Diese FOMC-Sitzung fand in einem Umfeld größter Zinsunsicherheit der Investoren seit der Finanzkrise statt. Seit der letzten Fed-Sitzung Anfang Februar stiegen in dem Monat die Marktbewertungen für die Dezember US-Zinssätze um 1 %, bevor sie im März angesichts der Probleme im Bankensektor um fast 2 % einbrachen. Wenngleich in den letzten Tagen eine gewisse Ruhe an den Finanzmärkten eingekehrt zu sein scheint, zeigen die Optionskurse, dass die Anleger vor dieser Sitzung so wenig Vertrauen in die Bewertung der 2- und 10-jährigen Anleiherenditen hatten wie seit den turbulenten Tagen des Jahres 2009 nicht mehr.
Manche Fed-Sitzungen sind reine Routine, bei denen die möglichen Ergebnisse recht begrenzt sind – die aktuelle Sitzung zählte nicht dazu. Für einer aktuelle Zinserhöhung sprachen auch die seit der letzten FOMC-Sitzung gestiegenen Konsensschätzungen für das US-Wachstum und die Inflation. Da die nächste Fed-Sitzung erst im Mai stattfindet, befürchteten die Falken, dass eine dreimonatige Pause im Straffungszyklus, während der Arbeitsmarkt noch angespannt ist, große Fragen zur Glaubwürdigkeit der Zentralbank bei der Inflationsbekämpfung aufwerfen würde. Dennoch sprachen die wirtschaftlichen und finanziellen Risiken im Zusammenhang mit dem angespannten Bankensektor für ein vorsichtigeres Vorgehen. Während die meisten Analysen darauf hindeuteten, dass der Druck auf das Bankensystem zu einer Verschärfung der Kreditkonditionen führen würde, die einer oder zwei Fed-Funds -Anhebungen um 25 Basispunkte entspräche, kamen einige zu dem Schluss, dass die Zentralbank hier eine Pause einlegen und der Finanzstabilität Vorrang einräumen sollte, bis die Spannungen in diesem Sektor deutlich nachgelassen hätten.
Präsident Powell räumte ein, dass die jüngsten Entwicklungen im Bankensektor das Risikoverhältnis für die US-Wirtschaft erheblich verändert hätten, und merkte an, dass die Fed auf der heutigen Sitzung eine Pause in Betracht gezogen habe. Der Ausschuss beschloss jedoch eine weitere Anhebung um 25 Basispunkte, womit das obere Ende des Zielbereichs für den Leitzins auf 5 % angehoben wurde. Die wichtigste Neuerung in der begleitenden Erklärung war die Entscheidung, die seit einem Jahr bestehende Ankündigung einer „kontinuierlichen Anhebung“ des Leitzinses zu streichen und durch die Aussage zu ersetzen, dass „in Zukunft eine gewisse zusätzliche Straffung der Geldpolitik angemessen sein könnte“.
Während der Präsident betonte, dass der Ausschuss nicht davon ausgeht, die Zinssätze in diesem Jahr zu senken, preisen die Finanzmärkte einen eher gemäßigten Ausblick ein. Die Zinserwartungen für Ende 2023 und für das nächste Jahr gingen im Anschluss an die Erklärung der Fed um 15 bis 30 Basispunkte zurück. Die Märkte rechnen nun damit, dass der Zinserhöhungszyklus in den USA mehr oder weniger abgeschlossen ist, wobei eine weitere Anhebung um 25 Basispunkte im Mai als 50:50-Wahrscheinlichkeit angesehen wird und für die zweite Jahreshälfte drei Zinssenkungen eingepreist sind.
Die Herausforderungen für die Fed sind nach wie vor gewaltig. Da sich die Arbeitslosenquote einem 50-Jahres-Tief nähert und die Inflation nur langsam sinkt, sind viele Wirtschaftsexperten der Ansicht, dass weitere Zinserhöhungen notwendig sind. Wie jedoch die jüngsten Turbulenzen an den Anleihemärkten zeigen, war die Unsicherheit über die Konjunkturaussichten selten größer als heute. Die Meinungen über die künftigen Auswirkungen der geldpolitischen Straffung des vergangenen Jahres – des aggressivsten Zinserhöhungszyklus seit vier Jahrzehnten – gehen weit auseinander. Die unvorhersehbaren potenziellen Folgen der Entwicklungen im Bankensystem tragen nur zur weiteren Verunsicherung bei. Wenn sich das Wachstum verlangsamt und späte Zyklusfragilitäten unweigerlich auftreten, kann die Fed vernünftigerweise davon ausgehen, dass strengere Kreditvergabebedingungen im Bankensektor und auf den Kreditmärkten den wachstumshemmenden Einfluss höherer Zinssätze verstärken werden. Anzeichen von Spannungen im Finanzsektor sind ein Wendepunkt in der Geldpolitik und ein klares Zeichen dafür, dass der hektische Zinserhöhungszyklus in den USA mehr oder weniger vorbei ist.
von Paul O’Connor, Head of Multi-Asset, Janus Henderson Investors