Janus Henderson Investors: Der „Kalte Krieg der Technologie“

Die Fondsmanager des globalen Janus Henderson Technologie-Portfolios Alison Porter, Graeme Clark und Richard Clode erläutern ihre Einschätzungen zu den neuesten US-Sanktionen gegen Huawei und zu den Auswirkungen auf die größten Kunden des Unternehmens und die Halbleiterbranche im Allgemeinen. Janus Henderson Investors | 09.06.2020 11:56 Uhr
© Photo by Markus Spiske on Unsplash
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

 Zentrale Erkenntnisse:

  • Die neuen Beschränkungen machen US-Lizenzen auch für Halbleiterausrüstung erforderlich und werden möglicherweise die Ausgaben für Halbleiterausrüstung im chinesischen Inland beeinflussen.
  • Die äußerst zielgerichteten neuen Beschränkungen richten sich speziell gegen Huawei. Während die Smartphone-Sparte des chinesischen Konzerns sie kaum zu spüren bekommen dürfte, wird der 5G-Ausbau in China möglicherweise stark unter der Blockade leiden.
  • Die größte Sorge ist eine Eskalation und mögliche Gegenmaßnahmen Pekings als Reaktion darauf. Der Streit um Technologie und nationale Sicherheit ist nach wie vor mit dem sino-amerikanischen Handelskonflikt und den Schuldzuweisungen für die COVID-19-Pandemie im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen verknüpft.

Ein Jahr nachdem die USA die ersten Sanktionen gegen den chinesischen Technologie-Multi und seine Tochtergesellschaften verhängt hatte, kündigte das US-Handelsministerium vor Kurzem am 15. Mai neue Maßnahmen an. Sie betreffen den Halbleitersektor und wirken sich erheblich auf Huaweis Hauptlieferanten wie Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. (TSMC), aber potenziell auch die Technologieindustrie insgesamt und die weltweite Vorherrschaft der Supermacht aus.

Handelskrieg und/oder nationale Sicherheit? 

Anleger sehen die Beschränkungen allgemein im Kontext mit dem Handelskrieg, während wir sie stets der Ansicht waren, dass es um die nationale Sicherheit geht. In der Pressemitteilung zur Ankündigung der neuen Sanktionen erklärte US-Handelsminister Wilbur Ross: „Wir müssen unsere Sanktionen verschärfen, da Huawei und HiSilicon die aktuelle Situation ausnutzen, und wir müssen Aktivitäten mit Hilfe von US-Technologien verhindern, die die nationale Sicherheit der USA gefährden und ihren außenpolitischen Interessen zuwiderlaufen." In dem Sonderbriefing anlässlich der Bekanntgabe der neuen Beschränkungen zitierte der Unterstaatssekretär für wirtschaftliches Wachstum, Energie und Umwelt: „Huawei ist ein von der VR China staatlich unterstütztes Unternehmen, das Werkzeug der Kommunistischen Partei Chinas ist.“

Als die USA den Gebrauch von Huawei-Telekommunikationsausrüstung verboten hatten, nachdem massive diplomatische Interventionen nicht verhindern konnten, dass Huawei an den Plänen zum 5G-Netzausbau beteiligt wurde, änderte die USA ihre Strategie und schnitt Huawei den Zugang zu US-Technologie und geistigem Eigentum ab. Im Mai 2019 wurden Huawei und seine Tochterunternehmen auf eine schwarze Liste gesetzt. Diese schreibt eine Genehmigung für alle Produkte vor, die mindestens zu 25% geistiges Eigentum aus den USA enthalten. Durch eine Kombination aus Insourcing von Komponenten bei der eigenen Halbleitersparte HiSilicon und Umgehung der sogenannten „De-minimis“ Regelung1 durch globale Halbleiterlieferanten mit dem Argument, dass sie unter der 25%-Schwelle liegen, konnte Huawei seinen Geschäften jedoch weiter nachgehen, wobei die Verbreitung seiner Telekommunikationsausrüstung in China bzw. weltweit kaum begrenzt wurde. Als Reaktion darauf und nach der Lobbyarbeit der US Semiconductor Industry Association (SIA), die vor den Negativfolgen weitreichender Sanktionen gewarnt hatte, scheinen die angekündigten neuen Maßnahmen direkt auf Huawei und seine Tochtergesellschaften abzuzielen, speziell auf Huaweis eigene Chipentwicklung und -Fertigung. Statt der De-minimis-Grenze von 25% sind nun direkte Genehmigungen für Produkte vorgesehen.

