Janus Henderson China-Aktienexpertin: "Stetige Erholung mit Aussicht auf Abschwächung"

May Ling Wee vom China-Aktienteam von Janus Henderson äußert sich in dieser Fragerunde zu den Einflussfaktoren auf die Erholung Chinas im Nachgang von COVID-19 und die Entwicklung des Aktienmarkts im bisherigen Jahresverlauf. Janus Henderson Investors | 01.07.2020 09:27 Uhr
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Zentrale Erkenntnisse: 

-) Mit dem Wiederaufflackern von Handels-, Technologie- und nun möglicherweise auch Finanzkriegen haben sich die Beziehungen zwischen China und den USA seit dem Ausbruch von COVID-19 verschlechtert. 

-) Das vorgeschlagene Nationale Sicherheitsgesetz in Hongkong könnte eine engere wirtschaftliche Integration zwischen China und Hongkong nach sich ziehen. Die Rolle Hongkongs als Chinas Tor zu ausländischem Kapital dürfte unverändert bleiben, da dies im besten Interesse Chinas ist. 

-) Die Erholung Chinas, die sich in den Indikatoren zum verarbeitenden Gewerbe widerspiegelt, scheint stabil zu verlaufen. Der inländische Konsum hinkt jedoch der Erholung im Produktionssektor hinterher, und die Auslandsnachfrage ist schwach, was die Gesamtwirtschaft vor Herausforderungen stellt. 

-) Bei verbraucherorientierten chinesischen Unternehmen bestehen nach wie vor Chancen. Die Unternehmen passen sich an und erschließen neue Kanäle und Einnahmequellen, während sie gleichzeitig ihre Kosteneffizienz erhöhen. 

-) Infrastrukturunternehmen mit Preismacht stellen einen Bereich relativer Stärke dar, wenn die Binnennachfrage und die Nachfrage aus dem Rest der Welt unsicher bleiben. 

Wie ist der aktuelle Stand der Beziehungen zwischen China und den USA? 

China war das erste Land, das beim Ausbruch von COVID-19 Ausgangsbeschränkungen verhängte. Dementsprechend war es dann auch das erste Land, das diese Beschränkungen aufhob und wieder Kurs auf eine wirtschaftliche Erholung nahm. Die Beziehungen zwischen China und den USA haben sich seit dem Ausbruch von COVID-19 jedoch verschlechtert, da Handels-, Technologie- und nun möglicherweise auch Finanzkriege mit den USA erneut aufgeflackert sind. 

Die Handelsbeziehungen zwischen China und den USA werden weiterhin angespannt bleiben, und es gibt zahlreiche nicht mit dem Handel verbundene Hebel, die die USA möglicherweise in Bewegung setzen könnte. Ein Beispiel hierfür wäre die Durchsetzung weitläufigerer Kontrollen von Technologieexporten, anstatt sich auf bestimmte Unternehmen wie Huawei und andere auf der US-Entity-Liste geführte Firmen zu konzentrieren (von denen angenommen wird, dass sie den nationalen Sicherheits- oder außenpolitischen Interessen der USA zuwider handeln). Unter anderem könnten Beschränkungen für Technologiefirmen, die die chinesische Regierung oder das chinesische Militär beliefern, ausgeweitet werden. Es könnte auch versucht werden, Gesetzeslücken zu schließen, anhand derer US-Firmen, die außerhalb der USA produzieren, bestehende Beschränkungen umgehen können. Auf lange Sicht stärkt dies nur Chinas Entschlossenheit, Unabhängigkeit in seiner Technologie-Lieferkette zu erlangen. 

Wie wirken sich neue Vorschriften für die Notierung an US-Börsen auf chinesische Unternehmen aus? 

Dass Unternehmen, die sich mehrheitlich in chinesischem Mitbesitz befinden, daran gehindert werden könnten, ihre Aktien an US-Börsen zu notieren, ist ein sehr aktuelles Thema. Erst kürzlich hat der US-Senat ein Gesetz verabschiedet, das von Unternehmen verlangt, sich an US-Aufsichtsprüfungen zu beteiligen. Anderenfalls können sie gezwungen werden, ihre Notierung an US-Börsen zu beenden. Für chinesische Unternehmen, die bereits in den USA börsennotiert sind, ist dies eher ein mittelfristiges als ein unmittelbares Problem, da vor dem Delisting eine Karenzfrist von drei Jahren eingeräumt wird. Zudem ist das Delisting in den USA aus praktischer Sicht ein komplizierter und langwieriger Prozess. 

Es ist unklar, ob die chinesischen Aufsichtsbehörden die Einsichtnahme in die Prüfungsunterlagen von Unternehmen auf der Grundlage der „Souveränität“ nicht zulassen. Viele in den USA notierte chinesische Unternehmen sind verbraucherorientierte Firmen ohne staatliche Inhaberschaft oder Beteiligung, und sie werden von China nicht als politisch sensibel eingestuft. Gemäß den chinesischen Vorschriften ist es Unternehmen jedoch nicht erlaubt, ihre Prüfungsunterlagen einer ausländischen Aufsichtsbehörde vorzulegen, da die von ihnen durchgeführten Geschäfte in China stattfinden. 

