Die Kriterien Umwelt, Soziales und Governance (ESG) sowie Nachhaltigkeit sind zu Schlagwörtern geworden; es vergeht kaum ein Tag, ohne dass man sie hört. Der steigende Druck seitens Anleger und Regulierungsbehörden führt dazu, dass mehr und mehr in Unternehmen angelegt wird, die als ‚gut‘ angesehen werden. Nach dem Global Sustainable Investment Review 2018 stellen nachhaltige Anlagestrategien heutzutage 26 % der gesamten professionell verwalteten Anlagen in den USA dar.
Da Nachhaltigkeit in der öffentlichen Diskussion immer wichtiger wird, sehen Vermögensverwalter und Anleger Nachhaltigkeit zunehmend als dritte Dimension in Ergänzung zu Risiko und Rendite an. Die Hinweise häufen sich, dass das Unternehmensergebnis und damit die Anlagerendite mit einem Anlageansatz, der ESG-Faktoren berücksichtigt, verbessert werden können. Dieser Trend verstärkt sich unaufhaltsam und mit zunehmender Geschwindigkeit.
Von der Risikosteuerung zur Anlagechance
Vor allem im Rohstoffsektor sollte ein solider, verantwortungsvoller und qualitätsorientierter Anlageprozess wohl stets ESG-Kriterien als Zeichen für Qualität und Faktoren einer Risikominderung berücksichtigen. ESG-Faktoren sind mit der gesellschaftlichen Akzeptanz von Unternehmen verknüpft und sind gerade in der Rohstoffwirtschaft angesichts der Gewinnung von Rohstoffen wohl von immer größerer Bedeutung. Unternehmen, die gemessen an ESG-Maßnahmen gut abschneiden, weisen normalerweise geringere idiosynkratische Risiken und dadurch höhere risikobereinigte Renditen auf. In den letzten Jahren entwickelte sich ESG für einige Unternehmen von einem Instrument der Risikosteuerung zur Chance, den Umsatz zu steigern und die Gewinnmargen zu erhöhen (oder zu erhalten), während sich ESG für andere negativ auswirkte.
Mit der zunehmenden Popularität von ESG und Nachhaltigkeit ergreifen viele Unternehmen und Vermögensverwalter die Gelegenheit, deren Vorzüge anzupreisen. Besorgnis erregt nun, inwieweit ESG zur reinen Pflichtübung verkommt oder zur ökologischen Kosmetik missbraucht wird. Die Themen Nachhaltigkeit und ESG sind kompliziert und vielschichtig und zahlreiche Faktoren lassen sich oft schwer quantifizieren, qualitativ beschreiben und beurteilen. Was für den einen grundlegend und wichtig ist, kann für den anderen banal sein und Behauptungen zu ESG können zu übertriebenen Angaben führen und bedürfen näherer Erläuterung.
In den vergangenen zehn Jahren ging es um ein ESG-Bewusstsein, in den kommenden zehn Jahren geht es um die Datenqualität, -konsistenz und -überwachung. Es reicht nicht zu sagen, ESG ist ein wichtiger und integrierter Bestandteil. Anlageverwalter werden zunehmend anhand objektiver Zahlen den Nachweis führen müssen, wie ESG integriert wurde. Die Bewertung der Ergebnisse eines Anlageportfolios und der Nachweis, dass es einen geringeren CO2-Fußabdruck, geringere ESG-Risiken, eine höhere Wassereffizienz, mehr Sicherheit oder einen größeren sozioökonomischen Nutzen hat, werden nun möglich und sollten von Anlegern verlangt werden.
Die Bewertung der Auswirkung von ESG im Rohstoffsektor ist komplex
Im nächsten Schritt muss festgestellt und zu bewerten versucht werden, inwieweit das Rohstoffportfolio zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen beiträgt. Eine in verschiedenster Hinsicht komplexe Aufgabe. Die Gewinnung von Kupfer bringt Umweltschäden mit sich, aber das gewonnene Kupfer ist ausschlaggebend für weniger Kohlenstoffemission in der globalen Wirtschaft, da Kupfer der Leiter ist, durch den Elektronen fließen. Ohne Kupfer gibt es auch keine Elektrofahrzeuge. Ähnliche Argumente gelten für Nickel, Lithium, Kobalt, Eisenerz, etc. Außerdem kann das Einkommen aus der Rohstoffgewinnung einen großen Beitrag zur örtlichen und heimischen Wirtschaft (oft in Industrieländern) leisten. Die dadurch entstehenden Arbeitsplätze, zusammen mit dem Multiplikatoreffekt, können für Tausende Menschen einen positiven Effekt haben.
Die neuste ESG-Integration berücksichtigt diese verschiedenen Effekte und versucht, die Wirkung positiver und negativer externer Auswirkungen eines Portfolios auf die Weltwirtschaft und die Gesellschaft insgesamt zu messen. Zu diesem Zweck sollten Unternehmen zu einer integrierten Berichterstattung ermuntert werden, die die Wertschöpfung für zahlreiche Akteure berücksichtigt.
