Im Vorfeld einer für Europa bedeutenden Woche gab der Euro einen Warnschuss an die Märkte ab, als er gegenüber seinem wichtigsten Handelspartner eins zu eins gehandelt wurde. Dieser Umstand hat das Interesse an einer schnelleren Straffung der EZB-Leitzinsen erneut geweckt; in den nächsten beiden Sitzungen sind nun Zinserhöhungen um 100 Basispunkte eingepreist. Dies könnte darauf hindeuten, dass die EZB bereits in dieser Woche größere Zinsschritte in Höhe von 50 Basispunkten vornehmen wird, was im Widerspruch zu Lagardes erklärter Absicht steht, die Zinssätze zunächst nur allmählich und mit relativ bescheidenen 25 Basispunkten zu erhöhen. Die EZB könnte auch mit einer moderaten Anhebung um 25 Basispunkte, gefolgt von einer Anhebung um 75 Basispunkte, auf 100 Basispunkte kommen, doch scheint dies im Moment unwahrscheinlich.
Obwohl die Falken im Ausschuss immer lauter nach schnelleren Zinserhöhungen rufen und die Euro-Parität schmerzt, gehen wir weiterhin davon aus, dass die EZB bei ihrem Kurs bleibt und die Zinsen im Juli um 25 Basispunkte anhebt, aber auch ihre Absicht bekräftigt, in den folgenden Sitzungen aggressiver vorzugehen, und zwar mit möglichen 50 Basispunkten sowohl im September als auch im Oktober.
Die EZB ist aus vielen externen und internen Gründen gefordert. Ungeachtet der Euphorie über die Straffungspolitik der Zentralbanken, die die Märkte erfasst hat, hat die EZB keine Möglichkeit zu mitzuhalten. Das europäische Wachstum und die relativ gedämpfte pandemische Fiskalpolitik rechtfertigen nicht die gleiche Reaktion, und obwohl dies nicht das Basisszenario der EZB ist, droht eine Rezession.
Während die Wachstumsaussichten für Europa und die USA im nächsten Jahr divergieren, steht die EZB vor einem unmittelbaren und bedeutenden Hindernis: der Fragmentierung.
Angesichts des unmittelbaren Fragmentierungsrisikos, das die EZB daran hindern könnte, die Zinssätze so weit wie erforderlich anzuheben, hat die EZB mit ihrer außerordentlichen Sitzung, auf der sie ein neues Instrument gegen die Fragmentierung vorstellte, den Kurs auf eine präventive Geldpolitik gelenkt. Wir glauben, dass dies positiv ist, aber es mangelt an Klarheit über die Details.
Die EZB hat zwar angekündigt, dass künftig fällig werdende Anleihen im Rahmen von PEPP viel früher reinvestiert werden können und flexibler sind (d.h. auf Peripheriestaaten abzielen). Dies ist an sich zwar hilfreich, wird aber nicht ausreichen, um die Finanzierung in ganz Europa, insbesondere in Italien, zu unterstützen.
Über die Einzelheiten eines zweiten, schärferen Instruments wurde keine Einigung erzielt. Wir vermuten, dass dieses Instrument ähnlich wie OMT 2.0 sein, aber mit dem NGEU-Rahmen verknüpft und unbegrenzt sein wird. Dies wäre eine gute Nachricht. Sollte es auf der Sitzung in dieser Woche angekündigt werden, würden wir eine kurzfristige Entlastung erleben, die den Euro wieder in Schwung bringen würde. Ein klares und umsetzbares Fragmentierungsinstrument wird es der EZB ermöglichen, Zinserhöhungen durchzusetzen.
Längerfristig erwarten wir immer noch, dass die Wachstumssorgen überwiegen und der US-Dollar bis 2023 stark bleibt. Die Stimmung in Europa ist schlecht, zumal im Winter eine Eskalation der Energiekrise droht.
Die Parität ist eine psychologische und emotionale Marke für die Märkte. Aber im Gegensatz zu emotionalen Dingen kann man dem Euro einen Wert zuschreiben, und es könnte noch mehr passieren.
Bethany Payne, Global Bonds Portfolio Manager bei Janus Henderson Investors