Selbst die Federal Reserve scheint nicht zu wissen, welcher Zusammenhang zwischen der quantitativen Lockerung und den Zinssätzen bestehen soll. In Jackson Hole versuchte der Fed-Vorsitzende Powell, das Tapering und den Zeitpunkt, zu dem die US-Zinsen steigen könnten, explizit voneinander zu trennen. James Bullard, Präsident der St Louis Fed, scheint diesen speziellen Teil der Konferenz jedoch übersprungen zu haben, da er erneut das Ende der quantitativen Lockerung mit dem frühesten Zeitpunkt, zu dem die Zinsen angehoben werden könnten, verknüpfte. Den Märkten könnte man nachsehen, sollten sie durch die unterschiedlichen Aussagen verwirrt sein. Offensichtlich scheint es aber Meinungsverschiedenheiten über die Auswirkungen etwaiger politischer Änderungen innerhalb der wichtigsten Zentralbank der Welt zu geben.
Bullards Äußerungen veranschaulichten eine der Möglichkeiten, wie die Fed immer noch in ein paar Wochen für eine „hawkische“ Überraschung sorgen könnte, beispielsweise die Ankündigung eines rascheren Tapering-Plans. Bullard deutete an, dass er die Ankaufprogramme gerne bis zum Ende des ersten Quartals nächsten Jahres beendet sähe. Das wäre ein schneller sechsmonatiger Taper mit vermutlich 20 Milliarden Dollar pro Monat. Dies könnte wahrscheinlich schneller passieren als viele Anleger annehmen, da trotz Anstieg der realisierten und prognostizierten Inflation, die Fed bisher nur zögerlich die Konjunkturmaßnahmen reduziert.
Es gibt noch einen weiteren Faktor, der die Märkte beunruhigen könnte: der berüchtigte Dotplot der Fed. Der Median deutet derzeit darauf hin, dass die Zinssätze im Jahr 2023 zweimal angehoben werden könnten. Es bräuchte aber nur leichte Prognoseänderungen, für einen Anstieg bis Ende 2022 und einen entsprechend höheren Wert für 2023. Der nächste Dotplot dürfte auch die erste Iteration der Schätzungen für Ende 2024 zeigen. Die Märkte rechnen bis dahin nur mit vier bis fünf Zinserhöhungen, von denen der letzte Dotplot bereits einige anzeigt. Dies lässt jedoch Spielraum für eine „hawkische“ Überraschung, sollten die FOMC-Mitglieder glauben, dass ein Zinserhöhungszyklus in vollem Gange sein könnte.
Im Einklang mit dem längerfristigen Trend haben die nominalen Renditen von US-Treasuries seit Anfang August eine leichte Aufwärtsdynamik entwickelt. Die Breakeven-Renditen tendieren seit Anfang Juni seitwärts, da die Anleger nach einem Höhepunkt des Inflationsanstiegs und dann nach Anzeichen dafür suchen, wo sie sich einpendeln werden. Die realen Renditen von US-Treasuries haben sich allerdings im letzten Monat erholt, obwohl sie immer noch sehr nahe am Allzeittief liegen. Ein Anstieg der Realrenditen kann sich, angesichts des Einflusses auf den US-Dollar und die allgemeinen Bewertungen, auf viele Assets des gesamten Spektrums auswirken.
Oliver Blackbourn, Multi-Asset Portfolio Manager bei Janus Henderson Investors