Um sich abzusichern, streben chinesische Unternehmen nun vermehrt eine Doppelnotierung in den USA und in Hongkong an, wie wir es bei Alibaba, NetEase und JD.com erlebt haben. Die Börse von Hongkong bietet chinesischen Unternehmen eine tragfähige Alternative für den Zugang zu globalem Kapital und Anlegern (auch wenn die Handelsvolumina geringer sind als an den US-Börsen). Die Möglichkeit eines Delistings von US-Börsen kann dazu führen, dass Anleger für eine Beteiligung an diesen Aktien höhere Risikoprämien verlangen. Dies schmälert jedoch nicht die grundsätzliche Attraktivität vieler chinesischer Unternehmen mit hohen freien Cashflows, die derzeit in den USA notiert sind. 

Welche Auswirkungen hat das vorgeschlagene Nationale Sicherheitsgesetz auf Hongkong und China? 

Das Nationale Sicherheitsgesetz ermöglicht eine Ausweitung der politischen Kontrolle Chinas in Hongkong. Es ist möglich, dass die Verschärfung des sozialen und politischen Klimas in Hongkong im Laufe der Zeit zu einer Abwanderung der Hongkonger Bürger und Einwohner führen könnte. Da es sich hierbei eher um einen langsam voranschreitenden Prozess handelt, ist es unwahrscheinlich, dass damit verbundene Kapitalabflüsse unmittelbar erfolgen. Im Gegenteil: Die Kapitalströme aus China in den Markt von Hongkong haben zuletzt zugenommen. Die wirtschaftliche Integration Hongkongs mit China wird sich im Laufe der Zeit wahrscheinlich weiter festigen, da die Unternehmen des Festlandes an der Hongkonger Börse noch stärker vertreten sein werden, der Zustrom von Talenten aus dem Festland anhält und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass immer mehr chinesische Unternehmen eine größere Rolle im Unternehmenssektor Hongkongs übernehmen. 

Hongkong ist seit langem ein internationales Finanzzentrum und ein Ort, an dem sich chinesische Unternehmen Kapital beschaffen. Diese Rolle wird sich vermutlich nicht ändern, solange Hongkong weiterhin in der Lage ist, Transaktionen/Handel in US-Dollar abzuwickeln und abzurechnen. Es liegt im Interesse Chinas, dass Hongkong diese Rolle beibehält, da Chinas Kapitalbilanz noch immer geschlossen ist und Shanghai oder Shenzhen Hongkong als Chinas Finanzzentrum derzeit nicht ersetzen können. Ein extremes Szenario wäre der Fall, dass die US-Notenbank den US-Dollar-Zahlungsverkehr mit einigen Banken in Hongkong oder mit der Hongkonger Währungsbehörde (HKMA) stoppen würde. Dies würde bedeuten, dass die Kopplung von Hongkong- und US-Dollar schwer beizubehalten sein könnte. Sollte Hongkong solchen Sanktionen seitens der USA ausgesetzt sein, würde seine Funktion als globales Finanzzentrum wahrscheinlich abnehmen. 

Wie verläuft die Erholung in China? 

Die Erholung Chinas, die sich in den Indikatoren zum verarbeitenden Gewerbe im Anschluss an den Lockdown widerspiegelt, scheint stetig zu verlaufen, da Fabriken die während des Lockdowns versäumten Aufträge nachgeholt haben. Die Konsumtätigkeit, insbesondere im Dienstleistungsbereich, liegt jedoch nach wie vor unter dem Niveau des Jahres 2019. Dies ist zu weiten Teilen auf die Notwendigkeit einer räumlichen Distanzierung und die Angst vor Infektionen zurückzuführen, aber auch auf das schwächere makroökonomische Umfeld und die niedrigeren Einkommenserwartungen der chinesischen Verbraucher. Der Immobiliensektor hat sich bislang im Hinblick auf den Verkauf von Eigenheimen und die Investitionen von Bauträgern gut behauptet. Die Investitionen in die Infrastruktur gingen im ersten Quartal 2020 aufgrund der weitläufigen Schließungen zurück. Vor Ort gibt es nun Anzeichen auf einen starken Aufschwung bei den Verkaufszahlen für Zement, Baumaschinen und schwere Nutzfahrzeuge. Eine Belebung der Infrastrukturaktivitäten wird in der zweiten Jahreshälfte erwartet, nachdem zwei Jahre lang ein niedriges einstelliges Wachstum zu verzeichnen war. Finanziert werden diese Aktivitäten durch Mittel, die über zweckgebundene Kommunalanleihen und die speziellen COVID-19-Schatzanleihen der Zentralregierung aufgebracht werden. 

