil ihres Umsatzes an Märkten rund um den Globus. Ihre Geschicke hängen deshalb nicht nur von der Lage in den europäischen Volkswirtschaften ab."