- Höhere Zinsen, Inflation und Aussichten auf eine Konjunkturabschwächung als Gegenwind für den Technologiesektor
- Paradox: viele der besten relativen Performer des Sektors sind niedrig bewertete etablierte Unternehmen mit gefährdeten Marktpositionen
- Langfristig gut positioniert sind unser Ansicht nach innovative Technologieunternehmen, die leistungsstarke Themen wie Cloud Computing, KI, das Internet der Dinge und 5G einsetzen
Globale Technologietitel erlebten im Juli einen bemerkenswerten Aufschwung. Jedoch verwundert einige Anleger die schwache Performance des Sektors im bisherigen Jahresverlauf. Wie konnte es dazu kommen, dass Unternehmen, die angeblich die Antreiber einer sich digitalisierenden Weltwirtschaft sind, so schnell in Ungnade fielen und allgemein den Aktienmarkt in eine Bärenmarktphase führten? Was hat sich über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren verändert? Unsere Antwort: sehr wenig. Genau wie in der Pandemiezeit sind wir der Meinung, dass eine abflauende Weltkonjunktur neben nicht zu ignorierenden Herausforderungen auch Chancen mit sich bringt.
Unaufhaltsamen Kräfte: höhere Zinsen und Inflation
Dieses Jahr haben größtenteils makroökonomische Faktoren Tech-Aktien belastet, da die Investoren Gegenwind wie Inflation, steigende Zinsen und eine potenzielle Konjunkturverlangsamung sowie deren Auswirkungen auf Unternehmens-Fundamentaldaten sowie Aktienkurse berücksichtigt haben. Es war ein Jahr des Umbruchs, da die Ära der äußerst akkommodierenden Geldpolitik – vielleicht abrupter als erwartet – zu einem Ende gekommen ist. Viele Wachstumstitel, die auf technologieorientierte, langfristige Themen ausgerichtet sind, gerieten unter Druck, da steigende Zinssätze den zukünftigen Wert ihrer Cashflows reduzierten. Später, als die Zentralbanken ernsthaft gegen die Inflation vorgingen, verloren auch zyklisch wachsende Technologiewerte an Boden, da sie durch eine mögliche Abschwächung der Wirtschaft gebremst wurden.
Kurzfristig können makroökonomische Faktoren (z.B. Zinssätze und Inflation) und Stilfaktoren (z.B. Bewertungsmultiplikatoren) einen erheblichen Einfluss auf die Aktienperformance haben. Längerfristig sind wir jedoch der Ansicht, dass Fundamentaldaten die endgültige Determinante der Anlagerenditen sind. Unserer Ansicht nach sind die Unternehmen, die auf längere Sicht attraktive Ergebnisse erzielen können, weiterhin diejenigen, die thematisch auf die fortschreitende Digitalisierung der Weltwirtschaft ausgerichtet sind. Dazu gehören vor allem künstliche Intelligenz (KI), die Cloud, das Internet der Dinge (Iot) und 5G-Konnektivität.
Ein zweigeteilter Markt
Paradoxerweise handelt es sich bei vielen der Tech-Unternehmen, die sich in diesem Jahr am besten gehalten haben, um alteingesessene Namen, die nur wenig mit den oben genannten langfristigen Themen zu tun haben. Wachstumsschwache Aktien weisen in der Regel ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf, was bedeutet, dass sie weniger anfällig für Schwankungen der Zinssätze sind. Im Gegensatz dazu weisen viele der Wachstumswerte, die auf dauerhafte Themen ausgerichtet sind, tendenziell höhere Kurs-Gewinn-Verhältnisse auf. Wir sind uns zwar bewusst, dass die Märkte und damit auch die Bewertungen überhitzt werden können, glauben aber, dass viele langfristig orientierte Wachstumsunternehmen höhere relative Bewertungen aufweisen sollten, da sie unserer Meinung nach einen immer größeren Anteil am Wachstum der Unternehmensgewinne haben werden. In Zeiten steigender Zinsen können diese Aktien jedoch aufgrund des Mechanismus, der zur Diskontierung ihrer Cashflows verwendet wird, unterdurchschnittlich abschneiden.
Technologie- und Internet-Kurs-Gewinn-Verhältnis im Jahr 2022
Die Komprimierung der Gewinnmultiplikatoren war 2022 ein wichtiger Faktor für Renditen im Technologiesektor, da die Anleger höhere Diskontsätze in die Aktienbewertungen einbeziehen.
Quelle: Bloomberg, per 2. August 2022. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) basiert auf gemischten 12-Monats-Gewinnschätzungen.
Wichtig ist, dass viele dieser Unternehmen weiterhin solide Fundamentaldaten aufweisen, was sich in den jüngsten Ergebnisberichten zeigt, die im Großen und Ganzen besser als befürchtet ausgefallen sind. Eine unserer Schlussfolgerungen aus der aktuellen Gewinnsaison ist, dass viele der widerstandsfähigsten und innovativsten Unternehmen des Sektors weiterhin eine hohe Wirtschaftlichkeit und gesunde Bilanzen aufweisen.