Auswirkungen für Huawei und TSMC

Mit einem Jahresumsatz von mehr als 120 Milliarden US-Dollar, dem Verkauf von fast 240 Millionen Smartphones im vergangenen Jahr und als größter Telekommunikationsausrüster weltweit zählt Huawei zu den größten und wichtigsten Technologieunternehmen und ist der führende Halbleiteranbieter weltweit. Verglichen mit der Blockade 2019 werden die Direktfolgen dieser neuen Sanktionen wohl vergleichsweise gering sein, da die meisten globalen Halbleiterhersteller ihre Geschäfte mit Huawei bereits deutlich reduziert haben. Aber nun sind neue Bereiche in Gefahr.

TSMC ist der größte Chiphersteller der Welt und Huawei ein wichtiger Kunde. Das Unternehmen hat die Insourcing-Strategie von Huawei maßgeblich unterstützt. TSMC blieb von den Sanktionen 2019 unberührt, da es unter der 25%-De-minimis-Regel blieb, sodass Huawei zu einem der Hauptkunden von TSMC avancierte. Die Verschärfung der Sanktionen soll genau diese Lücke schließen. Hoffnungen, der von TSMC geplante Bau einer ersten Halbleiterfabrik in den USA könne für eine Deeskalation sorgen, wurden mit der Ankündigung der neuen Beschränkungen zunichte gemacht.

Die neuen Regelungen betreffen erstmals auch Halbleiterausrüstung und Electronic-Design-Automation (EDA) Tools. Ein Chip, der für Huawei oder seine Tochtergesellschaften entwickelt wurde, kann nicht ohne Genehmigung ausgeliefert werden, wenn er mit Hilfe von US-Software entwickelt oder mit US-Ausrüstung hergestellt wird. Da die USA beide Sektoren dominieren, werden Huaweis Chipdesign-Kapazitäten effektiv abgeschnitten, da bei jedem Genehmigungsantrag mit einer Ablehnung zu rechnen ist.  

Auswirkungen auch für China

Die neuen Sanktionen treten am 15. Mai in Kraft. Für in der Produktion befindliche Chips gilt dabei zwar eine Schonfrist, aber die Chiphersteller dürfen keine neuen Aufträge von Huawei annehmen. Medienberichten zufolge hält sich TSMC an die Beschränkungen, obwohl Huawei angeblich versucht hat, noch rasch einen Auftrag im Wert von 700 Millionen US-Dollar zu platzieren. Da Huawei zu den Hauptkunden von TSMC gehört, wird das Unternehmen die verschärften Sanktionen deutlich zu spüren bekommen.

Sie schreiben auch Lizenzen für Halbleiterausrüstung vor und werden sich möglicherweise auch auf die Ausgaben für Halbleiterausrüstung in China auswirken, die in Erwartung zusätzlicher Beschränkungen sehr hoch waren. Der führende chinesische Chiphersteller Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC) kündigte vor Kurzem eine deutliche Erhöhung der geplanten Investitionen auf 4,3 Milliarden US-Dollar an, während der China Integrated Circuit Industry Investment Fund und der Shanghai Integrated Circuit Industry Investment Fund (beides staatlich unterstützte Fonds) unlängst bekannt gaben, die moderne Fabrik von SMIC in Shanghai mit einer Kapitalspritze von über 2 Milliarden US-Dollar zu unterstützen. Da beide Pläne stark von US-Halbleiterausrüstung und Huawei abhängen, sind sie ins Wanken geraten. Sowohl TSMC als auch SMIC riskieren, auf die Schwarze Liste zu kommen, wenn sie sich über die neuen Regeln hinwegsetzen. Seit einiger Zeit halten wir uns in unseren Portfolios bei Halbleiterausrüstung zurück. Letztes Jahr haben wir unsere Untergewichtung bei TSMC langsam verringert und die Position Anfang dieses Jahres glattgestellt. Grundlagen für unserer Entscheidung waren das die umfangreiche Smartphone-Geschäft des Unternehmens und potenzielle Auftragsrückgänge wegen der US-Handelssanktionen gegen Huawei.

