- Die jüngsten Bankenzusammenbrüche scheinen zwar vorerst idiosynkratisch zu sein, dürften jedoch das Risiko einer wirtschaftlichen Rezession erhöht haben
- Hochwertige Kernanleihen bieten angesichts der Herausforderungen im Bankensektor erneut Diversifizierungsvorteile
- Ein aktiver, flexibler und researchorientierter Ansatz könnte derzeit die Chancen auf bessere risikobereinigte Renditen erhöhen
2023 startete mit drei wichtigen Themen: Ein aggressiver Straffungszyklus der Federal Reserve (Fed), eine immer noch über dem Zielwert liegende Inflation, und widerstandsfähige Konjunkturdaten. Vor diesem Hintergrund rechneten die Märkte mit verschiedenen Wirtschaftsentwicklungen, von einer weichen Landung über eine harte Landung bis hin zu gar keiner Landung. Im März wurde es jedoch noch „interessanter“.
Ein Sprichwort besagt: „Die Fed erhöht so lange, bis etwas zerbricht“. Im letzten Monat ist etwas „zerbrochen“, als die Silicon Valley Bank (SVB) und die Signature Bank (SBNY) pleitegingen und die Schweizer Regierung die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS erzwingen musste. Die Auswirkungen dieser Ereignisse werden für die Entwicklung der Märkte und der Wirtschaft in den kommenden Monaten von Bedeutung sein.
Auch wenn die endgültigen Folgen noch nicht absehbar sind, gehen wir davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit einer Rezession gestiegen ist und sich ihr Zeitpunkt nach vorne verschieben könnte. Unserer Ansicht nach beeinflusst dies die Positionierung der Anleger in einem sich verändernden Umfeld.
Anleihen bieten wieder Ausgleich
Die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor überraschten die Märkte. Denn die meisten Marktteilnehmer stuften den Sektor als qualitativ hochwertig ein, nachdem er in den letzten 15 Jahren nach der globalen Finanzkrise durch staatliche Regulierung solide Kapitalpositionen aufgebaut hatte. Schwierigkeiten im Bankensektor können erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaftsprognosen, den Straffungszyklus der Zentralbank und die Marktrenditen haben.
Hochwertige festverzinsliche Wertpapiere können in diesen Zeiten die dringend benötigten defensiven Eigenschaften in ein Portfolio bringen. Wie Abbildung 1 zeigt, entwickelten sich Kernanleihen im März, als Aktien aufgrund des angespannten Bankensektors nachgaben, weitgehend invers und lieferten den von Investoren von ihrer Anleiheallokation erwarteten Ausgleich.
Abbildung 1: Kernanleihen dienten im März als Ausgleich für den angespannten Bankensektor
Quelle: Bloomberg, Stand: 31. März 2023. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Anfang 2023 waren wir der Meinung, dass die wichtigsten Merkmale von Qualitätsanleihen, nämlich Ertrag und Diversifizierung, nach dem großen Zinsschritt 2022 zurückgekehrt waren. Wir glaubten, dass Anleger mit einer Allokation in Kernanleihen wieder gut bedient wären. Zwar rechneten wir nicht mit großen Bankenzusammenbrüchen, aber wir waren überzeugt, dass festverzinsliche Wertpapiere ein notwendiges Instrument für die Portfoliokonstruktion sind, da der Straffungszyklus der Fed eine Konjunkturabkühlung und Senkung der Inflationsrisiken mit sich bringen könnte. Im März konnten wir dann sehen, dass die Anleihenallokation die Kundenerwartungen erfüllten.
Bankenzusammenbrüche: Idiosynkratische Ereignisse oder systemische Krise?
Während die Anleger die Diversifizierungsvorteile von Anleihen in den letzten Wochen zu schätzen wissen, stellt sich die dringende Frage: Handelt es sich bei den jüngsten Bankenzusammenbrüchen um idiosynkratische Ereignisse, die sich in Grenzen halten werden, oder um die ersten Anzeichen einer systemischen Bankenkrise? Wir halten es noch für zu früh, um dies mit Sicherheit sagen zu können. Im Moment scheinen sie idiosynkratisch zu sein, da die insolventen Banken mit Risiken und Herausforderungen zu kämpfen hatten, die sich deutlich von denen des gesamten Bankensektors unterscheiden.
Dennoch sind wir der Meinung, dass idiosynkratische Ereignisse das Potenzial haben, systemisch zu werden, insbesondere wenn Investoren und Einleger weiterhin sozusagen „das schwächste Glied in der Kette“ suchen. Egal, ob es auf Wahrheit oder Gerüchten beruht, der Verlust des Vertrauens in ein Institut kann schnell zu dessen Untergang führen, wenn es zu einem Ansturm auf die Bank kommt.