Wachstumsschmerzen
In vielen Fällen, in denen sich die Unternehmensperformance verschlechterte, war dies ironischerweise das Ergebnis früherer Erfolge. Nach ihrem kometenhaften Aufstieg zu Beginn der Corona-Pandemie haben die E-Commerce-Aktien deutlich an Fahrt verloren. Es mag lange her erscheinen, aber das Online-Shopping vor der Pandemie war ein viel kleinerer Teil der gesamten Verbraucheraktivitäten. Diese Plattformen konnten über den gesamten Konjunkturzyklus Marktanteile gewinnen, da immer mehr Haushalte von ihrer Bequemlichkeit überzeugt wurden. Angesichts der beschleunigten Akzeptanz des Online-Shoppings während der Lockdowns übt die Entwicklung der Gesamtwirtschaft nun einen größeren Einfluss auf die Gewinnaussichten dieser Unternehmen aus. Dementsprechend haben Anzeichen, dass sich die höhere Inflation auf bestimmte Konsumausgaben auszuwirken beginnt, einen makroökonomischen Gegenwind für E-Commerce-Plattformen geschaffen, mit dem sie in der Vergangenheit nicht konfrontiert waren. Diese Entwicklung ist ein weiterer Reifeprozess, den der Technologiesektor bewältigen muss.
MSCI All-Country World Technology Index Gewinnschätzungen nach Teilindustrien.
Quelle: Bloomberg, per 2. August 2022.
Das gleiche Phänomen hat sich auch auf Internet-Aktien ausgewirkt. Der Anteil der Online-Werbung am gesamten Werbemarkt ist auf rund 60 % gestiegen. Da sich die Konjunktur abschwächt, bekommen die Internetplattformen den Druck der gekürzten Werbebudgets jetzt viel stärker zu spüren als zu Zeiten, als sie noch kleinere Akteure waren. Darüber hinaus sehen sie sich mit langfristigen Veränderungen im Datenschutzbereich konfrontiert.
Sobald die Wolken sich verziehen
Die Inflation hat die US-Notenbank zu einer beschleunigten Straffung der Geldpolitik gezwungen, so dass eine Verlangsamung des Wachstums – oder eine anhaltende Rezession – zu einem nicht auszuschließenden Szenario geworden ist. Dies stellt einen Gegenwind für die Tech-Branche dar. Höhere Zinssätze könnten die Bewertungen von Aktien mit langfristigem Wachstum unter Druck setzen, und eine Konjunkturabschwächung könnte die Gewinnaussichten von zyklischeren Unternehmen beeinträchtigen. E-Commerce und Halbleiter scheinen anfällig für eine Verlangsamung zu sein, ebenso Software. Die schwächere Auftragslage könnte zu einem gewissen Grad dadurch ausgeglichen werden, dass die Kunden versuchen, die Cloud und andere Anwendungen zu nutzen, um die Effizienz zu steigern und die Gewinnspannen zu verteidigen – Initiativen, die in Zeiten eines sich verlangsamenden Umsatzwachstums oft Vorrang haben. Die fortschreitende Umstellung von Software auf Cloud-basierte Plattformen bedeutet auch, dass damit verbundene Modelle für wiederkehrende Umsätze sie weniger anfällig für Budgetkürzungen der Kunden machen könnten.
Ein zentrales Element des „zyklischen Wachstums“ ist die Verringerung der Amplitude der operativen Spitzen und Talsohlen von Unternehmen, da ihre Produkte immer häufiger eingesetzt werden. Ein Beispiel für diese Entwicklung sind unserer Ansicht nach Halbleiterunternehmen, die nicht nur von einer immer größeren Menge an Chips in der gesamten Wirtschaft profitieren, sondern auch von einer langen Phase der dringend benötigten Rationalisierung der Industrie. Höhere Kapitalkosten und eine Rationalisierung der Lieferketten bergen jedoch das Potenzial, das Niveau der zunehmend chipintensiven Investitionsausgaben zu senken. Bislang hat sich der Halbleiterkomplex mit Ausnahme der verbraucherorientierten Bereiche wie PCs, Smartphones und Speicher relativ gut gehalten.
Wie auch in anderen Sektoren ist der Konjunkturzyklus für die Technologiebranche von Bedeutung. Das Gleiche gilt für Zinsen und die Produktnachfrage angesichts einer generationenübergreifend hohen Inflation. Die Kombination aus überschüssiger Liquidität und Begeisterungsstürmen kann auch dazu führen, dass die Bewertungen auf ein Niveau steigen, das nicht von den Fundamentaldaten gestützt wird. Die Bewältigung dieser breiteren Risiken ist ein wesentlicher Bestandteil der Aktienanlage. In diesem Sinne sitzen die Managementteams des Technologiesektors und die Investoren im selben Boot, was bedeutet, dass sie sich darauf konzentrieren sollten, wie Technologie zunehmend in der Weltwirtschaft eingesetzt wird und wie sich dies in attraktiven Finanzergebnissen niederschlägt.
Denny Fish, Portfolio Manager bei Janus Henderson Investors