"Trotz der Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und China bleibt das im Januar unterzeichnete Handelsabkommen der Phase 1 zwischen den beiden Ländern intakt. China kommt seiner Verpflichtung, im Jahr 2020 US-Produkte im Wert von 200 Milliarden Dollar zu importieren, zu einem guten Stück nicht nach, aber im Mittelpunkt der Diskussion stehen die Auswirkungen des Coronavirus und einige Verbesserungen in jüngster Zeit – zumindest für den Moment.
Aktuell steht das scharfe Vorgehen gegen chinesische Unternehmen unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit im Mittelpunkt, und das hat größere Auswirkungen für Investoren. Am Wochenende verlängerten die USA ihr hartes Durchgreifen gegen Huawei und zwangen die Verkäufer von Chips und Chipsätzen, eine Lizenz zu erwerben, um Produkte jedweder Art, die in den USA hergestellte Hardware oder Software verwenden, an Huawei verkaufen zu können. Das schneidet effektiv die Lieferkette zu Huawei ab, da selbst Chips, die in China von chinesischen Firmen hergestellt werden, auf in den USA hergestellter Hardware basieren. Obwohl China in den letzten Jahren große Bemühungen unternommen hat, autark zu werden, ist das Land bei weitem nicht in der Lage, dieses Hindernis zu überwinden. Das könnte in der Tat das Ende von Huawei bedeuten, wenn sich die Dinge nicht ändern.
Für China und für Präsident Xi Jinpeng ist das ein schwerer Schlag. Huawei galt als das Aushängeschild des „neuen“ China und war das Aushängeschild des 2015 von Xi angekündigten Projekts „Made in China 2025“. In den USA erregte die Ankündigung des Projekts einige Aufmerksamkeit, und obwohl die Chinesen seither die Bedeutung von „Made in China 2025“ herunterspielten, haben die in Washington sitzenden China-Falken ein klares Bild von den Zielen des Vorhabens vor Augen. Angesichts der Tatsache, dass chinesische Unternehmen schnell wachsen und in einigen Schlüsselindustrien immer größere Marktanteile erobern, ist es keine große Überraschung, dass Maßnahmen ergriffen wurden, um das Tempo dieses Fortschritts zu drosseln. Neben Huawei wurden auch gegen eine Reihe anderer chinesischer Unternehmen Sanktionen verhängt, sei es mit Berufung auf die nationale Sicherheit, Menschenrechtsverletzungen oder die Einhaltung von Prüfungsvorschriften. Sie alle zielen darauf ab, den unvermeidlichen Aufstieg chinesischer Unternehmen zu bremsen.
Es mag für Huawei keinen Weg zurück geben, und es mag nicht das einzige Opfer des amerikanischen Kampfes gegen die chinesische Hydra bleiben. Überraschend jedoch war die zurückhaltende Reaktion Chinas. Abgesehen von Vorwürfen der Schikane gegen die USA, Sanktionen gegen bestimmte US-Beamte, der Schließung eines US-Konsulats in Chengdu und einigen „Wie Du mir, so ich Dir“-Zollerhöhungen war die Reaktion verhalten. Vielleicht sehen die Chinesen dies als politische Einmischung in die US-Wahl im November an und warten den Ausgang der Wahl ab, um dann einen nachhaltigen Dialog mit dem Präsidenten – wer immer es sein wird – aufzunehmen. Eine Provokation dieses Ausmaßes muss ihre Geduld aber sehr strapazieren.
In technologischer Hinsicht hat China keinen Hebel, dafür sind die USA sind in den Kernbereichen von Halbleitern, Hard- und Software viel zu dominant. Jeder Versuch von Vergeltungsmaßnahmen wäre selbstzerstörerisch. Zwar haben große US-Anbieter wie Qualcomm, Micron, Texas Instruments, IPG und AMD ein starkes China-Exposure. Aber sie sind integraler Bestandteil der Technologie-Lieferkette, die China in den vergangenen Jahren ausgebaut hat, um an der Wertschöpfungskette in der Fertigung nach oben zu klettern und seine Abhängigkeit von kostengünstiger und margenschwacher Produktion zu reduzieren.
Anders sieht es auf dem Verbrauchermarkt aus. US-Marken waren in den letzten Jahren sehr erfolgreich beim Ausbau ihres Geschäfts und beim Verkauf von Produkten an stets kauflustige chinesische Verbraucher, bis zu dem Punkt, dass auf den Großraum China ein immer größerer Prozentsatz des Umsatzes und der Gewinne, vor allem aber ein noch größerer Prozentsatz des jährlichen Wachstums entfällt. Apple erzielt etwa 17% seines Umsatzes in China, andere Marken wie Nike, Starbucks, McDonalds, GM, Ford und Caterpillar ebenfalls im Bereich bis zu 25%. Bisher gab es keine Anzeichen dafür, dass die Nachfrage nach US-Waren durch die zunehmende Spannung zwischen den beiden Ländern beeinträchtigt wird, und in den staatlich geförderten Medien keinen Hinweis darauf, dass sich dies auf die Nachfrage nach US-Marken auswirken könnte. Es gibt jedoch Präzedenzfälle aus den Jahren 2012 mit Japan und 2017 mit Südkorea, in denen China wirtschaftliche Vergeltung übte, die die Nachfrage nach japanischen und koreanischen Marken erheblich beeinträchtigte.
Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt. Aber Xi wird nicht ewig tatenlos zusehen, wie seine Schlüsselprojekte und -ziele von US-Politikern demontiert werden. China war in den letzten zehn Jahren für einen immer höheren Prozentsatz des weltweiten BIP-Wachstums verantwortlich und wird es auch in den nächsten zehn Jahren sein. Infolgedessen wird ein höheres verfügbares Einkommen chinesischer Verbraucher einen höheren Konsum von ausländischen und einheimischen Markenartikeln bedeuten, so dass diese Gruppe einen großen Anteil am weltweiten Konsumwachstum hat. Amerikanische Unternehmen wollen und müssen von diesem Wachstum profitieren, da ihre Aktienkurse und Bewertungen davon abhängen. Es ist keine Karte, die Xi ausspielen möchte, aber es ist eine entscheidende Karte, die sicherlich nicht in Aktienkursen auf Rekordniveau eingepreist ist."
Mike Kerley, Portfoliomanager im Asien-Pazifik-Aktien-Team von Janus Henderson Investors