Darüber hinaus sind Banken mit einem schwierigen Zinsumfeld konfrontiert, denn die kurzfristigen Zinssätze sind hoch bei inverser Renditekurve. In einem normalen Zinsumfeld – langfristige Zinsen liegen über den kurzfristigen Zinsen – verdienen die Banken Geld, indem sie kurzfristige Einlagen entgegennehmen und diese Einlagen zu höheren Zinsen für längere Laufzeiten verleihen. Bei einer inversen Zinsstrukturkurve wird es jedoch, für die Banken schwieriger, Kredite zu wesentlich höheren Zinssätzen zu vergeben, als sie für Einlagen zahlen.
Darüber hinaus sind die Banken angesichts der gestiegenen Kurzfristzinsen einem harten Wettbewerb um neue Einlagen durch höher rentierende Geldmarkt- und Rentenfonds ausgesetzt. Wie Abbildung 2 zeigt, verzeichnen die US-Banken seit Beginn der Zinserhöhungen durch die Fed 2022 stetige Einlagenabflüsse. Dies wird letztendlich ihre Kapazität zur Vergabe neuer Kredite einschränken und gleichzeitig die Zinsen für die von ihnen vergebenen Kredite in die Höhe treiben, da ihre Finanzierungskosten steigen.
Abbildung 2: Monatliche US-Bankeinlagenströme (Jan. 2021 - März 2023)
Quelle: Board of Governors of the Federal Reserve System (US), Stand: 22. März 2023.
Die Kreditvergabe ist ein wichtiger Motor des Wirtschaftswachstums. Da neue Einlagen zu einer neuen Kreditvergabe führen, gilt auch der Umkehrschluss: Einlagenabflüsse führen zu einem Rückgang der Kreditvergabe. Werden bei Banken weiterhin Einlagen abgezogen, wird dies unserer Meinung nach die Wirtschaft zusätzlich belasten. Die Banken werden gezwungen sein, Liquidität vorzuhalten und die Kreditbestimmungen zu verschärfen, indem sie weniger, risikoärmere und teurere Kredite vergeben. Dies führt letztlich zu einer Konjunkturabschwächung.
Wie Abbildung 3 zeigt, hatten die jüngsten Bankenpleiten einen dramatischen Einfluss auf die Verschärfung der Finanzierungsbedingungen, nachdem diese Anfang 2023 begonnen hatten, sich zu entspannen.
Abbildung 3: Verschärfung der Finanzierungsbedingungen durch Bankenpleiten (Januar 2021 - März 2023)
Quelle: Bloomberg, Stand: 31. März 2023.
Portfoliopositionierung ist entscheidend
Unabhängig davon, ob es zu einer systemischen Bankenkrise kommt oder nicht, sehen wir die Fed jetzt in einer noch schwierigeren Lage: Sie versucht, Bankenzusammenbrüche zu verhindern bei gleichzeitiger Inflationseindämmung. Ein in unseren Augen großer Nachteil für die Wirtschaft, der die Wahrscheinlichkeit einer Rezession erhöht. Außerdem dürfte die Fed nach ihrer Zinserhöhung um 0,25% im März eher eine Pause einlegen, da sie die Auswirkungen der strengeren Finanzierungsbedingungen und des bevorstehenden langsameren Kreditwachstums der Banken auf die Wirtschaft berücksichtigt.
Drei wichtige Punkte für die zukünftige Positionierung von Investmentportfolios:
- Inkaufnahme eines gewissen Zinsrisikos (Duration). Aufgrund des angespannten Bankensektors, der gestiegenen Wahrscheinlichkeit einer Rezession und unserem Eindruck, dass die Fed ihre Zinserhöhungen abgeschlossen hat – oder kurz davorsteht –, halten wir einen deutlichen Zinsanstieg ab jetzt für sehr unwahrscheinlich. Darüber hinaus sind wir der Meinung, dass eine Erhöhung der Duration auf dem derzeitigen Niveau den Portfolios dringend benötigte defensive Eigenschaften bieten kann.
- Vorsicht beim Spread-Risiko. Aufgrund der in letzter Zeit gestiegenen Risiken würden wir uns für eine defensivere Haltung bei der Allokation in Anleihen geringerer Bonität aussprechen. Wir würden auch konjunkturabhängige Branchen meiden, insbesondere solche, die am empfindlichsten auf strengere Kreditvergabebedingungen reagieren. Wir sind der Meinung, dass Research im derzeitigen Umfeld wichtiger denn je ist. Die Anleger sollten sich bewusst sein, welche Titel sie halten und welchem Risiko das Portfolio ausgesetzt ist.
- Seien Sie flexibel und aktiv. In einem schwieriger werdenden Wirtschaftsumfeld steigt auch die Wahrscheinlichkeit auf deutliche Gewinner und Verlierer. Gleiches gilt für bestimmte Sektoren, Branchen und einzelne Emittenten. Aus unserer Sicht erlaubt ein flexibler Ansatz eine bessere Nutzung von sich im Laufe des Jahres bietenden Anlagechancen, was möglicherweise zu besseren risikoadjustierten Renditen führt.
Von Greg Wilensky, Head of US-Fixed Income und Michael Keough, Portfolio Manager bei Janus Henderson Investors