Ein Beispiel dafür ist das Jahr 2021. Im letzten Quartal 2020 waren die Märkte von Unsicherheiten geprägt. Wer würde der nächste Präsident der Vereinigten Staaten sein? Wie wirksam sind die Impfstoffe? Würde es zu einem No-Deal-Brexit kommen? Die Antworten sorgten dann für gute Stimmung und trugen dazu bei, dass die Aktienmärkte Rekordwerte erreichten. In Verbindung mit der geld- und fiskalpolitischen Freigiebigkeit, die für die Pandemie charakteristisch war – und die möglicherweise zu einer Überstimulierung der Volkswirtschaften führte – könnte jedoch der Grundstein für eine höhere Marktvolatilität im Jahr 2022 gelegt worden sein.
Inflation: anhaltend oder vorübergehend?
Die Inflationsdebatte hat das Jahr 2021 geprägt, und zwar sowohl aufgrund ihres Ausmaßes als auch der Frage, wie die Zentralbanken darauf reagieren könnten. Die Märkte haben bereits höhere Zinssätze eingepreist. Es besteht jedoch das Risiko eines politischen Fehlers seitens der Zentralbanken, die versuchen, einen Weg zurück zur Normalität zu finden. Da die Inflation zeitverzögert erfasst wird, könnte eine Anhebung der Zinssätze zur Inflationsbekämpfung mehr schaden als nutzen, sollten die verzögerten Daten mit einem Inflationsrückgang in Echtzeit zusammenfallen.
Schaubild 1: Der Inflationsdruck war 2021 höher als erwartet
Quelle: Refinitiv Datastream, Janus Henderson Investors, 1. Januar 2010 bis 15. Oktober 2021. Die Inflation wird anhand des Verbraucherpreisindex (VPI) für die USA, Großbritannien und den Euroraum gemessen.
Die Aussicht auf höhere Finanzierungskosten wirft einen Schatten auf eine der stärksten Antriebskräfte der jüngsten US-Aktienmarktentwicklung: die Technologie. Ohne die Lockdowns, die den digitalen Wandel vorantrieben und das Ertragspotenzial in die Höhe schnellen ließen, sind kleinere Nasdaq-Titel möglicherweise nicht mehr so verlockend wie beispielsweise Amazon und Microsoft, die ihren Wert weiterhin beweisen.
Wir haben auch beobachtet, dass bei bestimmten Nachrichten die Märkte gelegentlich in den Risk-Off-Modus wechselten – sei es, dass die Zentralbanken ihre Absicht signalisierten, die Anleihekäufe zu reduzieren, oder dass es zu Versorgungsengpässen im Energiesektor, zu Transport- und Logistikproblemen oder zu Angstreaktionen bei der chinesischen Immobiliengesellschaft Evergrande kam. In jüngster Zeit wurde das Marktvertrauen durch den jüngsten mutierten Virusstamm „Omikron“ gestört. Dieser hat die Bedenken über die globalen Wirtschaftsaussichten sowie persönliche Ängste bezüglich der Wirksamkeit bestehender Impfstoffe wieder aufleben lassen.
Aufgrund dieser Faktoren sind wir bezüglich der Märkte etwas vorsichtiger geworden. Insgesamt könnten die Unternehmen, die nachweislich Marktanteile gewinnen und/oder höhere Kosten kompensieren können, weiterhin mit Kursgewinnen belohnt werden. Die Aktienmärkte sind allerdings wenig geduldig, wenn es um Enttäuschungen geht. Das könnte weiterhin ein günstiges Umfeld für Short-Positionen bieten.
Großbritannien: das Land der unbegrenzten Möglichkeiten?
Einen Bereich, den wir besonders hervorheben möchten, ist der britische Markt. Hier hat eine Kombination aus niedrigen Bewertungen, pandemischer Unsicherheit und den Nachwirkungen des Brexit dazu geführt, dass der relative Abschlag auf britische Aktien auf ein Mehrjahreshoch gestiegen ist. Während ein umfassendes Serviceabkommen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union (EU) noch in weiter Ferne zu liegen scheint, hat die Brexit-Einigung in letzter Minute Ende 2020 die Marktwahrnehmung drastisch verändert. Da die Risiken eines „schlimmeren als befürchteten Ausgangs“ scheinbar abgewendet wurden, löste dies eine Flut von Fusions- und Übernahmeaktivitäten aus, hauptsächlich aus den USA. Die öffentlichen Märkte hinken jedoch oft hinterher. Diese Kombination aus niedrigen Bewertungen und allgemeineren Unsicherheiten (globale Lieferkettenprobleme, Inflationsängste usw.) hat zu unserer Ansicht geführt, dass viele britische Aktien nach wie vor fundamental falsch bewertet sind – siehe Abbildung 2.
Schaubild 2: Der britische Markt wird mit einem starken Abschlag gegenüber den USA und Europa gehandelt
Quelle: Janus Henderson Investors, Bloomberg, 2. Dezember 2011 bis 26. November 2012. Hier wird der FTSE 100 Index mit dem S&P500 Index und dem Euro Stoxx 50 Index verglichen, wobei der relative Abschlag für das durchschnittliche 12-Monats-Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) in Prozent angegeben wird. Dies ist ein häufig verwendeter Indikator für den relativen Wert zwischen zwei verschiedenen Märkten. Das Forward-KGV basiert auf einer Vorhersage künftiger Gewinne über den relevanten Zeitraum (in diesem Fall 12 Monate). Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.
Schwerpunkt auf Aktien
Wir sind der Ansicht, dass die Flexibilität von Absolute-Return-Anlagen ein nützliches Instrument sein könnte, das den Anlegern hilft, mit den Bewegungen der Zentralbankpolitik und den wechselnden Stimmungen an den Märkten zurechtzukommen. Wir bleiben vorsichtig gegenüber Fehlentscheidungen der Zentralbanken und der Erwartung einer weniger akkommodierenden Geldpolitik durch den Markt. Die verzögerte Inflationsberichterstattung bedeutet, dass der vor uns liegende Weg nach wie vor unsicher ist. Zumal Omikron uns daran erinnert hat, dass die Pandemie weiterhin anhält und Fragen zur Erholung aufwirft, die von der Wirksamkeit der Impfstoffe abhängt. Wir sind der Ansicht, dass der britische Markt im Vergleich zu anderen Märkten wie den USA und Europa nach wie vor unterbewertet ist, und beobachten den derzeitigen Hype der Übernahmeaktivitäten. Es herrscht jedoch nach wie vor ein von Unsicherheit geprägtes Umfeld, das zahlreiche Anlagemöglichkeiten bietet, sowohl auf der Long- als auch auf der Short-Seite.
Luke Newman, Portfoliomanager bei Janus Henderson Investors