Die Verschlechterung der Beziehungen zwischen China und den USA im Nachgang von COVID-19 hat dazu geführt, dass China anfänglich als strategischer Rivale, inzwischen aber fast als Feind betrachtet wird. Derzeit sieht es so aus, als würde China aufgrund der geringeren Inlandsnachfrage die Anforderungen des Phase 1-Handelsabkommens in Bezug auf die Importmengen aus den USA nicht erfüllen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass dies zu eskalierenden Zöllen führen wird, da sich in einer Phase globaler Wirtschaftsschwäche keine der beiden Seiten solche Schritte leisten kann. In jüngster Zeit hat China seine Käufe von Agrarprodukten aus den USA verstärkt und setzt damit seine Bemühungen um eine Öffnung seiner Märkte fort. 

Chinesische Firmen und multinationale Konzerne werden ihre Lieferketten vermutlich weiter diversifizieren, indem sie zusätzlich zu ihren lokalen Fabriken zur Deckung der Inlandsnachfrage Produktionsstätten außerhalb Chinas errichten. Dieser Prozess ist bereits im niederwertigen verarbeitenden Gewerbe zu beobachten. Im Nachgang von COVID-19 werden jedoch sicherlich zahlreiche Unternehmen die Folgen einer Konzentration der Fertigung an einem Standort einer neuerlichen Prüfung unterziehen. China muss seine höherwertigere Fertigung (wo das Land weiterhin wettbewerbsfähig ist) ausbauen und ausländischen Dienstleistern weiterhin Marktzugang gewähren. Im Anschluss an COVID-19 ist es China schneller als vielen anderen Ländern weltweit gelungen, seine Wirtschaft wieder anlaufen zu lassen und eine Belebung der Industrie- und Fertigungstätigkeit zu erzielen. Trotz der Besorgnis über die Konzentration der Lieferketten erkennen viele multinationale Konzerne an, dass China einen Vorteil genießt, da es eine vollständige Lieferkette anbieten kann. Zudem mangelt es derzeit an starken, tragfähigen Alternativen. 

Wie haben sich chinesische Aktien im bisherigen Jahresverlauf entwickelt? 

Der Offshore-Markt (MSCI China Index) und der Onshore-Markt (CSI300 Index) sind seit Jahresbeginn (bis zum 15. Juni) in US-Dollar* um 1,5 % bzw. 3,5 % gefallen. Sowohl die Offshore- als auch die Onshore-Märkte Chinas haben die Industrieländer (mit Ausnahme der Nasdaq) und die Schwellenländer übertroffen.** 

Das makroökonomische Umfeld war für China schwierig. Erstens aufgrund der COVID-19-Pandemie, der derzeitigen unvollständigen Erholung der Inlandsnachfrage und der nun schwächeren Nachfrage nach Chinas Exporten. Zweitens aufgrund des neuerlichen Aufflackerns des Technologie- und Finanzkriegs mit den USA, und drittens aufgrund des vorgeschlagenen Nationalen Sicherheitsgesetzes für Hongkong, das alles andere als hilfreich für die Beziehungen zwischen den beiden Nationen ist. Auf der positiven Seite ist jedoch zu beachten, dass China das erste Land war, das aus dem Lockdown herauskam und dass es im Hinblick auf sowohl Geld- als auch Fiskalpolitik einen Lockerungskurs eingeschlagen hat (auch wenn das Ausmaß im Vergleich zu einigen Industrieländern eher gering ist). Die großen chinesischen Internet-Unternehmen haben sich zudem als belastbar erwiesen, und einige von ihnen haben durch die Pandemie an Stärke gewonnen. Die Aktienmarktperformance wurde im bisherigen Jahresverlauf weitgehend durch höhere Bewertungen getrieben, insbesondere bei Wachstums- und Qualitätswerten (außerhalb des Finanzsektors). Da jedoch für den weiteren Verlauf des Jahres ein schwaches makroökonomisches Umfeld erwartet wird, dürfte sich dies in weiteren Gewinnkorrekturen niederschlagen. 

Viele der verbraucherorientierten Unternehmen in China sind von COVID-19 betroffen, was sowohl ihre Umsätze als auch ihre Gewinne belastet hat. Es bestehen jedoch nach wie vor Chancen, da sich viele dieser Unternehmen auf das Umfeld im Nachgang von COVID-19 einstellen, neue Wege und Vertriebskanäle für ihre Geschäfte erschließen und ihre Kosteneffizienz steigern. Im Infrastruktursektor können insbesondere Unternehmen mit Preismacht einen Bereich relativer Stärke darstellen, wenn die Nachfrage in China und im Rest der Welt unsicher bleibt. 

*Quelle: Bloomberg. MSCI China Index und CSI 300 Index (in US-Dollar) seit Jahresbeginn bis zum 15. Juni 2020. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. 

**Quelle: Bloomberg. MSCI China Index, CSI 300 Index, MSCI Developed Markets Index und MSCI Emerging Markets Index, US-Dollar-Kursrenditen seit Jahresbeginn bis zum 15. Juni 2020. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.

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