Evergrande-Krise: Vertrauensverlust oder Lage unter Kontrolle?

Es ist unwahrscheinlich, dass Evergrande allein eine Finanzkrise auslösen wird. Die chinesische Regierung informierte die Banken vergangene Woche darüber, dass das Unternehmen in dieser Woche keine Zinszahlungen vornehmen wird. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Regierung Maßnahmen ergreift, um die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft einzudämmen. Ein Kommentar von Jennifer James, Portfoliomanagerin und leitende Analystin für Schwellenländer bei Janus Henderson Investors: Janus Henderson Investors | 24.09.2021 16:05 Uhr
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"Obwohl viele Banken Geschäftsbeziehungen zu China unterhalten, ist nur die Minsheng Bank in nennenswertem Umfang betroffen. 10,6 % des gesamten Kreditportfolios entfallen auf Evergrande. Nichtsdestotrotz sind die NPLs (Non Performing Loans) für chinesische Banken immer noch gering und liegen je nach Bank zwischen 1-2 %, und die NPL-Deckung ist hoch. Sollte sich die Regierung jedoch dafür entscheiden, keine Maßnahmen für eine weiche Landung von Evergrande zu ergreifen – z. B. wenn sie nicht sicherstellt, dass die geschätzten 1,6 Millionen bezahlten aber noch nicht gebauten Wohnungen fertig gestellt werden – dann könnte es zu einer Krise kommen. Diese äußert sich in der Regel in einem Vertrauensverlust, der einen sogenannten „Run auf die Bank“ auslöst – die Kunden fordern ihr Geld gleichzeitig zurück, wodurch ein Teufelskreis entsteht. Die Regierung wird jedoch versuchen, eine Massenhysterie zu vermeiden und die Verbraucher vorher zu beruhigen. 

Die Krise begann sich bereits vor einem Jahr abzuzeichnen, als die „drei rote Linien“ informell eingeführt wurden und sich herausstellte, dass Evergrande alle drei – und weitere – verletzt hatte. Dadurch geriet das Unternehmen unter Druck, Schulden abzubauen. Gleichzeitig hat China eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um das Ziel des „gemeinsamen Wohlstands“ zu erreichen, d.h. die Mittelschicht zu Lasten der Superreichen und zu Gunsten der Unterschicht zu vergrößern. Der Immobiliensektor wurde in diesen Prozess verwickelt:  Es wurden neue Maßnahmen eingeführt, um die Preisinflation zu bremsen, das Wachstum der Bautätigkeit zu verlangsamen und sicherzustellen, dass die Bauunternehmen über solide Bilanzen verfügen.

In diesem Zusammenhang wurde eine Reihe breit angelegter und tiefgreifender Veränderungen eingeführt, die Chinas Privatsektor umgestalten könnten – angefangen bei der Technologiebranche, aber auch bei anderen Sektoren wie Bildung, Immobilien, Gesundheitswesen und jetzt auch Glücksspiel (in Macau). Die Umsetzung dieser Veränderungen ist mit Risiken und Verlusten verbunden. China ist jedoch aufgrund seiner Top-Down-Entscheidungsfindung in einer einzigartigen Position, um politische Änderungen schnell vorzunehmen und zu korrigieren.

Diese politischen Änderungen sind strategischer Natur und werden wahrscheinlich zu strukturellen Wachstumshemmnissen führen. Sie dienen jedoch nicht dazu, den Immobiliensektor zu vernichten, der immer noch ein großer und wichtiger Teil der Wirtschaft ist. Er macht fast 30 % des BIP aus, leistet einen wesentlichen Beitrag zu den Einnahmen der Provinzen (in Form von Grundstücksverkäufen) und beschäftigt Millionen von Menschen. Vor diesem Hintergrund muss man unterscheiden, was ein Evergrande-spezifisches Problem ist und was nicht. Es gibt Zehntausende von Bauträgern in China und viele von ihnen werden die Flaute in der Baubranche nicht überleben – weil sie nicht groß genug sind, nicht rentabel genug sind, weil ihre Gewinnspannen sinken und weil sie nur begrenzten Zugang zu Kapital haben. Diejenigen, die überleben, werden wahrscheinlich mit sinkenden Umsätzen, schrumpfenden Margen und Konsolidierung konfrontiert werden. Zudem könnte der Sektor stärker von der Regierung kontrolliert werden.

Politische Änderungen, die eine Dämpfung des Immobiliensektor bewirken sollen, könnten zu einer geringeren Verbrauchernachfrage führen, da Immobilien 70 % des Vermögens der chinesischen Haushalte ausmachen. In Verbindung mit den fortlaufenden Corona-Lockdowns dürfte das die ohnehin schon schleppende Verbrauchernachfrage weiter unter Druck setzen. Darüber hinaus wird Chinas Null-Toleranz-Politik bei Corona wahrscheinlich auch künftig zu weiteren Lockdowns führen. Auf makroökonomischer Ebene könnte eine geringere Verbrauchernachfrage zu einem niedrigeren Umsatz für multinationale Unternehmen führen, die zuvor von den chinesischen Verbrauchern im Inland unterstützt wurden.

Wir sehen bereits einen Rückgang bei einigen Rohstoffpreisen als Reaktion auf den erwarteten Wachstumseinbruch in China. Die Preise für Eisenerz, einen wichtigen Bestandteil von Stahl und dementsprechend ein wichtiger Rohstoff für den Bau- sowie Infrastruktursektor, sind gesunken. Es liegt nahe, dass auch andere Rohstoffe, die im Wohnungsbau verwendet werden, im kommenden Jahr aufgrund der geringeren Nachfrage einen Preisrückgang erleben werden.

Vor dem Ausverkauf wurde Evergrande – wie die meisten chinesischen Immobilienwerte  ̶  von asiatischen Anlegern gehalten, wobei auch einige europäische Investoren beteiligt waren. Die meisten Anleger werden institutionell sein, da die Beteiligung von Kleinanlegern sehr kompliziert ist. Nach den derzeitigen Marktpreisen werden die Anleger in den US-Dollar-Anleihen von Evergrande wahrscheinlich nur sehr wenig zurückerhalten, nämlich mittlere bis hohe 20 %, ohne dass ein Koupon zu erwarten ist. Das wahrscheinlichste Ergebnis ist, dass das Unternehmen mit den Gläubigern eine Umstrukturierungsvereinbarung treffen wird.  

Wie China mit Evergrande und anderen Unternehmen umgeht, könnte von großer Bedeutung sein. Bei Missmanagement könnte sich der Vertrauensverlust auf andere Finanzmärkte auswirken, insbesondere auf andere HY-Märkte. Wenn die Situation geordnet und gut gemanagt wird, können die Anleger zu Recht davon ausgehen, dass es sich hier um eine Besonderheit handelt, die nur begrenzte Auswirkungen auf andere Finanzmärkte hat."

Jennifer James, Portfoliomanagerin und leitende Analystin für Schwellenländer bei Janus Henderson Investors

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