Die Inflation in der Eurozone entsprach exakt den vorläufigen Daten: 0,8 % Gesamtinflation im Monatsvergleich und 5,6 % Kerninflation im Jahresvergleich. Damit bewegt sich die Kerninflation (ohne Energie) in Europa weitgehend auf dem gleichen Niveau wie in den USA, allerdings mit einem immer noch großen Zinsgefälle. Die Europäische Zentralbank hat am Donnerstag die Zinssätze um 50 Basispunkte angehoben, und es wird erwartet, dass die US-Notenbank in der nächsten Woche die Zinssätze um 25 Basispunkte anhebt. Damit verringert sich die Zinsdifferenz ein wenig. In Anbetracht der jüngsten Finanzmarktturbulenzen mit Bankenkrisen auf beiden Seiten des Atlantiks war die gestrige Zinserhöhung der EZB um 50 Basispunkte ein mutiger Schritt. Die Anhebung erfolgte gemäß den ursprünglichen Erwartungen, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass im europäischen Bankensystem größere Gefahren lauern. Wichtig ist, dass die EZB die „Forward Guidance“ gestrichen hat und neu formuliert, dass sie bereit ist, bei Bedarf einzugreifen, um die Finanzstabilität zu wahren. Die Zentralbank senkte auch ihre Inflationsprognosen für dieses Jahr und bis 2025 und erwartet nun 5,3 % für 2023 (bei der letzten Prognose im Dezember waren es 6,3 %) und 2,9 % für 2024 (vorher 3,4 %).
Wir teilen die Einschätzung, dass sich der Inflationsdruck in den kommenden Monaten leicht abschwächen wird. Wir glauben aber, dass die Kerninflation im Laufe der Jahre 2023 und 2024 hartnäckig und etwas höher als von den Zentralbanken angepeilt, bleiben wird. Die Inflationsprognose der EZB für 2023 erscheint realistisch, aber die Prognose für 2024 könnte sich als etwas optimistisch erweisen. Da die Geldpolitik jedoch mit einer Zeitverzögerung von bis zu einem Jahr wirkt, gehen wir weiterhin von einer Unterbrechung und einem Plateau der geldpolitischen Straffung durch die Zentralbank im zweiten Halbjahr 2023 aus, um die eingehenden Wirtschaftsdaten zu bewerten. Wir bleiben dabei, dass ein Kurswechsel der Zentralbank hin zu deutlich niedrigeren Zinssätzen, wie ihn die aktuellen Marktpreise implizieren, unserer Ansicht nach unrealistisch ist. Die Pause und das Plateau werden ein gutes Risk-on-Signal für die Aktienmärkte sein. Allerdings werden Value-Aktien und frühzyklische Titel eine Outperformance erzielen, während hoch bewertete Aktien unserer Meinung nach wieder unterdurchschnittlich abschneiden werden
von Robert Schramm-Fuchs, Portfolio Manager, Janus Henderson Investors