„In the short run, the market is a voting machine but in the long run, it is a weighing machine.”
„Kurzfristig bestimmt die Anlegerstimmung die Richtung am Markt, aber langfristig setzen sich die Fundamentaldaten durch.“ Benjamin Graham
Als Wachstumsanleger zitieren wir nur selten ehrwürdige Value-Investoren wie Benjamin Graham. Nachdem wir jedoch den Hype-Zyklus im Technologiesektor seit der Dot.com-Blase vor 20 Jahren erfolgreich gemeistert haben - und obwohl der Technologiesektor in vielerlei Hinsicht heute nicht mehr wiederzuerkennen ist - glauben wir, dass überzogene Bewertungen und überschwängliche Anleger nach wie vor eine Gefahr darstellen. Ein Markt, der zunehmend von Maschinen und passiven Mittelflüssen beherrscht wird, verstärkt Momentum-Strategien, während in einem Umfeld geringen Wachstums rekordtiefe oder Negativzinsen das Halten von Titeln mit längerer Duration (die empfindlicher auf Zinsveränderungen reagieren) attraktiver machen.
Phasen extremer Technologiebewertungen sind in der Regel nur von kurzer Dauer
Diese Markt- und Wirtschaftsfaktoren haben zusammen mit den sich beschleunigenden Technologietrends der letzten zehn Jahre, die durch die jüngsten tragischen Ereignisse der weltweiten Corona-Pandemie zusätzlich angeheizt wurden, den Nährboden für die Zunahme von extremen Bewertungsbereichen bereitet. Während es sich hier nur um Bereiche handelt, zeigt die Grafik zu den langfristigen Bewertungen von Technologieaktien (Abbildung 1), dass wir uns eindeutig in einer Phase befinden, in der die relative Bewertung der teuersten gegenüber den günstigsten Technologieaktien derzeit nicht nur auf historischen Höchstständen notiert, sondern buchstäblich aus dem Rahmen fällt.
Abbildung 1: Die Bewertung der teuersten im Vergleich zu den günstigsten Technologieaktien ist überzogen
Quelle: Bernstein Quant Team (Larson), per 1. Juli 2020.
Anmerkung: Die Grafik basiert auf Datenendpunkten für das Jahr 2019 und den aktuellen Datenpunkt zum 1. Juli 2020.
Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.
Die Grafik zeigt auch, dass sich im Technologiesektor zwar viel verändert, extreme Bewertungsunterschiede im Technologieuniversum aber nie von Dauer sind. Eine auffallende Besonderheit der außerordentlichen aktuellen Krise ist, dass die resultierende schwere Rezession zu einer tiefen Kluft zwischen den Wachstumsaussichten für nicht-zyklische Aktien und stärker konjunkturabhängigen, zyklischen Papieren geführt hat. Das gilt für den Technologiesektor ebenso wie für den Gesamtmarkt.
Ende April witzelte Microsoft-Chef Satya Nadella: „Zwei Jahre digitaler Transformation haben sich innerhalb von zwei Monaten vollzogen.“ Wichtige Technologietrends wie Internettransformation, Infrastruktur der nächsten Generation, Digitalisierung von Zahlungen, Prozessautomatisierung und künstliche Intelligenz haben sich während des Lockdowns und der Zeit, in denen Mitarbeiter von Zuhause aus arbeiten mussten, in atemberaubender Weise beschleunigt. Dementsprechend konnten natürlich viele ausgesprochene Wachstumsunternehmen eine deutliche Beschleunigung ihrer Wachstumsraten vermelden, was im Vergleich zu den starken Einbrüchen in vielen anderen Sektoren den Kontrast noch deutlicher macht. Einige Anleger nutzen diese Extremsituation, um Wachstum um jeden Preis zu rechtfertigen.
Letztendlich sind die Fundamentaldaten ausschlaggebend
Wir sind anderer Meinung. Wir schlagen seit Langem eine Bresche für diese Schlüsseltechnologie-Themen, haben aber Anleger stets daran erinnert, dass wir letztlich in eine Aktie und nicht in eine Technologie investieren. Um auf das Zitat von Benjamin Graham zurückzukommen: die kurzfristige Dynamik und irrationale Elemente können die Bewertung einer Aktie zwar über das aufgrund der Fundamentaldaten gerechtfertigte Niveau treiben, langfristig muss die Bewertung aber durch Gewinn und Cashflow untermauert werden. Aktuell lassen einige Anleger die Weisheit von Benjamin Graham außer Acht und verwenden lieber extrem riskante Bewertungstechniken wie Kurs-Umsatz und Kurs-adressierbarer Gesamtmarkt.
Letztendlich gehört uns als Aktionären ein Teil des Gewinns und der Cashflows eines Unternehmens. Die bloße Erwirtschaftung von Umsatz birgt langfristig keinen wirtschaftlichen Wert für Anleger. Eine wachsende Kategorie Aktien, vor allem im Wachstumssektor Software und den Profiteuren der Heimarbeit, wird derzeit mit mehr als dem 20-fachen ihres Umsatzes gehandelt, ohne dass sie einen Nettogewinn erwirtschaften und allenfalls einen geringen oder gar negativen Cashflow erzielen. Um eine solche Bewertung zu rechtfertigen, muss ein Anleger davon ausgehen, dass der Umsatz über viele Jahre stark wachsen und sich letztendlich in hohe Gewinnmargen und Cashflows umwandeln wird. Das setzt indirekt voraus, dass in der dynamischen Welt der Technologie ein Unternehmen über viele Jahre eine beherrschende Stellung einnehmen wird. Die Geschichte der Technologieanlagen ist gespickt mit Enttäuschungen solcher falschen Hoffnungen und übermäßigem Anlegervertrauen, die sich in Luft aufgelöst haben.
Warum wir diesen Hype-Zyklus erfolgreich meistern
Für uns als erfahrene, aktive Technologieanleger ist dieses Szenario nichts Neues. Die erfolgreiche Bewältigung dieses Hype-Zyklus ist in unseren Anlageprozess eingebettet. Dazu gehört unter anderen, dass wir ermitteln und verstehen, in welcher Phase des Hype-Zyklus sich eine neue Technologie befindet (Hype-, Annahme-, Reife-, soziale Anwendungsphase). So können wir Marktbereiche, die sich in der Hype-Phase befinden, vermeiden.
Die große Beliebtheit von thematischen Anlagen in den letzten Jahren und die Auflage von mehr aktiven und passiven Nischen-Themenfonds mit begrenztem Anlageuniversum hat die Nachfrage nach vielen Themen-Aktien, teilweise mit fragwürdigen Fundamentaldaten und Bewertungen, massiv geschürt. Der angeschlagene Zahlungsdienstleister Wirecard ist ein aktuelles Beispiel dafür, was für schlimme Folgen das haben kann. Wir haben es hier allerdings nur mit einer Nische im Technologiesektor zu tun, die zwar wächst, aber neben der dennoch eine Vielzahl anderer attraktiver Anlagemöglichkeiten im Sektor bleiben. Wie Abbildung 2 zeigt, ist die relative Bewertung im Technologiesektor derzeit unverändert attraktiv, wenngleich sie von der geschmälerten Ertragskraft anderer Sektoren profitiert. Der Technologiesektor baut seinen Anteil an der Weltwirtschaft seit Langem aus, und dieser Trend hat sich durch die aktuelle Krise, die herausragendes Gewinnwachstum beschert hat, rasant beschleunigt.
Abbildung 2: Relative Bewertung von Technologieaktien gegenüber globalen Aktien