- Die frühzyklische Erholungsphase hat die Bewertungen der Aktienindizes erhöht und könnte die Aktienrenditen kurz- bis mittelfristig beeinträchtigen
- Aktienanleger sollten sich auf einzelne Unternehmen konzentrieren, um zukünftig attraktive Renditen zu erzielen
- Die Bemühungen vieler Unternehmen sich auf eine post-pandemische, digitale Welt umzustellen, werden vom Markt unterschätzt, während Fundamentaldaten anderer die hohen Bewertungen nicht rechtfertigen
Seit die Corona-Pandemie die Weltwirtschaft ins Wanken brachte, waren makroökonomische Entwicklungen eine treibende Kraft auf den Finanzmärkten. Lockdowns, die einsetzenden Konjunkturmaßnahmen und die rasche Zulassung von Impfstoffen, überlagerten zeitweise wertpapierspezifische Faktoren und führten dazu, dass sich risikoreichere Anlageklassen (und in einigen Fällen Staatsanleihen) im Gleichschritt bewegten.
Zwar bestehen nach wie vor Risiken, einschließlich der Verbreitung der Delta-Variante, doch hat sich die Weltwirtschaft soweit erholt, dass die makroökonomischen Einflüsse auf die Anlageklassen bald nachlassen sollten. Das Schicksal der einzelnen Wertpapiere wird dann wieder von idiosynkratischen Faktoren bestimmt.
Da die Aktienbewertungen über den historischen Durchschnittswerten liegen, sollte die erneute Konzentration auf wertpapierspezifische Faktoren den Anlegern helfen, künftige Renditen zu maximieren und vor allem Marktbereiche zu meiden, in denen die hohen Bewertungen möglicherweise nicht durch die Fundamentaldaten gerechtfertigt sind.
BIP-Wachstum und Inflation weltweit
Nach einem Rückgang um 3,3 % im Jahr 2020 wird für dieses Jahr ein Anstieg des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 6,0 % prognostiziert. Verbesserte BIP-Prognosen sind aber nicht die einzigen Kräfte, die den Aktienmarkt nach oben treiben. Auch die Billionen US-Dollar der Zentralbanken weltweit spielen eine Rolle. Auf der Suche nach angemessenen Renditen dürfte ein Teil dieser Mittel in die Finanzmärkte geflossen sein, was dazu geführt hat, dass die Kurse bestimmter Aktien ein Niveau erreicht haben, das über ihrem Sachwert liegt.
Diese Liquiditätswelle macht sich nicht nur auf den Finanzmärkten bemerkbar. In der Realwirtschaft ist die Inflation in die Höhe geschnellt, und während sich die höheren Preise, die mit dem Nachfragestau einhergehen, als kurzlebig erweisen könnten, könnte sich die Inflation, die durch die Störungen in der Lieferkette und die höheren Löhne verursacht wird, als hartnäckiger erweisen.
Investoren müssen sich fragen, wie viele der „guten Nachrichten“ bereits eingepreist sind. Wenn das Wachstum hinter den Erwartungen zurückbleibt, können Aktien, die nur auf der zyklischen Welle reiten, anfällig sein. Ebenso kann eine zunehmende Regulierung für bestimmte Branchen zum Gegenwind werden. Sollte die Inflation hartnäckiger sein als erwartet, dürften Unternehmen, die höhere Inputkosten weitergeben können, besser positioniert sein als solche, die einen Margenrückgang hinnehmen müssen, um ihren Marktanteil zu verteidigen. In jedem dieser Fälle dürfte die Auswahl von Wertpapieren – und deren Vermeidung – eine immer wichtigere Rolle für die Anleger spielen.
Gestiegene Bewertungen, aber…
Die zunehmende Geschäftsaktivität und günstige finanzielle Bedingungen haben zu steigenden Aktienbewertungen beigetragen. Wenn die Anleger den ganzen Optimismus, der mit der wirtschaftlichen Erholung verbunden ist, ausreizen und die Politik sich auf eine Normalisierung zubewegt, müssen sich die Bewertungen an der Performance der Unternehmen messen lassen. Aktien, die weitgehend von den steigenden Märkten profitiert haben, könnten von einer Verschlechterung der Konjunkturprognose betroffen sein. Dazu gehören stark zyklische Unternehmen und solche, die mit säkularem Gegenwind konfrontiert sind, aber aufgrund von wahllosen Aktienkäufen einen Aufschwung erlebt haben.
Obwohl überdurchschnittlich hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse mit einer niedrigeren erwarteten Gewinnrendite einhergehen, sollten Anleger beachten, dass die am häufigsten genannten Kennzahlen auf Index- oder Sektorebene – und nicht auf Wertpapierebene – gelten. Da die Konzentration der wichtigsten Aktienindizes im letzten halben Jahrzehnt zugenommen hat, bedeuten die oft zitierten hohen Bewertungen der Indizes nicht, dass nur magere künftige Erträge zu erwarten sind.
Chancen für höhere Renditen bestehen, sind aber eher auf Wertpapierebene zu finden, da viele Unternehmen unterbewertet sind oder von Anlegern falsch eingestuft wurden. Die Zusammenstellung eines Portfolios aus diesen Unternehmen würde höchstwahrscheinlich zu einer anderen Zusammensetzung und einem anderen potenziellen Renditeprofil führen als die großen Benchmarks.
Business Models – nicht Nomenklatur
Unserer Ansicht nach haben sich die Anleger selbst einen Bärendienst erwiesen, indem sie dem Anlagestil gegenüber dem Geschäftsmodell eines einzelnen Unternehmens den Vorrang gaben. Während die jüngste Dominanz von Wachstumsaktien für viele lohnend war, haben steigende Marktkapitalisierungen zu konzentrierten Portfolios geführt und das Risiko einer Mehrfachkompression bei Wachstumsaktien mit langer Laufzeit erhöht, sollten die Zinsen steigen.
Wir bei Janus Henderson finden, dass Fundamentaldaten von Unternehmen nicht immer deren Bewertung rechtfertigen. Es gibt viele Deep-Value-Unternehmen mit einer glänzenden Zukunft, da sie sich einerseits effektiv für eine digitale Wirtschaft neu positioniert haben oder andererseits ihre Fähigkeit bewahrt haben kontinuierlich Cashflow zu generieren – trotz ihrer Zugehörigkeit zu unattraktiven Branchen. Umgekehrt haben einige wachstumsstarke Aktien ungeachtet der Begeisterung der Anleger möglicherweise keinen klaren Weg zur Rentabilität. In jedem Fall gehen wir davon aus, dass das Unternehmen und nicht die Branche die zukünftige Entwicklung dieser Aktien bestimmen wird.
Matt Peron, Director of Research bei Janus Henderson Investors