In den letzten Monaten erreichten die Märkte neue Höchststände, um dann mit dem Auftauchen der Omikron-Variante wieder ins Wanken zu geraten. Es ist noch zu früh, um die Schwere der neuen Variante und ihre eventuellen wirtschaftlichen Auswirkungen zu bewerten. Allerdings ist die Impfquote jetzt deutlich höher als zu Jahresbeginn: Etwa 70 % der US-Bevölkerung sind zumindest teilweise geimpft.1 Diese höhere Quote in Verbindung mit der bevorstehenden Markteinführung von antiviralen Oral-Medikamenten könnten dazu beitragen, die von der Variante ausgehenden Gesundheitsrisiken zu reduzieren. Bislang waren die wirtschaftlichen Auswirkungen jedes neuen Virusstamms geringer, und es ist unwahrscheinlich, dass die Regierung weitreichende Lockdowns verhängt, wie zu Beginn der Pandemie.
Die endemische Phase dieser Pandemie hat jedoch einen unvorhersehbaren Verlauf genommen. Eine der Kernfragen ist, ob wir uns 2022 in einer „Groß-E“- oder „Klein-e“-Phase der Pandemie befinden werden. Das wird davon abhängen, wie kontrollierbar das Virus in den nächsten Monaten wird. Obwohl wir uns der anhaltenden Risiken bewusst sind, bleiben wir hinsichtlich der Wachstumsprognosen für US-Unternehmen im kommenden Jahr insgesamt zuversichtlich. Die Anleger sollten sich, wie immer, auf die Faktoren konzentrieren, die das langfristige Wachstum vorantreiben, während wir uns weiter durch das Auf und Ab der Pandemie bewegen.
Die Ausbreitung der Delta- und nun auch der Omikron-Variante, die zunehmenden Lieferkettenprobleme und der Inflationsdruck haben das Wachstum sicherlich in gewissem Maße beeinträchtigt. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich die Wirtschaftstätigkeit 2022 weiter normalisieren wird, und erwarten ein gutes Jahr für das Gewinnwachstum. Die Lieferkettenprobleme waren auf angebots- und nachfragebedingte Faktoren zurückzuführen: Zunächst kam es zu Beginn der Pandemie zu panikartigen Auftragsstornierungen und zu Corona-bedingten Werksschließungen, die zu Versorgungsengpässen führten. Darauf folgten umfangreiche staatliche Konjunkturprogramme und die fehlende Möglichkeit der Verbraucher, diese Mittel für Dienstleistungen wie Reisen und Restaurantbesuche auszugeben. Dies führte letztlich zu einem überdurchschnittlich hohen Warenkonsum der Verbraucher in den USA.
Wir sind zuversichtlich, dass sich diese Faktoren allmählich normalisieren. Damit die Wirtschaft jedoch zu einem ausgewogeneren Verhältnis zwischen Waren und Dienstleistungen zurückfindet, ist ein günstigeres Corona-Umfeld erforderlich. Sobald sich die Wirtschaft normalisiert, werden sich auch die Zinsen normalisieren – und damit setzt sich das Hin und Her der letzten Monate zwischen Zinsen und Bewertungen fort, was die Wahrscheinlichkeit weiterer Marktschwankungen erhöht.
Mit der Normalisierung dieser Faktoren dürften viele der aktuellen Inflationssorgen vorübergehender Natur sein. Da sich die US-Wirtschaft jedoch von der Globalisierung zurückzieht, glauben wir, dass wir uns in der Anfangsphase einer anhaltenden Lohninflation im unteren Einkommensbereich befinden. Wir gehen davon aus, dass diese Lohninflation den Unternehmen ohne Preissetzungsmacht einen gewissen Margendruck bescheren wird. Dies sollte jedoch durch ein höheres Ausgabeniveau der Gesamtwirtschaft ausgeglichen werden. Die Preissetzungsmacht ist sowohl in einem inflationären als auch in einem deflationären Umfeld eines der wichtigsten Unternehmensattribute. Daher finden wir es wichtig, in Unternehmen zu investieren, die ihre Preise nach Bedarf anheben können.
2021 haben sich einige zyklische, wertorientierte Aktien stark erholt. Wir sind jedoch nach wie vor der Meinung, dass die Digitalisierung in allen Wirtschaftssektoren ein Hauptfaktor für nachhaltiges Wachstum sein wird. Zur Verdeutlichung lassen sich die prognostizierten Investitionsausgaben (Capex) – die Investitionen für künftige Wachstumsprojekte beinhalten – für eine Aktie aus dem Energiesektor mit mehreren Wachstumswerten vergleichen. Während ExxonMobil im Jahr 2022 voraussichtlich 22 Mrd. US-Dollar in Capex investieren wird, wird Amazon voraussichtlich 46 Mrd. US-Dollar ausgeben, und eine Reihe anderer Wachstumsunternehmen werden voraussichtlich 28 Mrd. US-Dollar oder mehr investieren.2
Während also eine Inflationsgefahr besteht, erscheinen Aktien mit Free-Cashflow-Renditen, die höher sind als die Renditen anderer Anlageklassen, in Verbindung mit dem Potenzial für ein erhebliches Free-Cashflow-Wachstum auf relativer Basis attraktiv. Wir sind der Meinung, dass Unternehmen mit vielversprechenden Wiederanlagemöglichkeiten, vertrauensvollen Beziehungen zu ihren Kunden und einem gewissen Maß an Preissetzungsmacht weiterhin erfolgreich sein können, unabhängig davon, ob wir in einem inflationären oder deflationären Umfeld investieren.
1 Quelle: Centers for Disease Control, Stand: 30.11.21.
2 Quelle: Bloomberg und Unternehmensangaben.
Doug Rao, Portfoliomanager bei Janus Henderson