Was bedeutet das für die globale Technologieindustrie im Allgemeinen? 

Die neuen zielgerichteten Regelungen haben speziell Huawei und die mit dem Unternehmen verbundenen Chiphersteller im Visier und gelten folglich theoretisch weniger für andere Halbleiteranbieter. Huawei könnte intern entwickelte Chips in seinen Smartphones durch handelsübliche Chips anderer Hersteller wie MediaTek oder Samsung ersetzen. Alternativ könnten andere Smartphone-Marken wie Vivo, OPPO und Xiaomi in China bzw. Apple und Samsung einspringen und Huawei Marktanteile abnehmen.

Daher ist nur mit begrenzten Auswirkungen auf Smartphones zu rechnen. Huawei hält dagegen bei verschiedenen Arten drahtloser Telekommunikationsausrüstung weltweit gemessen am Umsatz einen Marktanteil von 30-40% und hat fast 60% der 5G-Ausschreibung von China Mobile gewonnen. Das bedeutet, dass der Ausbau des 5G-Netzes stark von Huawei abhängt. Es gilt eine 180-tägige Schonfrist und Huawei hat seine Bestände strategisch aufgefüllt. Zu den internen Chips von Huawei für Netzwerke gibt es anders als bei Smartphones (die im Mittelpunkt der US-Beschränkungen stehen) jedoch weniger Alternativen, sodass der 5G-Ausbau möglicherweise stärker unter den Sanktionen leiden wird.

Ausblick

Neben den unmittelbaren Risiken werden vor allem eine Eskalation und die Reaktion Pekings befürchtet. China kritisierte die anfänglichen Sanktionen gegen Huawei scharf und drohte seinerseits mit einer „Liste unzuverlässiger Unternehmen“. Peking machte seine Drohung jedoch nicht wahr, und es ist nach wie vor unklar, welche Unternehmen auf dieser Liste stehen würden und welche Auswirkungen dies hätte. Die neuen Beschränkungen lösten eine ähnliche Reaktion aus. Die Technologieindustrie in den USA und China wird zunehmend lokaler und nur wenige große US- oder globale Technologieunternehmen sind noch in großem Stil in China tätig. Ausnahmen sind selbstverständlich Apple und Qualcomm. Wir wissen um die Gefahr, dass diese Unternehmen in diesem Konflikt taktisch benutzt werden könnten.

Der Streit um Technologie und nationale Sicherheit ist nach wie vor mit dem sino-amerikanischen Handelskonflikt und den Schuldzuweisungen für die COVID-19-Pandemie im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen im Herbst verknüpft. Jede Deeskalation wird wahrscheinlich alle drei Elemente, d. h. Technologie, COVID-19 und Handel beinhalten. Das erschwert eine Lösung, zumal sich US-Präsident Trump im Vorfeld der Wahlen angesichts der Wirtschaftskrise und der Kritik am Umgang mit der Pandemie ganz auf sein China-Narrativ konzentriert. China könnte es einfach aussitzen und abwarten, wer im nächsten Jahr im Weißen Haus sitzt.

1De-minimis-Regel: Sie legt fest, wie hoch der US-Anteil an einem im Ausland hergestellten Produkt sein darf. Dadurch kann die US-Regierung Exporte regulieren.

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