Mangelnde Konsistenz in der Berichterstattung und Prüfung von ESG-Daten
Dies ist eine Quelle unseres Ärgers als Rohstoffanleger - viele Investoren schrecken automatisch vor der Anlage im Rohstoffsektor zurück. Tatsache ist, dass die Welt ohne Rohstoffe nicht funktionieren kann oder sich nicht versorgen kann; Rohstoffunternehmen spielen eine integrale Rolle bei der Senkung der Kohlenstoffemissionen und bei der nachhaltigen Entwicklung. Wenn Anleger, die die globale Entwicklung fördern und höhere Portfoliorenditen erzielen wollen, den Rohstoffsektor meiden, kann sich dies also als kontraproduktiv erweisen. Die Analyse hat gezeigt, dass die Aufnahme von Rohstoffaktien in ein Aktienportfolio (auf der Basis einer Allokation in Rohstoffaktien des S&P 500 Indexes (Energie, Bergbau, Landwirtschaft) langfristig zu einer höheren Rendite und geringeren Volatilität führen könnte.*
Lange Jahre war der Mangel an Daten enttäuschend und wir engagierten uns bei Unternehmen dafür, die Offenlegung zu verbessern. Dies hat sich nun geändert und es stehen Daten in Hülle und Fülle zur Verfügung. Woran es noch mangelt, ist die Konsistenz bei der Berichterstattung und Prüfung dieser Daten und hier besteht noch Verbesserungsbedarf. Wir sind dafür, dass die ESG-Berichterstattung nicht mehr in der ersten Hälfte des Jahresabschlusses erfolgt und dargelegt wird, sondern in der zweiten Hälfte, wo sie geprüft und konsistent aufgeführt werden sollte.
Zeitpunkt und Umfang der Veröffentlichung von ESG-Daten stehen im alleinigen Ermessen eines Unternehmens. Verschiedene Initiativen, wie der Sustainability Accounting Standards Board (SASB), das Carbon Disclosure Project, die Expertenkommission TFCD (Task Force on Climate-related Financial Disclosures) und die Global Reporting Initiative (GRI) setzen sich für eine verstärkte standardisierte Offenlegung von Daten ein und es ist zu erwarten, dass der Umfang der ESG-Berichterstattung weiter zunimmt und in Zukunft vergleichbarer und zuverlässiger wird. Letztlich hoffen wir, dass der SASB im Financial Accounting Standards Board in den USA aufgeht. Dies würde zu einer in die Finanzberichterstattung integrierten ESG-Berichterstattung führen. Bedenken bezüglich der Datenintegrität, Zeitnähe, Allgemeingültigkeit und Vergleichbarkeit würden sich damit erübrigen.
Eine standardisierte Berichterstattung und Offenlegung sind zwar notwendig, aber kein Allheilmittel
Es besteht die Gefahr, dass eine in hohem Maße standardisierte ESG-Berichterstattung zur Pflichtübung und als Ausrede für Untätigkeit genutzt wird. Aktive Anlageverwalter müssen die Qualität und Aufrichtigkeit der Unternehmen bei ihrer Analyse eingehend prüfen. Anlagen in hochwertigen Unternehmen machen eine Bewertung der Unternehmenskultur erforderlich. Neben den Finanzdaten eines Unternehmens ist die Unternehmenskultur ausschlaggebend, die Umwelt, Gesellschaft und Governance einbindet. Mensch und Umwelt sind die tragenden Säulen der Rentabilität. Für uns bedeutet das, dass Studien vor Ort als Investmentinstrument ebenso wichtig sind wie Spreadsheets und Jahresberichte. Unternehmenskultur und -management können am besten vor Ort bewertet werden, indem wir mit den Menschen vor Ort reden.
Denn dort spielt sich die Realität der ESG-Politik ab.
* Quelle: Janus Henderson Investors und Factset. Rollierende 10-Jahres-Standardabweichung und Renditen, auf der Basis hypothetischer Portfolioallokationen in Rohstoffaktien des S&O500 Indexes (Energie, Bergbau und Landwirtschaft). Monatliche Beobachtungen von November 1993 bis Juni 2019. Die Standardabweichung ist ein statistisches Maß für die Streubreite von Werten/Daten. Eine niedrige Standardabweichung besagt, dass sich die Werte in der Nähe des Mittelwerts befinden, während eine hohe Standardabweichung angibt, dass die durchschnittliche Entfernung der Werte von dem Mittelwert größer ist. Bei der Bewertung von Anlagen kann die Standardabweichung ein Maß für die Volatilität einer Anlage in der Vergangenheit sein. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.
Glossar:
Idiosynkratisches Risiko: Dies sind inhärente Faktoren, die sich negativ auf eine einzelne Aktie oder eine bestimmte Gruppe von Vermögenswerten, aber nicht auf den Markt insgesamt auswirken kann.
Risikobereinigte Rendite: Bewertung der Rendite einer Anlage, indem berücksichtigt wird, wie hoch das Risiko zur Erzielung der Rendite ist.
Anmerkung: Eine Version dieses Artikels wurde erstmals im Mining Journal https://www.mining-stakeholders.com/ am 29. April 2020 veröffentlicht.