Wie schätzen Sie das erste Halbjahr 2018 ein?
John Bennett: Mit diversen Einschätzungen des Konsens konnte ich mich Anfang des Jahres überhaupt nicht anfreunden. Am Jahreswechsel herrschte allgemein die Einschätzung vor, dass sich die Dinge sehr gut entwickeln und Europa zum starken Wachstum in den USA und China aufgeschlossen hat. Alle Weichen für eine Teilnahme an der Wachstumsparty schienen gestellt. Der Blick auf die Geldmengenaggregate zeigte jedoch bereits, dass wir den Höhepunkt vermutlich überschritten hatten und es nicht besser werden würde.
Ich rechnete mit einem Führungswechsel an den Märkten, nachdem Growth-Aktien zehn Jahre lang Value-Aktien weit hinter sich gelassen und Small bzw. Mid Caps ihren großen Wettbewerbern den Rang abgelaufen hatten. Genau das meinte ich, als ich Anfang des Jahres über die „Die Rückkehr der Volatilität“ schrieb. Das sollte jedoch keineswegs heißen, dass wir aus meiner Sicht auf einen Konjunkturabschwung oder eine Rezession zusteuern. Aber ich hatte den Eindruck, dass die Konsensprognose eines global synchronen Wachstums auf die Probe gestellt werden würde. Einen ersten Vorgeschmack darauf haben wir ja bereits bekommen.
Wie sind Ihre Erwartungen mit Blick auf den Rest des Jahres?
John Bennett: Ich bin überzeugt, dass man sein Kapital in diesem Jahr nicht in einen Index investieren sollte, wenn man damit Geld verdienen will. 2018 wird kein Jahr, in dem passive Anlagen glänzen oder man wesentliche Entscheidungen zur Sektorallokation treffen sollte. Für mich ist 2018 das Jahr der Stockpicker. Ich glaube, die Aktiendispersion wird wieder eine wichtige Rolle spielen. Wir müssen uns daher aktiv entscheiden, welche Bank oder welches Pharmaunternehmen wir im Portfolio haben wollen. Auf welche Growth- oder Value-Aktie wollen wir setzen? Nur selten werden wir gefragt, welche Aktie wir nicht mögen. Dennoch geht es bei mindestens 90% unserer Anlageentscheidungen genau um diese Frage. Zu wissen, was man nicht mag, wird 2018 ebenso wichtig sein wie zu wissen, wofür man sich entscheidet.
Was ist die wichtigste strategische Entscheidung, die Sie in diesem Jahr getroffen haben?
John Bennett: Im Januar beschlossen wir, bei den europäischen Banken in unserem Portfolio Gewinne mitzunehmen und kehrten so zu unserer üblichen vergleichsweise geringen Allokation in diesem Sektor zurück. Unser Fokus liegt dabei auf regionalen und binnenorientierten Banken, die andere langweilig finden mögen. Aber wie bereits erläutert, steht für uns die Titel- und nicht die Sektorauswahl im Fokus. Zwei Gründe waren für unsere Anlageentscheidung ausschlaggebend: Der Motor der Weltwirtschaft brummt zwar, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass er zu stottern beginnt. Zudem flacht sich die Renditekurve ab, was für Banken nichts Gutes verheißt. Der zweite Grund war sektorspezifischer Art. Bei Banken ist es wie mit vielen anderen Dingen: Je mehr wir mit Vertretern von Geldhäusern sprechen, je mehr wir uns mit Banken beschäftigen, umso deutlicher erkennen wir die disruptiven Folgen des technologischen Fortschritts. Und sie stellen eine echte Gefahr für die Zinsmargen dar – und zwar für die gesamte Bankenbranche.