Zentrale Erkenntnisse:
- Die fiskalische Reaktion auf COVID-19 dürfte kleinen Unternehmen mit Liquidationsproblemen und den am stärksten von der Pandemie betroffenen Arbeitnehmern eine direkte Hilfe sein.
- Wir begrüßen die entsprechende Gesetzgebung und die raschen Maßnahmen der Fed zur Beruhigung der Finanzmärkte. Die Liquiditätsrisiken sind damit allerdings nicht gebannt, und es ist gut möglich, dass die Regierung weitere Maßnahmen ergreifen muss.
- Zwar wurde weitgehend wieder Liquidität hergestellt und verfügen die großen Unternehmen über reichlich Bargeld, aber wir sehen eine Reihe von möglichen Entwicklungen, bei denen Stressfaktoren in der Realwirtschaft die Finanzmärkte weiter belasten könnten.
In einer parteiübergreifenden und relativ schnellen Reaktion brachte die US-Regierung ein zwei Billionen schweres Paket auf den Weg, mit dem die wirtschaftlichen Verwerfungen abgemildert werden sollen, welche die COVID-19-Pandemie ausgelöst hat. Während frühere Maßnahmen der US-Notenbank (Fed) sich auf die Behebung der Illiquidität der Finanzmärkte konzentrierten, kommt dieses Paket den Arbeitnehmern und Kleinunternehmen zugute, die akut von dem dramatischen wirtschaftlichen Einbruch betroffen sind. Wir begrüßen diese Maßnahmen, doch unserer Einschätzung nach dürften damit weder die Wirtschaft noch die Finanzmärkte aus dem Schneider sein. Die Liquiditätsrisiken sind dank der jüngsten Maßnahmen der Fed gesunken, die Insolvenzrisiken dagegen bleiben bestehen, denn die Unternehmen – große wie kleine – müssen in einem nach wie vor unsicheren wirtschaftlichen Umfeld ihren Verbindlichkeiten nachkommen.
Für (fast) jeden etwas
Das verabschiedete Paket sieht Zahlungen an Verbraucher und Haushalte vor, eine erweiterte Arbeitslosenversicherung, Kredite an Kleinunternehmen und Hilfen für Städte und Bundesstaaten. Außerdem enthält es Kredite und direkte Hilfen für Fluggesellschaften sowie Unterstützung für Krankenhäuser. Insgesamt sind wir der Meinung, dass das Paket diejenigen Wirtschaftssegmente, die von COVID-19 am stärksten unmittelbar betroffen sind, ausreichend unterstützt. Der für Kleinunternehmen und Arbeitnehmer zur Verfügung gestellte Anteil ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass diese Gruppen – im Gegensatz zum Unternehmenssektor – nur begrenzt liquide sind. Kleine Unternehmen machen fast die Hälfte der US-Wirtschaft aus, und – um eine andere Perspektive einzunehmen – rund 70% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entfallen auf den privaten Konsum. Daher ist es aus unserer Sicht sehr sinnvoll, Liquiditätsengpässen in diesen Bereichen vorzubeugen.
Fed-Maßnahmen als Basis
In den letzten Jahren haben Zentralbanken weltweit immer wieder betont, dass die Geldpolitik allein nicht alle wirtschaftlichen Probleme lösen könne und dass auch die Regierungen ihre Rolle spielen müsste, indem sie wachstumsfördernde Maßnahmen auf den Weg bringen. Als in den letzten Wochen die COVID-19-Krise eintrat, waren wir einmal mehr besorgt, dass die fiskalische Reaktion zu langsam kommen und zu knapp sein würde. Bislang hat jedoch sowohl die geldpolitische als auch die fiskalische Seite den richtigen Ton angeschlagen: Erstere versorgte die Märkte mit Liquidität, Letztere injizierte Bargeld und weitere Unterstützungsleistungen – in Höhe von rund 10% des BIP – in die Realwirtschaft. Doch angesichts dieses fast beispiellosen Ereignisses, was Tempo und globale Verbreitung angeht, gehen wir davon aus, dass weitere Risiken vorhanden sind und vieles davon abhängt, wie schnell und nachhaltig das Virus eingedämmt werden kann. Wir glauben daher nicht, dass Fed oder Regierungsbehörden mit ihren Maßnahmen schon am Ende sind. Das Ausmaß weiterer Maßnahmen wird von der Dauer der Krise bestimmt sein.
Insolvenzen unvermeidlich
Auch wenn diese Gesetze eine große Bandbreite abdecken, rechnen wir mit Zahlungsausfällen. Der Ausfall von Gewinnen und Löhnen bedeutet, dass sowohl Haushalte als auch Unternehmen, die wenig Rücklagen haben, nicht in der Lage sein werden, allen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Dies kann die Politik in die unangenehme Lage bringen, dass sie Gewinner und Verlierer auswählen muss, sollte die Krise länger anhalten und die Hilfsmöglichkeiten knapper werden. Viele Unternehmen haben das letzte Jahrzehnt nicht deshalb überlebt, weil sie in der Lage waren, Cashflow zu generieren, sondern weil sie Zugang zu billigen Krediten hatten. Diese Unternehmen könnten am meisten gefährdet sein, wenn die politischen Entscheidungsträger die Tragfähigkeit eines Unternehmens zum Kriterium für weitere Unterstützung erheben.
Ansteckung des Marktes
Viele Großunternehmen sitzen auf reichlich Barreserven, und die Märkte haben sich dieser Tage wieder beruhigt. Dennoch dürfte das Insolvenzrisiko in den Köpfen der Anleger wichtigstes Thema bleiben. Auch wenn Haushalte und kleine Unternehmen die Quelle sind, gehen wir davon aus, dass Transmissionsmechanismen vorhanden sind, welche diese „realwirtschaftlichen“ Probleme zu Finanzmarktproblemen machen könnten. Mehrere Formen von Verbraucherkrediten wurden in der Vergangenheit in verbriefte Produkte verpackt. Die Aussichten dieser Produkte hängen von der Dauer der Krise ab, davon, wie sich das Verhalten der Verbraucher im Anschluss daran verändert, und davon, ob womöglich ein Teil der verlorenen Arbeitsplätze nie wieder zurückkehrt. Ähnlich können hoch verschuldete, verbraucherorientierte Unternehmen in einer Post-COVID-19-Wirtschaft unter Druck geraten.
Wir begrüßen die Schritte der Regierung, sind uns aber darüber im Klaren, dass die Risiko- und Renditeprofile verschiedener Anlageklassen davon abhängig sind, wie sich diese beispiellosen Ereignisse weiter entwickeln und welche Unternehmen die nötige Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit haben, um unbeschadet aus der Krise hervorzugehen.
Nick Maroutsos, Co-Head of Global Bonds bei Janus Henderson Investors